Communication is key – Wie der SprachSchatz dem Journalismus hilft

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Das Erlernen einer Fremdsprache ist eine Bereicherung, welche sich in vielen unterschiedlichen Ebenen manifestiert. SUMO wollte im Gespräch mit Andreas Heindl, Schulungsverantwortlicher beim ORF, und Hellin Jankowski, „Die Presse“-Redakteurin in den Ressorts Innenpolitik, Gesundheit und Zeitgeschichte, wissen, ob Mehrsprachigkeit in den österreichischen Redaktionen von Bedeutung ist.

Sprache ist immer sehr eng mit der Kultur eines Landes verbunden und in einer gewissen Weise auch ein Abbild einer Person durch die Färbung von persönlichen Erfahrungen, Erziehung und eigenen Wertvorstellungen. Der Journalismus bedient sich der Sprache, um one-to-many Botschaften kommunizieren zu können. Durch die Globalisierung wurden Fremdsprachenkenntnisse immer wichtiger. Um auch international agieren zu können, ist die Mehrsprachigkeit, also die Fähigkeit drei oder mehr Sprachen sprechen zu können, am Arbeitsmarkt eine immer gefragtere Kompetenz. Das österreichische Bildungssystem setzt daher schon früh auf den Aufbau von Fremdsprachenkenntnissen. „Englisch habe ich seit der Schulzeit gelernt. Ich bin in ein Gymnasium gegangen, da war das von Anfang an dabei und auch in der Volksschule gab es schon einige Stunden, in denen ein bisschen Englisch gelehrt wurde“, erzählt Jankowski. Sie spricht neben Englisch und ihrer Muttersprache Deutsch auch Französisch und Russisch. Grundkenntnisse hat sie im Italienischen, Polnischen und in Latein. Heindl meine auch eine Veränderung im Gegensatz zu früher zu sehen: „Ich merke das, wenn ich bei den Assessmentcenters mit jungen BewerberInnen zu tun habe und sie erzählen, wie viele Sprachen sie fließend sprechen und in wie vielen sie die Grundkenntnisse habe. Das ist bewundernswert!“ Mittlerweile können Englischkenntnisse auf unterschiedlichen Niveaus und die Grundkenntnis in einer weiteren Fremdsprache durch den Erwerb einer Matura vorausgesetzt werden.

Насколько многоязычны австрийские редакции?

„Das ist schwer zu sagen, weil die Redaktionen auch so unterschiedlich sind. Ich bin mir sicher, dass bei uns im aktuellen Dienst im Fernsehen und Radio eine sehr hohe Mehrsprachigkeit besteht, weil die meisten RedakteurInnen auch alleine durch ihr Studium oft mehr als zwei Fremdsprachen beherrschen.“ Dies gelte auch für die Landesstudios, da auch hier Interviews (etwa mit TouristInnen, MigrantInnen, SportlerInnen) fremdsprachig geführt würden. Insbesondere jedoch seien ab einer internationalen Berichterstattung weitere Sprachkenntnisse vonnöten, abseits von den redaktionellen Jobs finde im ORF fast ausschließlich die deutsche Sprache Verwendung. Laut Heindl seien zwischen Radio und Fernsehen in Bezug auf die Mehrsprachigkeit keine merklichen Unterschiede zu verzeichnen.
Die Redaktion der „Presse“ ist gezeichnet von hoher Mehrsprachigkeit. „Wir sind sprachlich glücklicherweise sehr breit aufgestellt. Im Außenpolitik-Ressort gibt es freilich niemanden, der keine Fremdsprachen spricht, aber auch alle anderen Ressorts sind sprachaffin – man hört also weit mehr als nur Deutsch und Englisch.“ Ob in der Redaktion jede/r über die Sprachkenntnisse des/r anderen Bescheid wisse? „Wir arbeiten in einem Großraumbüro, das heißt, zum einen bekommt man mit, wer welche Sprache kann, zum anderen findet man es sehr rasch und unkompliziert heraus – durch lautes Fragen oder per E-Mail.“ Auch beim ORF werden die Sprachkenntnisse nicht mehr erhoben, da unter anderem die DSGVO vorschreibe, nur die Daten, die einen Nutzen stiften zu erheben, und da zurzeit kein laufendes Mehrsprachigkeitsprojekt durchgeführt werde, bestehe keine Notwendigkeit dafür. Die Sprachkenntnisse können jedoch indirekt durch die ausgeschriebenen Anforderungen einer Position abgeleitet werden. Dabei werde jedoch nur die Mindestanforderung beachtet und es können keine Schlüsse auf eine zusätzliche Sprachvielfalt geschlossen werden. Laut Heindl wurde die letzte Kompetenzerhebung, welche auch die Fremdsprachenkenntnisse inkludierte, 2003/04 im Zuge von Mitarbeitergesprächen durchgeführt. „Damals war das insofern sehr hilfreich, als die Fußballeuropameisterschaft in Österreich [2008] stattgefunden hat. Da haben wir, um die Verkehrsströme gut leiten zu können in der Verkehrsredaktion bei Ö3 die Verkehrsansagen in verschiedenen Sprachen durchgegeben. Da war es dann hilfreich zu wissen, wer in Österreich bei uns im ORF welche Sprache spricht, ohne dass Unsummen an Kosten entstehen.“ Bis dato wird die Mehrsprachigkeit also weder intern noch extern durch Studien erfasst, somit kann die Sprachvielfalt innerhalb der Redaktionen nur durch subjektive Eindrücke festgestellt werden.

El plurilingüismo como competencia adicional en el proceso de selección

„Mehrsprachigkeit ist im Journalismus immer von Vorteil. Es gibt kaum eine Zeitung, die sich nur mit ‚österreichischen’ Themen auf Deutsch beschäftigt. Wir haben ja im Land auch eine Sprachvielfalt, das heißt allein um die abdecken zu können ist es gut, wenn man die Fremdsprachen kann, ganz zu schweigen von den außenpolitischen Themen, die uns ja beeinflussen. Also ich glaube, es wäre viel zu engstirnig zu sagen, wir sind in Österreich und sprechen deutsch und damit hat es sich“, sagt Jankowski. Ihre Vorgesetzen würden bereits im Bewerbungsprozess jede Mehrsprachigkeit als Vorteil anerkennen – bereits aus einer ökonomischen Perspektive. Heindl meint, dass dadurch vor allem Kosten gespart werden können, insbesondere wenn eine Person durch Fremdsprachenkenntnisse ohne eine/n Dolmetscher/in arbeiten könne. Aber auch in der Recherche helfen Sprachkenntnisse. Laut Jankowski könne die Bandbreite an Studien und anderen Texten durch eine Mehrsprachigkeit vergrößert werden. Des Weiteren können Fachvokabular und Fremdwörter einfach aus anderen Sprachen abgeleitet und – der wahrscheinlich wichtigste Faktor – Informationen der jeweiligen Landesmedien wesentlich schneller übernommen und übersetzt ausgespielt werden. Ein weiterer Punkt sei auch das Führen von Interviews in der Muttersprache des/der Interviewten, welches ein Gespräch auf einer ganz anderen Ebene ermögliche: „Da erfahre ich andere Sachen als in einer für beide möglicherweise fremden Sprache. Wenn ich diese feinen Nuancen und kulturelle Unterschiede wahrnehmen kann, da habe ich ganz andere Möglichkeiten darüber zu schreiben oder zu berichten“, stellt auch Heindl fest.

Red ma drüber mitanand

Jede erlernte Sprache ist ein persönlicher Gewinn und ein wohlbehüteter Schatz. Dennoch gibt es Trendsprachen. Heindl betont die Wichtigkeit von Englisch und Französisch in der European Broadcasting Union (EBU). Auch die deutsche Sprache gewinne im allgemeinem in Europa immer mehr an Bedeutung aufgrund der Wichtigkeit des deutschsprachigen Raumes. Jankowski konstatiert, dass speziell in der Außenpolitik Chinesisch, Türkisch und Arabisch von höher werdender Bedeutung seien. Im Bezug auf die Sprachentwicklung wird auch das Österreichisch sehr kontrovers diskutiert. Heindl erinnert sich noch gut an eine Tagung in Zusammenarbeit mit dem ORF-Public Value-Kompetenzzentrum 2015/16 zu diesem Thema. „Das ist eine Definitionssache. Da gibt es zwischen den WissenschaftlerInnen unterschiedliche Auffassungen. Die einen sehen Österreichisch als eine eigene Sprache, die anderen als eine Sprachvarietät des Deutschen.“ Heindl ist der Meinung, dass die Definition müßig sei, denn das Österreichisch allein sei so divers in den unterschiedlichen Regionen und im Grunde zähle letztendlich nur das störungsfreie Reden. Schlussendlich entscheide der/die Rezipient/in über die angewendete Betonung und die Wortwahl, denn an dessen/deren Bedürfnisse werde die Sprache in der Programmgestaltung angepasst und entschieden, ob die bundesdeutsche Sprache oder der Dialekt Anwendung finde.

Während Österreichisch als Sprache noch diskutiert wird, besteht kein Zweifel, dass Migration eine gewisse Mehrsprachigkeit in vielen Fällen mit sich bringt. Weltweit werden mehr migrantische JournalistInnen gefordert, um auch der Demografie eines Landes gerecht zu werden und einen Bubble Journalism zu umgehen. Auch im ORF-Public Value-Bericht aus 2017/18 zeigt Čedomira Schlapper diese Lücke auf. Heindl ist klar: „Ich halte Diversität grundsätzlich für wichtig und gut und man sollte sich diesem Thema nicht verschließen. Insofern ja, es braucht mehr Diversität in der österreichischen Medienlandschaft.“ Für eine Anstellung im ORF sollen Herkunft und Muttersprache keine Rolle spielen, die einzige Barriere sei das Assessmentcenter und der damit verbundene Mikrofontest. Dieser könne eine Schwierigkeit für jene darstellen, die eine nur mit viel Aufwand behebbare schlampige Aussprache, eine dialektale Färbung oder bundesdeutschen Akzent mitbringen und das störungsfreie Zuhören behindern.

Soft-Skills – Yabanci dilin dolayli anlatimlari

„Das Erlernen einer Sprache ist eine Auseinandersetzung mit einer anderen Kultur. Und die Auseinandersetzung mit einer anderen Kultur verändert auch den Blick auf die eigene Kultur und schafft so auch die Relativierung einer kulturegozentrischen Perspektive“, beteuert Heindl. Auch Jankowski ist sich sicher, dass durch Fremdsprachen Soft Skills trainiert werden: Kulturspezifische Verhaltensweisen würden schließlich mitgelernt, wodurch es möglich sei, in vielen Dingen sensibler und empathischer zu agieren. „Mehrsprachigkeit hat mehrere Funktionen: Ich tue mir leichter, andere zu verstehen und mich bei anderen verständlich zu machen. Beides ist in einem kommunikativen Akt notwendig“, unterstreicht Heindl. Jankowski meint auch: „Streng genommen kommt man nur mit Deutsch und ohne Fremdsprachen durch, ob Sie das möchten, ist eine Frage Ihres Anspruchs. Sie haben natürlich mehr GesprächspartnerInnen, mehr Quellen, mehr Recherchemöglichkeiten, wenn Sie andere Sprachen miteinbeziehen. Sprachkenntnisse verändern den Blick auf andere Länder und Kulturen und schaffen ein besseres Verständnis dafür.“ Und hebt dadurch in aller Kürze die mehrdimensionale Bereicherung einer Fremdsprachenkenntnis hervor.

Mnohojazyčná média

Fremdsprachigkeit wird also in der Recherche angewendet – die Publikumsansprache gleichwohl bleibt Deutsch. Ein rares Gegenbeispiel in größerer Reichweite hierfür ist Radiosender FM4, welcher bilingual geführt ist und in den ORF-Public Value-Berichten daher als Paradebeispiel für Vielfalt angeführt wird. „FM4 ist ein besonderes Beispiel, weil dort in den Grundfesten die Mehrsprachigkeit eingemauert ist. Der Sender lebt von der diversen Kultur und das ist das Markenzeichen“, so Heindl. Als weitere Beispiele für multikulturelle und mehrsprachige Diversität beim ORF nennt Heindl das Sendungsformat „Heimat Fremde Heimat“ oder auch den ehemaligen Sender „Radio Österreich International“, denn obwohl dieser Radiosender nicht mehr existiert, seien viele der damaligen MitarbeiterInnen in anderen Redaktionen noch heute beim ORF beschäftigt.

Im Bereich der Printmedien findet Bilingualität in Österreich bloß im Bereich der Ethnomedien statt. Würde eine mehrsprachige Tageszeitung am österreichischen Markt überhaupt funktionieren? „Spannend wäre es auf jeden Fall, und es kommt sicher darauf an, welche Sprachen man sich aussucht. Das wäre für viele ZeitungsleserInnen sicher ungewohnt, weil die AbonnentInnen einer Tageszeitung meistens eher älter sind. Aber ich könnte mir durchaus vorstellen, dass das ankommen könnte und dass das wahrscheinlich eine Möglichkeit wäre, vielleicht Jüngere auch zum Zeitungsabo zu bewegen“, glaubt Jankowski. Es wäre auf jeden Fall eine Möglichkeit, das Marktpotenzial zu vergrößern, denn Jankowski meint, dass durch die Publikation auf Deutsch der Vertriebsraum abgesteckt sei durch den DACH-Raum. Jedoch sei der Spielraum im Vergleich zu beispielsweise skandinavischen Ländern durch die Publikationssprache Deutsch ohnehin schon relativ groß. Daher könne auch die Notwendigkeit von Fremdsprachenkenntnissen speziell in der Recherche in jenen Ländern größer sein als in solchen, deren Landessprache die Weltsprache Englisch sei.

Die Anwendung der Mehrsprachigkeit findet mehrheitlich im Hintergrund statt und somit vorbei an den Augen der außenstehenden RezipientInnen. Medienunternehmen haben die Vorteile einer Mehrsprachigkeit erkannt und versuchen sich sprachlich divers aufzustellen, um den Content bestmöglich für Ihre Zielgruppe aufzubereiten. Der Journalismus 3.0 beschäftigt sich mit immer größeren Datenmengen und neuen Techniken in der Aufbereitung, aber es darf nicht vergessen werden, dass erst die Sprache eine Auswertung und Erfassung ermöglicht. Digitale Simultanübersetzer sind die große Konkurrenz der Fremdsprachen, doch können sie die sozial-kulturelle Komponente, die durch einen Spracherwerb erlernt wird, noch nicht bedienen. Journalismus 3.0 kann für vieles stehen und vielleicht auch für eine Veränderung der Sprache im Journalismus. Eine andere Herangehensweise und eine diverse Sprachkultur sind eine Zukunftsvision. Ein Journalismus von allen für alle, der keine Grenzen kennt, sich öffnet und dabei neu definiert.

Von Magdalena Bauer