Soziale Medien – Im Redaktionsalltag umsetzbar?

Digitalisierung und Social Media – Begriffe, die wir ständig hören und die im heutigen Zeitalter der digitalen Kommunikation nicht mehr wegzudenken sind. Insbesondere für klassische Medien ist es wichtig auf dem neuesten Stand zu bleiben, um mit der Masse der Konkurrenz mithalten zu können. Soziale Medien bieten dabei interaktive Plattformen, die sich für die moderne Verständigung sehr gut eignen. Wie es gelingen kann Social Media in klassischen Medienhäusern zu integrieren, fand SUMO im Gespräch mit dem Leiter der Digital-Abteilung des Medienhauses „Wimmer“ Michael Kaufmann und der Journalistin Ambra Schuster heraus. 

von Alexandra Bauer

Integration von „Social Media“ 

„Social Media ist für die Journalist*innen ein wichtiges Werkzeug geworden“ – Juliane Leopold 

Dieses Zitat der deutschen Journalistin, die verantwortlich für die Website und die App der tageschau.de ist, macht deutlich wie viel Einfluss soziale Netzwerke bereits auf den Alltag unterschiedlicher Medienkonzerne haben. Leopold beschäftigt sich dabei insbesondere mit Themen, die den Schnittpunkt von Gesellschaft und Technologie aufgreifen. Michael Kaufmann teilt diese Meinung und findet: „Schlussendlich sind soziale Medien Werkzeuge, die ein Medienhaus heutzutage verwenden muss, um überall präsent zu sein.“ Denn sie bieten großes Potenzial, um Konsument*innen direkt ansprechen zu können. Insbesondere junge Rezipient*innen können auf diese Weise gut erreicht werden, was über klassische Mediengattungen nicht mehr ganz so einfach möglich ist. Die Inhalte müssen jedoch je nach Kommunikationskanal anders aufbereitet werden, da man sich an den jeweiligen Personenkreis anpassen muss. Die jüngere Zielgruppe, die auch als Generation Z bezeichnet wird, kann man vor allem auf den Plattformen TikTok sowie Instagram erreichen. Als Gen Z sind laut Statista Personen im Alter von 13 bis 26 Jahren gemeint. Auf Facebook erreicht man laut Statista die etwas ältere Zielgruppe der 30- bis 49-Jährigen. Daher braucht es gute Content-Strategien und eine jeweilige Anpassung. Als Vorzeigebeispiel nennt Kaufmann die „Tagesschau“ vom ARD in Deutschland. „Die Einbeziehung von Social Media wird dort sehr gut umgesetzt und es konnte bereits eine große Anzahl an Abonnent*innen erreicht werden“, erklärt der Leiter der Digitalabteilung des Medienhaues „Wimmer“ („OÖNachrichten“, „Tips“, „TV1 Oberösterreich“), der sich dort um Themenfelder wie die strategische Weiterentwicklung der digitalen Werbekanäle, die digitale Organisationsentwicklung, Produktmanagement und Transformation kümmert.  

Mit der steigenden Relevanz sozialer Medien entstehen neue Herausforderungen. Denn was einmal ins Internet gelangt, bleibt auch dort. Weshalb es umso wichtiger ist, gewissenhaft zu arbeiten und zu recherchieren. „Auch wenn Themen in einfacher Sprache und komprimierter aufbereitet werden, bedeutet dies nicht, dass diese Art von Journalismus nicht dieselbe Bedeutsamkeit wie der klassische Journalismus aufweist“, sagt Ambra Schuster. Die Journalistin ist unter anderem beim ORF für den TikTok-Content der „Zeit im Bild“ zuständig. 

Schattenseiten und Chancen der digitalen Netzwerke 

Soziale Netzwerke bieten eine Plattform für Kreativität und Interaktion.  Doch die Freiheit, die dort vorhanden ist, kann schnell missbraucht werden. Unwahre Behauptungen, Hass und Filterblasen sind dabei nur einige Begriffe, die den negativen Aspekt sozialer Medien hervorheben. Laut der Definition von Eli Pariser im Buch „The Filter Bubble“ versteht man unter Filterblase einen digitalen Ort, wo man nur mehr Inhalte sieht, welche die persönliche Meinung unterstreichen und man somit keine anderen Anschauungen mehr mitbekommt. Generell ist die Anzahl an Hasskommentaren mittlerweile kaum mehr zu bewältigen. „Viele Personen verstecken sich hinter der Anonymität im Netz und das halte ich für sehr problematisch“, findet Michael Kaufmann. Die FilterblasenThematik sieht er als „demokratiepolitisches Problem“, da einem, im jeweilig individuell angepassten Algorithmus, nur mehr die eigene Meinung angezeigt wird. Das ist der Grund, warum klassische Medien wie beispielsweise eine Zeitung, so wichtig sind, da man auch mit anderen Meinungen konfrontiert wird. Dort werden mehrere Seiten beleuchtet und es gibt eine ausgewogene Berichterstattung. Soziale Medien bieten aber auch Chancen und positive Seiten. Sie machen eine Übertragung in Echtzeit und schnelle Reaktionen möglich. Die Konnektivität und die Kommunikation der Menschen untereinander waren noch nie so einfach wie im heutigen Zeitalter der digitalen Netzwerke. „Die Plattformen haben eine Verantwortung, umso wichtiger ist es, dass seriöse Medien dort vertreten sind“, so Ambra Schuster.  Die Journalistin sieht als Vorteil, dass man insbesondere jungen Menschen journalistische Inhalte mitgeben kann, die sorgfältig aufbereitet und ausgewählt worden sind, um speziell Filterblasen zu vermeiden. 

Umsetzbar im Redaktionsalltag? 

„Medienunternehmen müssen im Onlinebereich wachsen, um mit der immer stärker werdenden Konkurrenz mithalten zu können“, prognostiziert Michael Kaufmann. Der Leiter eines neun-köpfigen Teams arbeitet mit diesem auf der technischen Ebene, welche strikt von der Redaktion getrennt ist. Es geht dabei, unter anderem, um die Weiterentwicklung der digitalen Werbekanäle, digitale Strategie- & Organisationsentwicklung, digitales Produktmanagement und um die digitale Transformation im gesamten Medienhaus. Soziale Medien sind dabei für den Aufbau einer Marke und für die Ausspielung der Inhalte ein wichtiger Kanal. „Natürlich sind Social Networks aus Sicht eines traditionellen Mediums ein guter “Klick-Bringer” für die eigene Nachrichten Website. Das heißt, wir versuchen die Seitenaufrufe durch die ausgelieferten AdImpressions auf “nachrichten.at” bestmöglich zu monetarisieren, und da sind uns natürlich die Zugriffszahlen auf hohem Niveau wichtig“, so Kaufmann. Jedoch hält er es für erforderlich, auch die anderen Werbekanäle zu nutzen, um alle Zielgruppen ansprechen zu können und somit die beste Lösung zu finden. Ambra Schuster arbeitet wiederum im redaktionellen Bereich. Jeden Tag werden zumeist zwei Themen beziehungsweise Videos speziell für die junge Zielgruppe auf TikTok ausgewählt, aufbereitet und veröffentlicht. Die Journalistin erklärt, dass diese im ORF sendungsbegleitend sein müssen, was bedeutet, dass die Themen bereits in den Sendungen der „ZIB“ vorkommen mussten. Aus diesen wählt sie dann, gemeinsam mit dem Redaktionsteam, die Themen des Tages für die Zielgruppe aus, wobei sie sich die Frage stellt: „Was davon ist relevant für unsere Zielgruppe?“. Auf TikTok sind das Personen im Alter von 12 bis 24 Jahren. Dabei wird darauf geachtet, welche Themen diesen Personenkreis direkt betreffen. Schuster nennt als Beispiel „schulspezifische Themen“ oder allgemein relevante Themen, wie etwa den Ukraine-Krieg. „Dieser betrifft sie zwar nicht direkt, aber ist allgemein von sehr großem Interesse“, erläutert die Journalistin. Danach wird entschieden, welches Format am besten für die ausgewählten Themenfelder geeignet ist und dann wird recherchiert und getextet. Nach dem Gegencheck werden die Videos produziert und veröffentlicht. Es gibt dabei keine fixe Sendezeit, sondern es wird dann publiziert, wenn es fertig ist.  

Soziale Medien unabdingbar in Zukunft? 

„Ich glaube, dass die unterschiedlichen Mediengattungen unterschiedliche Aufgaben übernehmen. Das Smartphone an sich ist dafür da die schnelle Information zu verbreiten“, schildert Michael Kaufmann. Er glaubt, dass klassische Medien nie ganzheitlich von digitalen Netzwerken abgelöst werden, sondern dass Social Media verstärkt zusätzlich genutzt wird, um speziell den Live-Charakter hervorzuheben, beispielsweise ein „Live Ticker zu Nationalratssitzungen“. „Die ausgewogene Berichterstattung, die würde ich dann in einem Long-Read der Online-Ausgabe oder am nächsten Tag in der Tageszeitung erwarten. Genau das ist die unterschiedliche Aufgabe der unterschiedlichen Mediengattungen“, so Kaufmann. Der Leiter der Digitalabteilung des Medienhauses „Wimmer“ glaubt außerdem, dass es insbesondere im Bereich der Online-Werbung vor allem auf der technischen Ebene Änderungen geben wird. Hier werden zukünftig die Werbecookies verschwinden. Der Trend könnte möglicherweise wieder vermehrt in Richtung “Contextual Targeting” gehen. Das Thema Markensicherheit spielt dabei eine entscheidende Rolle, da viele Werbetreibende genau wissen wollen, wo die eigene Werbung aufscheint und Kontrolle darüber haben möchten. Dies stellt sich als großer Vorteil gegenüber der Werbeschaltung in den sozialen Netzwerken dar. Ambra Schuster glaubt auch nicht, dass soziale Medien die Herkömmlichen ganz ablösen werden, sondern dass „soziale Medien an klassische Medien heranführen“. Denn wenn Rezipient*innen etwa die „ZIB“ auf TikTok sehen, dann lernen sie diese kennen und wissen, dass diese auch im Fernsehen präsent ist und bauen so ein gewisses Grundvertrauen auf. Abschließend meint die Journalistin: „Soziale Medien sind quasi das vierte Genre, das zusätzlich dazugekommen ist.“ Klassische Medien sind somit längst nicht abgeschrieben, sondern bleiben weiterhin ein wichtiger Bestandteil in der Medienwelt. Dennoch, die Relevanz der sozialen Medien steigt kontinuierlich an, weshalb es unabdingbar ist diese in klassischen Medienhäusern zu integrieren.