Das Lizenz-Roulette: Sportübertragungsrechte im Geldrausch   

Sportübertragungsrechte im GEldrausch

Sport spaltet, bewegt und verbindet. Sei es Fußball, Formel 1 oder Skifahren – Rezipient*innen versammeln sich in Scharen vor den Bildschirmen, um diese Events live mitzuverfolgen.

Hinter den Kulissen tragen ORF, „DAZN“, „Sky“ & Co. jedoch ihren eigenen Wettbewerb aus und müssen für die begehrtesten Übertragungsrechte die Grenzen ihres Budgets ausreizen. Wie sich der Sportlizenzmarkt über die letzten Jahre weiterentwickelte und welche Hürden in Zukunft zu überwinden sind, erfuhr SUMO im Gespräch mit Hans Peter Trost, Leiter der Hauptabteilung Sport beim ORF, und Mario Lenz, Operating Officer & Director Group Sports Rights bei „PULS 4“.  

„Live ist DAS wesentlichste Ereignis im Sport“, erklärt Trost und weist damit auf die Bedeutsamkeit von Sportübertragungsrechten für TV-Unternehmen, deren Rezipient*innen als auch die Werbewirtschaft hin. Die Faszination rund um Sport sei so tief in der Gesellschaft verankert, dass nahezu alle Sinus-Milieus (Zielgruppen-Typologien) angezogen werden. Gerade Großereignisse machen dies besonders deutlich. Das letztjährige Hahnenkamm-Rennen 2021 verfolgten im ORF 1,4 Millionen Österreicher*innen und das Finale der Europameisterschaft 2021 fesselte sogar rund 2 Millionen an die heimischen Bildschirme. Daran anknüpfend betont Lenz auch, dass Leute aktiv nach Sportinhalten suchen. Anders als bei Programmpunkten im Unterhaltungsbereich fallen hier die Werbemaßnahmen geringer aus, da die relevanten Zielgruppen die Sportinhalte meist schon antizipieren oder sich selbstständig über ihre Ausstrahlung informieren. All diese Umstände machen exklusive Sportlizenzen so attraktiv, sind aber auch der Grund, weswegen sie sich zu so kostspieligen Gütern entwickelt haben. Doch wie werden diese Lizenzen eigentlich erworben?  

Lizenzhandel im Wandel 

Pauschal lässt sich darauf keine eindeutige Antwort formulieren, denn je nach zuständigem Sportverband gibt es abweichende Abläufe und andere Entscheidungskriterien. Grundsätzlich lassen sich jedoch Unterschiede im Erwerb von Premium-Lizenzen, wie die UEFA Champions League oder die Formel 1, und „kleineren“ Lizenzen aus weniger populären Sportarten erkennen. Die bedeutsamen Übertragungsrechte von wirtschaftlich lukrativen Lizenzgebern werden im Normalfall plattformneutral ausgeschrieben und Interessenten können sich innerhalb eines festgesetzten Zeitraums für die befristeten Lizenzen bewerben. Die Vergabe läuft allerdings nicht über die zuständigen Sportverbände, sondern wird von externen Agenturen abgewickelt. Früher kümmerten sich die Sportverbände selbstständig um die Vergabe ihrer Lizenzen, jedoch weist Trost darauf hin, dass die zunehmende Komplexität im Lizenzhandel ein eigenständiges Vorgehen ohne juristische Beratung unmöglich machte.  Anders als vor 20 Jahren seien Übertragungsrechte heutzutage in zahlreiche Lizenzpakete segmentiert. So können Unternehmen das Recht erwerben, Highlights von Sportereignissen auszustrahlen, Wettbewerbe zeitversetzt zu übertragen oder lediglich News-Elemente in ihr Programm zu integrieren. Trotz der gestiegenen Vielfalt an Produkten herrscht am meisten Interesse noch immer rund um die Live-Übertragungsrechte, da sie, gerade wenn sie exklusiv für ein Sendegebiet erworben werden, klare Wettbewerbsvorteile schaffen können. Die Segmentierung der Lizenzen ist aber auch mit wirtschaftlichen Vorzügen für die Sportverbände und damit einhergehend den einzelnen Vereinen verbunden. In der letzten Ausschreibung der 1. und 2. Bundesliga konnte die Deutsche Fußball Liga nach eigenen Angaben durch die verschiedenen Pakete Lizenzerlöse in Höhe von über 4 Milliarden € generieren. 

Bei kleineren Lizenzgebern ist wesentlich weniger Geld im Umlauf, aber Lenz erkennt dafür eine engere Partnerschaft zwischen Verband und Lizenznehmer. Hier verzichten die Verbände meist auf externe Agenturen, da sowohl die gebotenen Lizenzen als auch die Menge an Interessenten überschaubar seien. Die Lizenzvergabe wird somit eigenständig vom Verband übernommen. Aus eigenen Erfahrungen bei den Verhandlungen mit derartigen Lizenzgebern berichtet Lenz weiters von direkter Absprache und größerer Flexibilität in der genauen Struktur der Rechtepakete. Die Lizenzen der bedeutsamen Sportverbände seien im Vergleich meist mit strengen Auflagen verbunden und generell herrsche wenig Verhandlungsspielraum in Bezug auf die Rahmenbedingungen der Übertragung. Dies hänge auch damit zusammen, dass aufgrund der Lukrativität dieser Rechtepakete ein schwächeres Abhängigkeitsverhältnis auf Seite des Lizenzgebers vorzufinden ist. Kleinere Verbände suchten dahingegen händeringend nach langfristigen Partnerschaften und seien daher offener für Kompromisse.  

ORF rückt in zweite Reihe?  

„Die Zeiten, wo jemand forderte, ich zahle eine Gebühr und möchte alles haben, sind vorbei.“ Diese These stellt Trost auf und gesteht ein, dass es sich für den ORF in Zukunft immer schwieriger gestalten werde, anderen Marktteilnehmern in Österreich lukrative Lizenzen strittig zu machen. Dafür fehle schlichtweg die Zahlungskraft. Der Wettbewerb hat in der jüngsten Vergangenheit wesentlich an Fahrt aufgenommen und Unternehmen wie „Sky“, „DAZN“ oder auch „Servus TV“ zementierten ihr gewinnorientiertes Interesse an der Übertragung von Sportereignissen. Das Geld bündelt sich in Österreich hauptsächlich um wenige Sportarten, die garantiert Zuschauer*innen versprechen und sichere Investitionen abbilden – allen voran Fußball, gefolgt von Formel 1 und Skifahren. Der ORF kann im Vergleich dazu eine viel größere Varietät aufweisen und zeigt über all seine Kanäle insgesamt 75 verschiedene Sportarten. Dieser Umstand ist auf den gesetzlich definierten Programmauftrag zurückzuführen, bietet dem ORF aber auch die Möglichkeit, Sportarten mit einer vermeintlich niedrigeren Zuschauerschaft massentauglich mitaufzubauen. Trost sieht hier vor allem Entwicklungspotential im Frauenfußball und unterstreicht die Investitionen, welche der ORF erfolgreich über die letzten Jahre in diesem Bereich tätigte. Die EM-Halbfinalpartie zwischen Österreich und Dänemark verfolgten zum Beispiel 1,3 Millionen Menschen live mit, wodurch deutlich wird, dass der ORF nicht unbedingt auf Premium-Lizenzen angewiesen ist.  

Die Übertragung von Frauenfußball ist ein exzellentes Beispiel für ein Lizenzprodukt mit unausgeschöpften Potential. Grundsätzlich konstatiert Lenz jedoch: „Die attraktivsten Sportrechte kosten auch am meisten Geld. Es gibt nicht irgendwo diesen einen verborgenen Schatz, den bis jetzt niemand gehoben hat.“ Des Weiteren führt er an, dass es sich gerade für kleinere Anbieter im Privatsektor progressiv herausfordernder gestalten wird, dem steigenden Wettbewerb am Lizenzmarkt entgegenzuwirken. Deswegen seien sie zwangsweise darauf angewiesen, nach Partnerschaften auf nationaler Ebene zu suchen oder im Idealfall Sparten zu finden, die gemeinsam wachsen und groß werden können. Sportarten wie American Football oder Darts waren früher sehr wenig nachgefragte Rechte, doch haben sich mittlerweile zu attraktiven Lizenzen entwickelt, da das gesellschaftliche Interesse gewachsen ist. Lenz weist jedoch darauf hin, dass Unternehmen einen langen Atem benötigen, um solche Marken gewinnbringend am Markt etablieren zu können.  

Zukunft noch umkämpfter? 

In der Theorie klingt es nach einem leichten Unterfangen, doch die Realität zeichnet ein anderes Bild. Der aktuell schon intensive Konkurrenzkampf droht sich in den nächsten Jahren weiter zu verschärfen. Lenz schätzt hier vor allem den endgültigen Markteintritt von globalen Playern wie „Amazon Prime“, die aktuell schon Lizenzen der UEFA Champions League erworben haben, als nächste Entwicklungsstufe ein. Diese hegen wirtschaftliche Anliegen in noch größeren Dimensionen und seien deshalb weniger an Übertragungsrechten für vereinzelte Sendegebiete interessiert. Ihr Fokus liege eher darauf, einzelne Territorien zusammenzufassen, damit sie die Lizenzen multinational verwerten können. Erdenklich wären Übertragungsrechte für größere Gebiete in ganz Europa, doch solche Prognosen sind immer mit einer Ungewissheit behaftet. 

Des Weiteren könnten die Sportverbände bald selbst in die Rolle schlüpfen, ihren Content an die Öffentlichkeit auszuspielen. Lenz meint, dass Sportverbände in Zukunft möglichst viel Reichweite über ihre eigenen Kanäle generieren wollen. Neben den bereits existierenden sozialen Kanälen wäre es für manche Verbände auch leistbar, ihre Inhalte über eigene kostenpflichtige Plattformen digital zu distribuieren. Die National Football League bietet mit dem NFL Game Pass bereits solch einen Service an und Lenz kann sich vorstellen, dass weitere Sportverbände nachziehen. Allerdings betont er auch, dass die Verbände nicht auf die Lizenzeinnahmen von TV-Unternehmen verzichten können und sie einen wichtigen Faktor in der Generierung von Reichweite darstellen. Eine Koexistenz beider Distributionswege empfindet Lenz daher als wahrscheinlichsten Ausgang.  

„Money talks“ – Gefahr der sozialen Exklusion 

Bei all diesen Diskussionen rund um die Wirtschaftlichkeit von Sportübertragungsrechten werde laut Trost schnell vergessen, dass Sport im weitesten Sinne auch Kulturgut ist und für die Gesellschaft eine sinnstiftende Funktion innehat. Dadurch, dass viele sportliche Wettbewerbe nur mehr mit einer monatlichen Abonnementgebühr oder mittels anderen Zahlungsschranken gesehen werden können, entwickele sich die Rezeption von Sport zu einer finanziell aufwändigen Beschäftigung, die sich nicht jede/r leisten kann. Die Vielfalt an Anbietern birgt des Weiteren eine starke Segmentierung der Sportinhalte in sich. Rezipient*innen müssen also Abonnements mit mehreren Anbietern abschließen, um Sport-Content in seinen vollen Zügen genießen zu können. Die Zahlungsbereitschaft für Abo-Dienste sei in den Augen von Lenz zwar gestiegen, sollte aber nicht Anlass geben, den Zugang zu Sport weiterführend zu beschränken. Gerade Wettbewerbe von nationalem Interesse dürften sich nicht hinter Zahlungsschranken befinden, da sie kulturelle Werte transportieren. Gemeint sind Auftritte der österreichischen Nationalmannschaften oder Ereignisse wie die Olympischen Spiele. Wettbewerbe dieser Art solle jede/r sehen können, die bzw. der es will. In welche Richtung sich der Sportlizenzmarkt weiterentwickelt, hängt von den Markteilnehmern und ihren monetären Schmerzensgrenzen ab. Fakt ist allerdings, die gesellschaftliche Anziehungskraft von Sport wird definitiv bestehen bleiben.  

von Wanja Lang 

Bild-Copyright: adobe.stock/victor217