Die Zukunft der Unterhaltungsbranche – Wie Computerspiele die Filmindustrie verändern

Lange Zeit gingen die Spiele- und Filmindustrie weitgehend getrennte Wege. Lediglich vereinzelte Adaptionen galten als transmedialer Content. Das soll sich nun ändern. In einem Gespräch mit Drehbuchautorin Julia R. Waldner und Jens Mehlan, Geschäftsführer von „k18“, hat SUMO herausgefunden, wie die Zukunft der Filmindustrie aussehen könnte und welche Rolle die Computerspielbranche in diesem Wandel spielt.

von Lena-Sophie Kornfeld

Wie die Filmindustrie von der Game-Branche gelernt hat

Seit längerer Zeit wirkt es, als ob der Filmindustrie die Ideen ausgehen würden. Eine Neuverfilmung nach der anderen kommt ins Kino. Kreativität scheint zu fehlen. Ein neues Erfolgsrezept muss her. Und dieses könnte in einer ganz anderen Branche gefunden werden. Denn parallel dazu entwickelt sich die Computerspielbranche in rasantem Tempo weiter. Neue Möglichkeiten realistisch aussehende Spiele zu entwickeln, revolutionieren den Markt und beeinflussen dabei nicht nur die Games der Zukunft.

Von der Filmentwicklung, über die Finanzierung und Produktion bis hin zur Vermarktung. Viele Hollywood-Studios nutzen mittlerweile Techniken, die man so nur von der Spieleentwicklung kennt. Der Einfluss der Spielebranche auf die Filmindustrie nimmt immer weiter zu. So hat die Filmindustrie in den letzten Jahren bereits das eine oder andere von der Computerspielbereich gelernt. Das Konzept der langen Kameraaufnahmen ohne Schnitt wurde beispielsweise von der Videospielperspektive übernommen. Diese Art der Aufnahme wird immer beliebter und wird inzwischen sogar häufiger in Oscar-preisgekrönten Filmen verwendet. Ein Beispiel dafür stellt der Film „1918“ dar, in dem eine äußerst imposante, knapp neun-minütige Aufnahme zu sehen ist. Der deutsche Regisseur Sebastian Schipper hat sogar einen ganzen 140-minütigen Film, „Victoria“ (2015), mit nur einer Kameraeinstellung gedreht. Aber auch Serien wie „The haunting of hill house“ übernehmen diese neue Art Bilder in Szene zu setzten. Auch erste wirkliche Verschmelzungen der Branchen wurden entwickelt. Eine Möglichkeit eine Hybridform aus Film und Computerspiel zu kreieren, stellt beispielsweise der Film „Black Mirror: Bandersnatch“ (2018) dar. In diesem Film können Zuschauer*innen erstmals selbst mitentscheiden, wie sich der Handlungsstrang der Geschichte weiterentwickelt und können so das Ende des Filmes stark beeinflussen.

Nicht nur Techniken der Computerspielbranche werden von der Filmindustrie übernommen. Zusätzlich bieten Streaming-Anbieter inzwischen auch ihre eigenen Spiele an. Durch ihre neuen Gamestudios kreieren Netflix und Amazon laufend neue Games, die als Erweiterungen ihrer beliebtesten Filme und Serien dienen, wie das Spiel „Stranger things: Puzzle tales“ zur Serie „stranger things“.

Die Suche geht weiter

Die Verschmelzung der Branchen soll hier noch nicht stoppen, denn noch wurde keine neue Form der cineastischen Unterhaltung gefunden. „Ein Grund dafür warum ständig Bücher und Games verfilmt werden, ist der, dass es dafür schon eine existierende Fangemeinde beziehungsweise ein Publikum gibt“, so Drehbuchautorin Julia R. Waldner. „Beispielsweise die Verfilmung des Computerspiels ‚World Of Warcraft‘. Man geht davon aus, dass alle, die das Spiel spielen, auch den Film ansehen wollen. Es ist im Grunde genommen ein Versuch der Filmindustrie neue Zielgruppen zu erreichen.“ Doch so einfach ist das nicht. „Wie kann man etwas so erzählen oder zwei Medien so verschmelzen lassen, dass die Story für die Leute funktioniert? Das ist genau die Frage“, sagt die Drehbuchautorin. „Die Filmindustrie ist noch auf der Suche nach dieser passenden Erzählstruktur. Diese darf nicht genau wie ein Film sein und sie darf sich nicht genau wie in einem Game abspielen. Es geht darum die richtige Erzählformel, den richtigen Mix zu finden. Ansonsten begleitet das Publikum immer auch eine gewisse Enttäuschung darüber, dass diese Verschmelzung oder ‚Übersetzung‘ ins andere Medium nicht ganz funktioniert. Es braucht daher transmediale Stoffe, die Games und Filme im richtigen Maß vereinen können und beide Fangemeinden befriedigen. Solche Stoffe sind wichtig, um eine medienübergreifende Erzählstruktur zu entwickeln beziehungsweise zu finden.“

Die revolutionäre Technologie der ‚Unreal Engine 5‘

Im Frühjahr 2022 veröffentlichten die Entwickler von „Epic Games“ die neue „Unreal Engine 5“. Diese soll zusätzlich zu den herkömmlichen Unterstützungen, die Entwickler*innen ein technisches Grundgerüst gibt, um schnell und effizient Spiele zu erstellen, nun unter anderem auch noch für fotorealistischere Grafiken und ein generell optimiertes Open-World Erlebnis sorgen. „Was die ‚Unreal Engine 5‘ so besonders macht, sind im Prinzip zwei Techniken: Einerseits die ‚Nanites‘. Das hat ermöglicht, dass man tatsächliche Fotos in Geometrie zurückrechnen kann und diese dann in Echtzeit dargestellt werden können. Und das Zweite nennt man ‚Loomen‘ und das ermöglicht in Echtzeit Sekundärbeleuchtung herzustellen. Das macht es also für den*die Artist*in viel einfacher es zu verwenden“, erklärt Jens Mehlan, Geschäftsführer von „k18“. Die ‚Unreal Engine 5‘ soll in den kommenden Spielen, beispielsweise bei dem neuen Spiel „The Witcher“, verwendet werden und für unzählige Verbesserungen sorgen. Was bedeutet das jetzt aber für die Filmindustrie? „Es vereinfacht den üblichen Postproduktionsprozess im Gebiet der Visual Effects immens. Das heißt theoretisch, in der vereinfachten Form, filme ich am Set und bin fertig. Weil die Farbe, die von den LED-Walls auf die Schauspieler*innen fällt, ist direkt die richtige. Das heißt, dass ich gar nicht mehr an der Farbkorrektur arbeiten muss und die Hintergründe werden direkt von den Engines generiert. Die Schauspieler*innen sehen also, wo sie stehen müssen und ich bin fertig. Das heißt, wenn ich es abdrehe, dann habe ich das genauso in der Kiste als wäre man wirklich an so einem Set gewesen. Theoretisch ist das so, praktisch gibt es dann natürlich Limitierungen“, erzählt Mehlan. Games-Engines werden bereits von Filmstudios für Teaser-Trailer und gelegentlich ganze Filme genützt. „Die Zeit, die es normalerweise gedauert hat, so eine Engine in einer Filmproduktion zu verwenden, war einfach zu lang. Und dieses Problem wurde jetzt gelöst.“ Zukünftig wird die „Unreal Engine“ aber auch immer mehr bei TV-Serien eingesetzt. Ähnlich wie schon bei „The Mandalorian“ von Disney+. Diese Verschmelzung von Film und Spiel soll zunehmen und so neue Wege eröffnen.

Auf Entdeckungsreise durch neue Universen

Wo nun also Games-Technologie auf Filmgeschichte trifft, steht die Filmindustrie trotzdem noch vor einer schwierigen Aufgabe. Doch so langsam entpuppen sich erste Anzeichen, in welche Richtung es gehen könnte. Denn zurzeit steigt das Interesse an ganzen Universen. Ein Universum, in dem unzählige Filme, TV-Serien und Videospiele stattfinden können. Fiktionale Welten sollen sich also immer weiter entwickeln und nicht nur auf einen Erzählstrang beschränken. „‚Worldbuilding‘ wird in Zukunft eine Schlüsselrolle spielen. Man muss eine Welt kreieren, die nach ganz eigenen Regeln funktioniert. Innerhalb dieser Regeln findet dann die Handlung statt“, so Julia R. Waldners Einschätzung.

Nach ähnlichem Prinzip funktionierte bereits das Matrix-Franchise. Die Idee, dem Film ein Spiel hinzuzufügen, war damals seiner Zeit weit voraus. Durch die Computerspiele wurde es ermöglicht die Geschichten einiger Figuren zu erfahren. Jada Pinkett Smiths Charakter wird hier beispielsweise tiefgründiger erforscht. „Das ist eigentlich etwas, was es bei Games auch gibt. Beim Erzählen wird mehr in die Tiefe gegangen. Im Grunde genommen erforscht man eine neue Welt oder ein neues Universum.“ Zurzeit kann man ähnliche Entwicklungen im Marvel-Universum von Disney+ erkennen. So bekommen einige Marvel-Figuren, wie „Loki“, ihre eigene Serie, die ihre Geschichten über die „Avengers“-Filme hinaus erzählen.

Teil einer neuen Welt

In Zukunft könnte also eine Zusammensetzung aus Film, Serie und Videospiel dafür sorgen spannende, transmediale Universen zu kreieren, in denen sich die Fans regelrecht verlieren können. „Dadurch, dass du dich auskennst in diesem Universum, fühlst du dich als wärst du Teil davon. Umso wichtiger ist es sich an die Regeln zu halten. Du kennst die Charaktere und die Insider-Jokes. Es geht darum Teil von etwas Neuem zu werden. Und dieses Erlebnis kann man mit anderen Fans teilen. Es gibt einem ein Gefühl von Gemeinschaft.“ Das ist also nur der Anfang einer großen Wandlung, die uns durch die zunehmenden Verschmelzung Hollywoods mit der Gaming-Industrie bevorsteht. Und mit den sich stetig weiterentwickelnden Spielmechanismen könnten immer immersivere, interaktive Universen entstehen.

von Lena-Sophie Kornfeld