Nachhaltigkeit wird für Konsument:innen immer wichtiger. Viele Unternehmen stellen sich deswegen nachhaltiger dar, als sie eigentlich sind. So auch die Austrian Airlines in einem Fall, der gerichtsanhängig wurde. Von Greenwashing war die Rede. Aber was steckt eigentlich hinter dem Begriff?
von HANNAH KONRAD & SOPHIA KOLLER
Der VKI (Verein für Konsumenteninformation) untersucht im Rahmen seines Greenwashing Checks seit 2021 regelmäßig grüne Versprechen von Unternehmen, Marken und Produkten. 2022 verklagte er die Austrian Airlines wegen irreführender Werbung und gewann den Prozess. Die Fluglinie erhielt einen Unterlassungstitel und muss bei jedem weiteren Verstoß gegen das Urteil eine Geldbuße von bis zu 100.000 Euro pro Verstoß bezahlen. Der VKI ist zufrieden mit dem Ergebnis, die AUA akzeptierte das Urteil.
Der Fall war im Herbst 2023 medial überaus präsent. Worum ging es aber genau? Die AUA warb im Jahr davor mit einem Plakat, auf dem stand, dass man CO2-neutral von Wien nach Venedig fliegen könne. Mit dem Einsatz von 100 Prozent Sustainable Aviation Fuel (SAF) sei das möglich. SAF ist ein nachhaltiger Flugkraftstoff. Die AUA bot ihren Kund:innen an, über 50 Prozent vom Ticketpreis aufzuzahlen, damit man quasi CO2-neutral fliegen könne. Über den Aufpreis wurden Konsument:innen auf dem Werbeplakat aber nicht informiert. Aber nicht nur in diesem Punkt wurde nicht ausreichend informiert.
Tatsächlich sind momentan keine Flüge technisch möglich, die nur mit SAF, also nachhaltigem Flugkraftstoff, betrieben sind. Kein Flugunternehmen kann zurzeit 100 Prozent SAF tanken, sondern nur einen kleinen Prozentsatz davon mit Kerosin mischen. Das tat auch die AUA. Aber nicht bei besagtem Flug. Wenn man den Aufschlag auf das Ticket bezahlte, wurde nicht der eigene Flug nachhaltig betankt, sondern ein späterer innerhalb der nächsten sechs Monate. Man konnte mit dem Aufpreis also nicht den eigenen CO2-Verbrauch kompensieren und wurde auch nicht darüber informiert, wie Barbara Bauer, Anwältin beim VKI, gegenüber SUMO erklärt. Ob die Austrian Airlines bewusst falsch informiert haben, sei aber nicht klar, bei einem Verstoß gegen das Gesetz des unlauteren Wettbewerbs (kurz UWG-Verfahren) gehe es auch nicht um den Vorsatz.
Wettbewerbsrecht gegen Greenwashing-Methoden
Rechtlich gibt es nämlich keine Definition von Greenwashing. Wenn ein Unternehmen Greenwashing betreibt, dann ist die einzige „rechtliche Waffe“ das Wettbewerbsrecht – die Klage wegen „irreführender Werbung“, so Bauer. „Greenwashing bezeichnet eine Sammlung aus verschiedenen PR- und Marketing-Methoden, mit denen Unternehmen sich selbst oder die Produkte, die sie vertreiben, umweltfreundlicher darstellen, als sie eigentlich sind“, ergänzt Raphael Fink, Umweltexperte beim VKI. Und: „Es gibt keine Belege, dass Greenwashing nur in bestimmten Branchen vorkommt, es ist tendenziell gleich verteilt. Wenn man es einschränken muss, dann kommt es eher in Branchen vor, wo den Konsument:innen Nachhaltigkeit besonders wichtig ist, zum Beispiel bei Lebensmitteln. Auch Branchen, die allgemein als „schmutzig“ gelten, wie beispielsweise die Brennstoffbranche“, so Fink auf die Frage, ob es in manchen Wirtschaftszweigen besonders häufig zu Greenwashing kommen würde.
Unternehmensinternes Missverständnis?
Doch warum kommt es ganz generell zu Greenwashing-Vorfällen? „Es ist immer wieder die Frage, ob ein Unternehmen sein Kerngeschäft prinzipiell schöner darstellen will, als es tatsächlich ist, oder ob es ein Fehler in der Kommunikations- und PR-Abteilung ist“, so Gabriele Faber-Wiener, renommierte CSR- und Kommunikationsexpertin bzw. Beraterin im SUMO-Gespräch. Ein Hauptgrund für derlei Fehler in der Marketingabteilung sei, wenn das Unternehmen eine extrem hohe Innensicht, eine „Ingroup-Bias“-Perspektive entwickelt habe. Dabei wird die Außenperspektive, vor allem bei großen Unternehmen, vernachlässigt. Es sei daher wichtig, dass Unternehmen Wesentlichkeitsanalysen machten, wodurch sie eine Außenperspektive und einen Realitätscheck bekommen. Die erste große Baustelle ist dabei meist die Kommunikation. Vor allem die interne Kommunikation ist einer der wichtigsten und zugleich komplexesten Abläufe in einem Unternehmen. Ein zentraler Ansatzpunkt, um Greenwashing zu verhindern, wäre daher meistens auch einfach nur mehr Zusammenarbeit zwischen den einzelnen Abteilungen, so die Expertise von Faber-Wiener. Ein weiterer Punkt betrifft die fehlenden strukturierten Reflexionsprozesse in Unternehmen. Es gebe zwar immer wieder Evaluierung von verschiedensten Abläufen, aber nicht unbedingt strukturiert während der Produktion, etwa eines Werbespots. Faber-Wiener sagt, dass zwar überlegt wird, wie die Zielgruppe erreicht werden könnte, allerdings mangle es oft an Überlegungen der Auswirkungen. Nicht nur die positiven, sondern auch negativen Konsequenzen eines Werbeprodukts sollten analysiert und dadurch verbessert werden.
Neue Gesetze sollen Konsumenten schützen
Die aktuelle politische Debatte über Klimaschutz und Nachhaltigkeit zeigt, dass die Regierung große Schwierigkeiten hat, einen gemeinsamen Konsens (auch mit Unternehmen) zu finden. Freiwillige Verpflichtungen reichen nicht aus, da sie oft nicht eingehalten werden.
Eine klare gesetzliche Regelung wird es freilich in Bälde geben. Eben wurde vom EU-Parlament eine Richtlinie beschlossen, die Konsumierende vor Greenwashing schützen soll. Die Umsetzung dieser EU-Richtlinie in nationale Gesetze ist innerhalb von zwei Jahren vorgesehen. Spätestens dann sollten sich Konsument:innen auch auf „Green Claims“ verlassen können. Expertin und Beraterin Gabriele Faber-Wiener bemerkt jetzt schon Veränderung – auch wenn das Gesetz wohl erst 2026 in Kraft treten wird.