Behindertensport im medialen Rampenlicht  

Behindertensport im medialen Rampenlicht

Während den Paralympics 2021 kämpften die Medien förmlich um ihre Sendezeit. Allein der britische Fernsehsender „Channel 4“ übertrug mehr als 1.300 Stunden aus Tokio.

Nach Großevents allerdings wird dem Behindertensport nur noch wenig mediale Aufmerksamkeit geschenkt. Über mögliche Gründe beziehungsweise zukünftige Hoffungen sprach SUMO mit dem Präsidenten der Special Olympics Österreich Peter Ritter sowie Nico Feißt, Pressesprecher des Parasportvereins TSV Bayer 04.  

Einmal Gold, fünfmal Silber und dreimal Bronze – diese zufriedenstellende Bilanz zog die österreichische Nation nach den Paralympics 2021 in Tokio. Obwohl es „nur“ ein Medaillenspiegel ist, zeigt dieser laut einer Presseaussendung des Österreichischen Paralympischen Committee deutlich die Professionalisierung des Behindertensports auf. „In den vergangenen Jahren hat sich der Behindertensport stark weiterentwickelt und ist heutzutage auf einem noch nie dagewesenen Niveau“, erklärt Nico Feißt. Sein Verein TSV Bayer 04 Leverkusen umfasst diverse Sportarten, von Schwimmen über Sitzvolleyball bis zu Leichtathletik, er selbst wurde im letzteren Bereich für den Paralympic Media Award nominiert. Auch der Präsident der Special Olympics Österreich Peter Ritter schließt sich dieser Meinung an: „Das Interesse, der Bekanntheitsgrad und die Möglichkeiten des Behindertensports sind im Vergleich zu den letzten Jahrzenten deutlich gestiegen.“ Eine wesentliche Unterscheidung, die hierbei vorgenommen werden muss, ist die Abgrenzung zwischen Paralympics und Special Olympics. Beide Sportbewegungen verfolgen die gleichen Ziele und Vorstellungen, doch während bei den Paralympics nur Personen mit körperlicher Behinderung teilnehmen dürfen, werden bei den Special Olympics auch Personen mit intellektueller oder Mehrfachbehinderung inkludiert. Die Sportnation Österreich ist insgesamt nicht nur bei den Paralympics, sondern auch bei den Special Olympics äußert erfolgreich. So konnten die Sportler*innen bei den Sommerspielen 2019 in Abu Dhabi 52 Medaillen mit nach Hause bringen.   

Medien – aber wohin schauen sie?   

Vom 24. August bis 5. September 2021 war kaum ein anderes Sportthema präsenter in den Medien als die Paralympics. Warum so plötzlich? „ORF Sport+“ übertrug tägliche Tageszusammenfassungen, ARD sowie ZDF haben mit mehr als 62 Stunden so viel wie selten zuvor live die Paralympics übertragen. Der britische Fernsehsender „Channel 4“ widmete sich in den 13 Tagen voll und ganz dem Behindertensport und übertrug sogar mehr als 1.300 Stunden aus Tokio. Doch nach dem Großevent wurden – und werden – die Berichterstattungen deutlich weniger. Eine Studie aus dem Jahre 2016, die im Auftrag des österreichischen Sozialministeriums durchgeführt wurde, bestätigt diese Schieflage und zeigt, dass sich die Berichterstattung über Menschen mit Beeinträchtigung lediglich auf einige wenige Themenschwerpunkte konzentriert. Knapp 60% des Berichtsvolumen der untersuchten Medien entfällt auf die Themen Paralympics, Sportunfälle und Charity. Über sonstige sportliche Ereignisse und Erfolgsgeschichten wird merklich weniger berichtet. Nico Feißt sieht die mediale Situation nicht ganz so eng und hebt vor allem die positiven Veränderungen hervor. „Das mediale Interesse ist im Vergleich zu den letzten Jahren deutlich gewachsen. Heutzutage wird der Behindertensport auch in Nachrichtenblöcken erwähnt, was früher undenkbar gewesen wäre. Obwohl die Berichterstattung zwischen den Paralympics abnimmt, kann man erkennen, dass deutlich mehr über den Behindertensport als in der Vergangenheit gesprochen wird.“ Gründe für das steigende Interesse der Medien sieht er vor allem in der hohen Professionalisierung und generellen Attraktivität des Behindertensports. Auch Peter Ritter betont die positiven Seiten der Berichterstattung: „Egal, wie klein ein Beitrag ist, er bringt ein enormes Ergebnis und steigert den Bekanntheitsgrad des Behindertensports. Speziell in den so genannten Erste Welt-Ländern kann man gute mediale Entwicklungen sehen, da das gesellschaftliche Interesse und die Möglichkeiten wachsen.“  

Liegt es in der Natur der „Sache“?  

Laut Nico Feißt gebe es verschiedene Gründe, warum dem Behindertensport nach Großevents weniger mediale Aufmerksamkeit geschenkt werde. „Dass die Berichterstattung abnimmt, ist logisch und liegt in der Natur der Sache. Wenn man sich mal anschaut über wie viele Sportarten nach den Olympischen Sommerspielen berichtet wird, bleibt eigentlich auch nur der Fußball übrig.“ Darüber hinaus möchten viele Vereine und Verbände das Risiko hinsichtlich ihrer Ressourcen nicht eingehen, um Kamera- oder Fotografenteams zu engagieren. Dadurch werde automatisch weniger über behinderte Sportler*innen berichtet. Peter Ritter erklärt sich das abnehmende Interesse der Medien nach Großevents ähnlich und behauptet: „Olympiaden, Weltmeisterschaften und nationale Spiele haben einen anderen Stellenwert in unserer Gesellschaft als kleinere Events. Dadurch ist es klar, dass die Berichterstattung nach Special Olympics oder Paralympics abnimmt.“ Ebenso ergänzt Ritter, dass zum Beispiel Bezirksmeisterschaften des Behindertensports eher in Bezirkszeitungen aufgegriffen werde und es oftmals durch die geringere Lesereichweite so wirke, als würde gar nicht darüber berichtet werden.    

Rosige Aussichten  

Nico Feißt und Peter Ritter sind sich darin einig, dass die mediale Zukunft des Behindertensports vielversprechend aussehe. „Die Berichterstattung über die Paralympics 2024 in Paris wird mit Sicherheit nochmal ein neues Level erreichen. Bereits 2012 bei den Paralympics in London habe ich gedacht, dass es größer nicht mehr werden kann – und siehe da, die Entwicklungen sind gigantisch‘“, konstatiert Feißt euphorisch. Medien haben mittlerweile verstanden, dass der Behindertensport ein gesellschaftlich etabliertes Thema sei und sich an großer Beliebtheit erfreue. „In London 2012 haben wir es versucht, alle Interviewanfragen möglich zu machen, in Tokio 2021 war das aufgrund der Vielzahl einfach nicht mehr machbar“, fügt der Pressesprecher hinzu. Außerdem ist Feißt davon überzeugt, dass die Berichterstattung auch zwischen den Großevents zunehmen werde. Peter Ritter sieht der Zukunft ebenso freudig entgegen und betont, dass die inklusiv-gesellschaftliche Bedeutsamkeit des Behindertensports in den letzten Jahren erst so richtig bewusst gemacht worden ist. „Menschen mit Behinderungen werden nicht mehr versteckt, man wird sie zweifellos auch in Zukunft weiterhin stark medial aufzeigen. Wenn genauso viel Aufmerksamkeit den Menschen mit Behinderung wie den Menschen ohne Behinderung geschenkt wird, dann haben wir schlussendlich unser Ziel erreicht“, resümiert Ritter.   

von Kathrin Plchot 

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