@BRUDI interessier dich mal für @geschichte.oida – Journalistische Formatentwicklung für TIKTok

Die meisten großen Medienhäuser produzieren mittlerweile Inhalte für TikTok. Mit durchwachsenen Ergebnissen. Erfolgsmodelle anderer Plattformen, gehen auf TikTok nicht unbedingt auf. Die Logik der Plattform ist eine andere, als bei Instagram, Facebook und Co. Journalistische Formate können aber durchaus auf TikTok funktionieren. Dazu müssen die Formate schon in der Entwicklung auf die App zugeschnitten sein. SUMO hat mit Hannah Ackermann, Social Media Managerin beim deutschen Content-Netzwerk FUNK und Lukas Lorber, Host des TikTok Formates „geschichte.oida“ geredet.

von Sophie Eder

Journalismus auf TikTok

Die Social Media App TikTok legte in den letzten Jahren einen steilen Aufstieg hin. Laut dem “Jugend-Internet-Monitor 2022”, verzeichnete die App im Jahr 2022 einen Nutzer*innenzuwachs von 13%. Somit nutzen 70% der elf bis 17 jährigen Österreicher*innen die Videoplattform, 77% von ihnen sogar täglich.
TikTok’s Erfolg beruht vor allem auf der For You Page, die jedem Nutzer*in ein individuell zugeschnittenes Videoangebot ausspielt. Durch die algorithmische Auswahl der Videos bilden sich Bubbles, zu den unterschiedlichsten Themen. Jeder Content findet so sein Publikum. Es entsteht ein Markt, der auch Platz für spezifische Nischenformate bietet.

In den letzten Jahren haben viele Medienakteure die Relevanz von TikTok erkannt und bespielen eigene Kanäle mit journalistischen Inhalten. In Deutschland setzt vor allem das öffentlich – rechtliche Jugendnetzwerk FUNK auf TikTok-Formate. Seit 2021 gibt es mit der „Zeit im Bild“ (@zeitimbild) auch in Österreich den ersten öffentlich-rechtlichen TikTok Kanal. Ein breites Online-Angebot, wie FUNK es liefert, ist in Österreichischen Rundfunk gesetzlich derzeit nicht möglich.
Diese Lücke füllen private Medien, wie der Digitalverlag Hashtag, unter dessen Dach journalistische Formate, wie „geschichte.oida“, „politik.oida“ oder „wien.stabil“ produziert werden.

Von der Uni zur TikTok-Karriere

Im Format „geschichte.oida“ erzählen die Hosts Nikolai, Lukas, Jonas und Nico skurrile und lustige Fakten aus der österreichischen Geschichte und unterhalten damit mittlerweile über 17.000 Abonnent*innen. Ein ausgeklügelter Plan steckte anfangs nicht dahinter. Lukas Lorber, einer der Hosts des Formats, erzählte SUMO, dass die Idee für das Projekt bei einem Uni-Seminar entstanden sei, in dem über neue Formen des Journalismus diskutiert wurde.

„Es war am Anfang eher trial and error. Wir haben uns an anderen Kanälen orientiert und einfach mal ausprobiert was so funktioniert“, erklärt Lorber. Das Format fand schnell Anklang und sprengte bald den Rahmen eines Uni-Projekts. Seit einiger Zeit arbeiten sie deshalb mit ihrem Dozenten Stefan Apfl zusammen, der den Digitalverlag „Hashtag“ gegründet hat.
In Kooperation mit „Hashtag“ konnten Lukas und seine Kollegen ihr Format weiterentwickeln:
„Durch den Digitalverlag haben wir uns professionalisiert und hatten die Möglichkeit Studios, Mikrofone und Licht zu nutzen“. Auch die Möglichkeit zu bezahlten Kooperationen entstand durch die Zusammenarbeit. Das Format begleitete beispielsweise die „Lange Nacht der Museen“ in Wien. „Wir hatten einen Livestream bei dem wir von Museum zu Museum gingen, das war schon ein besonderes Highlight“, so Lorber.

Brudi Formatentwicklung

Bei FUNK, dem Content-Netzwerk von ZDF und ARD, durchlaufen neue Formate mehr Schritte, bevor der erste Beitrag online kommt. Hannah Ackermann ist Social Media Managerin beim FUNK Format „Brudi“. Sie schildert, welche Vorbereitungen der Entwicklungsprozess eines Formats benötigt: Die Produktionsfirma „Kooperative Berlin“, die Brudi produziert, führte zunächst Marktanalysen durch. Dabei stellte sie fest, dass es für die Zielgruppe der Jungen im Alter von 13-16 Jahren noch kein aufklärerisches Format im Content-Netzwerk FUNK gab. Die Idee wurde daraufhin ausgearbeitet und an das Content-Netzwerk gepitcht.

Der ursprüngliche Plan war ein Talk-Format mit längeren YouTube-Videos. Mittlerweile findet „Brudi“ ausschließlich auf „TikTok“ statt. Das Konzept wurde komplett umgestellt. Ackermann erzählt: „Es war spannend zu sehen, wie sich aus der ursprünglichen Formatidee etwas ganz Eigenes entwickeln kann. Es zeigt, dass es nicht nur Formatentwicklung braucht, sondern auch eine ständige Weiterentwicklung und vor allem keine Angst vor Veränderung.“

Idealer Prozess der Formatentwicklung

Produktionsfirmen wie die „Kooperative Berlin“ sind Profis im Bereich der Formatentwicklung. Aus der Entwicklung von „Brudi“ lassen sich daher viele typische Schritte ableiten, die es auf dem Weg zu einem neuen „TikTok“-Format braucht.

Zum Beginn seie es wichtig, alle Mitarbeitenden auf den gleichen Stand zu bringen, stellt Ackermann klar. Im Fall von „Brudi“ hieß das: regelmäßige Workshops zu „TikTok“ für das ganze Team. Denn nicht jede*r arbeitet mit „TikTok“ als primäre Plattform. Ackermann meint: “Um ein gutes Format an den Start zu bringen, ist es total wichtig, dass man die Plattform selbst benutzt, nur so kann man sie wirklich verstehen.”

Die Suche nach der Zielgruppe

Bevor Details eines Formats entwickelt werden, ist es entscheidend die eigene Zielgruppe sehr genau zu bestimmen und deren Ansprüche und Interessen zu ermitteln. Nur so lassen sich Inhalte produzieren, die ihr angedachtes Publikum erreichen. Zur Bestimmung von Zielgruppen gibt es verschiedene Möglichkeiten.
Das „Brudi“-Team arbeitete dafür mit sogenannten Personas. Das sind fiktive Steckbriefe von Personen aus der Zielgruppe, die dabei helfen, das Publikum eines Formats zu definieren. Durch die genaue Ausdifferenzierung ergeben sich klare Vorgaben, an denen man sich in der weiteren Entwicklung festhalten kann.

Look & Feel – der Wiedererkennungswert eines Formats

Ist die Zielgruppe des Formats geklärt, kann die eigentliche Formatentwicklung beginnen. Dabei ist es wichtig von Anfang an ein klares Ziel zu verfolgen und “einen groben Fahrplan durch das Projekt zu definieren”, erklärt Ackermann.
Bei „TikTok“-Formaten spielt vor allem der Faktor “Look and Feel” eine große Rolle. Denn anders als bei „YouTube“ und anderen Videoplattformen sind Videos auf „TikTok“ meist nur einige Sekunden lang. Dementsprechend viele verschiedene Videos werden innerhalb kürzester Zeit konsumiert. „Der erste Eindruck des Videos beim Swipen ist entscheidend um herauszustechen.“

Durch die Dynamik der For You Page liegt der Fokus der Nutzer*innen außerdem fast ausschließlich auf den Videos. Der Kanal hinter dem Video wird häufig überhaupt nicht wahrgenommen. Dies stellt ein Problem für professionelle Kanäle dar, die Wachstums- und Verwertungslogiken unterworfen sind. Ein Schwerpunkt der Formatentwicklung ist daher die Bestimmung des Wiedererkennungswertes der eigenen Videos. Die Zuseher:innen sollten auf den ersten Blick erkennen, dass es sich um ein Video des Formats handelt.

Der Wiedererkennungswert von „Brudi“ bestand anfangs vor allem in der hohen Qualität der Videos. Hannah Ackermann meint, vor einem Jahr habe es noch nicht so viele professionell produzierte Formate gegeben. Dadurch konnten Videos schon allein durch ihre technische Qualität hervorstechen, heute sei dies anders.
„Brudi“ definiert sich seitdemvor allem über den Look der Videos: einfarbige Hintergründe und ein großer Buzzermachen das Erscheinungsbild einzigartig. Auch Moderator*innen können den Wiedererkennungswert eines Formats ausmachen. So ist zum Beispiel der Brudi-Host Leon leicht dem Format zuzuordnen.

Journalismus auf Tiktok – Kann das überhaupt funktionieren?

Noch immer wird „TikTok“ von Vielen als reine Unterhaltungsplattform für Tanzvideos abgetan. Aber immer mehr Medienhäuser habenverstanden, dass die Relevanz von „TikTok“ nicht mehr zu ignorieren ist.

Die Plattform ist mehr, als ein weiterer Kanal der bespielt werden muss. Sie bietet einige spezifische Vorteile für moderne Journalist:innen. Allen voran die Möglichkeit, auch die jüngsten Mitglieder unserer Gesellschaft zu erreichen.
Die Generation Z konsumiert immer weniger Nachrichten über die traditionellen Medien. „Jede*r zweite Jugendliche fühlt sich nicht mehr durch klassische Nachrichten angesprochen, hier würde ich es als Chance für Österreich sehen ein ähnliches Netzwerk wie FUNK aufzubauen”, meint Lukas von „geschichte.oida“.

Auch Hannah Ackermann sieht „TikTok“ als eine gute Plattform, um Menschen zu informieren, fügt aber hinzu,dass klar zwischen journalistischen und nicht-journalistischen Inhalten zu unterscheiden sei. “Deshalb finde ich es besonders gut, dass sich auch öffentlich-rechtliche Formate auf „TikTok“ abspielen, weil hier die journalistische Sorgfaltspflicht gegeben ist.“

Ob diese Trennung auch von der jungen Zielgruppe vollzogen wird, ist fraglich. Immer wieder machen Gerüchte und Falschinformationen auf „TikTok“ die Runde. Denn jede*r kann ein Video von sich auf „TikTok“ hochladen und tatsächliche oder falsche Neuigkeiten verkünden. “Dies ist eine Gefahr für journalistische Arbeit und ein Nährboden für Fake News”, gibt auch Ackermann zu bedenken. „Kein Format wird jemals so schnell sein, wie eine Einzelperson, die sich selbst filmt und es auf „TikTok“ hochlädt.

Die Arbeit mit „TikTok“ bringt Vor- und Nachteile für journalistische Formate mit sich. Aus der aktuellen Medienlandschaft ist die Plattform aktuell aber nicht wegzudenken. Es ist Aufgabe der Medien, sich an diese Gegebenheiten anzupassen. Lukas von geschichte.oida bringt es auf den Punkt: „Es ist wichtig die Jugendlichen in ihrer Lebenswelt abzuholen und diese ist derzeit nun mal auf Social Media“.

von Sophie Eder