Wenn der Saal dunkel wird und auf der weißen Leinwand das erste Bild erscheint, ist es ruhig. Der Film beginnt, die Augen des Publikums werden langsam größer und die Außenwelt verschwindet. Das wäre der Idealfall bei einem Kinobesuch, welcher nur dann zustande kommen kann, wenn dabei interessante Geschichten erzählt und ansprechende Bilder gezeigt werden. Spielfilm-Regisseur David Wagner und Filmporträt-Regisseur und Produzent Reiner Holzemer sprachen mit SUMO über den Schaffensprozess ihrer Filme und gaben einen Überblick, welche Phasen dabei durchlaufen werden.
von Léon Flurer
Durch den Austausch mit Freunden und Kreativen evaluiert Kurzfilm-Schaffender und „Eismayer“-Regisseur David Wagner, wovon seine neue Produktion handeln könnte. Dadurch wird die Vorstellung eines Films konkreter. Außerdem findet er so heraus, was dabei gut laufen würde oder was er überdenken sollte. Dokumentarfilm-Regisseur Reiner Holzemer hingegen überlegt sich, welche Personen ihn interessieren, welche Lebensgeschichten er näher beleuchten möchte und welche Charaktere er seinem Publikum näherbringen will. Dabei wählt er hauptsächlich Künstler aus und recherchiert, welche Geschichten diese Menschen erzählen können und wollen und versucht Kontakt aufzunehmen. In weiterer Folge begleitet Holzemer den zu Porträtierenden mit der Kamera so lange, bis er das Gefühl hat, alle relevanten Aspekte des Filmes und der Person eingefangen zu haben.
Die Konkretisierung einer Idee
Im Gegensatz zu Filmporträts brauchen Spielfilme ein Drehbuch, in dem aufgeschrieben ist, welche Dialoge wie verlaufen und an welchem Ort diese stattfinden. „Immer wenn ich eine Idee habe, überträgt sich diese sehr stark auf einer bildlichen Ebene. So kann ich mir die Entwicklung einer Szene besser vorstellen“, beschreibt Wagner seinen Denkprozess beim Schreiben. Während des Verfassens eines Drehbuchs können bereits potenzielle Schauspieler*innen und mögliche Drehorte gesucht werden, um Situationen noch lebhafter gestalten und beschreiben zu können. Die handelnden Personen erhalten dann noch dazu passende Kleidung und Requisiten. Diese Visualisierung, basierend auf Recherchen, hilft den Drehbuchautor*innen eine Vorstellung davon zu bekommen, wie Dialoge realistisch verlaufen könnten. Währenddessen hören sich manche von ihnen bereits Musik an, welche gut in ihrem*seinem Film passen würde, und schicken diese vorab zur Produktionsfirma. Wagner fasst dies folgendermaßen zusammen: „Es ist ein Prozess, bei dem es schwer ist zu sagen, wo eine Sache anfängt und aufhört – alles läuft parallel ab.“ Freilich sieht der besagte Prozess bei jedem anders aus, immerhin handelt es sich bei einem Film um ein künstlerisches Werk.
Der skizzierte Ablauf setzt voraus, dass man sowohl Drehbuchautor*in als auch Regisseur*in ist. Es kann aber auch sein, dass das Drehbuch nicht selbst geschrieben wurde, sondern mit einem Werk einer anderen Person gearbeitet wird. In diesem Fall fällt zwar der Prozess des Verfassens weg, jedoch müssen sich die Regisseur*innen genauso überlegen, welche Musik, welcher Schnitt oder welche Einstellungen sie wählen wollen. Dabei kann eine Produktion entstehen, die womöglich nicht derselben Vision der Drehbuchautor*innen entspricht. „Wenn ich ein Drehbuch lese, egal ob es von mir ist oder nicht, dann sehe ich einen Film. Dann sehe ich meinen Film“, so Wagner. Er beschreibt einen Unterschied, ob ein fremdes oder eigenes Werk verfilmt wird: „Beim eigenen entwickelt man blinde Flecken.“ Deswegen braucht es eine zweite Person, die das selbst geschriebene Skript kritisch liest und womöglich Verbesserungsvorschläge liefert. Beim fremden Drehbuch ist mehr Distanz vorhanden, wodurch ein kritischerer Blick darauf geworfen werden kann.
Die Filmförderung als Geldbeschaffung
Damit diese Ideen und möglicherweise bereits fertigen Drehbücher umgesetzt werden können, bedarf es einer Finanzierung. Dabei gibt es bestimmte Förderstufen, bei denen Regisseur*innen anfragen können. Zuallererst gibt es die Möglichkeit, die Stoffentwicklung, also die Entwicklung des Drehbuchs, zu fördern. Hierfür muss ein Treatment abgegeben werden, womit die Förderstelle dann entscheidet, ob sie das Projekt unterstützen möchte. Eine weitere Stufe bildet die Vorproduktion, bei der wiederum die Organisation für den Film gefördert wird. Darunter fällt unter anderem die Bezahlung einer Produktionsfirma, das dazugehörige Casting, das Location Scouting und die Teamzusammenstellung. Weiters gibt es Fördermittel für die Herstellung eines Films, darunter fallen beispielsweise der Dreh und die Post-Produktion. Den Abschluss bildet die Verwertung, für die nach Geldmitteln angefragt werden kann. Das beinhaltet den Kinostart, die mögliche Teilnahme bei Filmfestivals oder das Vermarkten der Produktion. Bei Dokumentarfilmen oder Filmporträts werden zwar dieselben Phasen durchlaufen, jedoch gibt es hierbei kein striktes Drehbuch. „Im Vorhinein lassen sich die dramaturgischen Grundlinien beschreiben, wie sich die Regisseur*innen die Umsetzung vorstellen und welche Themen behandelt werden möchten“, erzählt Reiner Holzemer. Aufgrund dessen kann es dazu kommen, dass das Endprodukt nicht mehr im Detail dem entspricht, was zuvor ausgemacht wurde. Dessen ist sich die Förderstelle bewusst und solange die Grundelemente nicht verändert wurden, sollte es laut Holzemer keine Probleme geben.
Der Schnitt als Kunstwerk
Nachdem die Förderung erhalten wurde und der Dreh abgeschlossen werden konnte, geht es in den Schnitt des Rohmaterials. Hierbei findet die Fortsetzung des künstlerischen Prozesses statt. Es wird überlegt bei welchen Einstellungen die gezeigte Szene am besten funktioniert oder eben nicht. Dadurch kommt es dazu, dass das Endprodukt nicht mehr genauso abläuft, wie es das Drehbuch anfangs vorgab. „Eine schlechte Szene kann einen guten Film kaputt machen“, meint Wagner. „Wenn man diese schlechten Szenen entfernt und dadurch mehrere Sequenzen vertauschen oder das Ende an den Anfang geben muss, wird es dadurch anders sein als zuvor geplant, aber vielleicht ein besserer Film.“
Bei Holzemer macht der Schnitt den Hauptteil der Kunst aus. Eine Dokumentation hat in der Regel nämlich einiges mehr an Bildmaterial als Spielfilme, deswegen bedarf es einer genauen Evaluierung, wie der Film aufgebaut werden soll. „Ich sichte das ganze Material im Schnitt und bilde dann eine Grundstruktur. Dabei überlege ich wo die Stärken des Films sind beziehungsweise die Dreh- und Angelpunkte“, beschreibt Holzemer diesen Prozess. Die Schwierigkeit ist umfassende Themen oder das Leben eines Menschen in begrenzter Zeit so ausführlich und einprägsam wie möglich zu zeigen.
Bildlich gesprochen: Die Entstehung eines Films
Die Produktion eines Filmes fasst David Wagner in ein Bild, das ihm ein isländischer Regisseur einst vorzeichnete: „Du stehst am Ufer eines Flusses und möchtest das andere Ende erreichen. Die einzige Möglichkeit, das Wasser zu überqueren, ist so lange Steine hineinzuwerfen bis langsam einzelne Inseln entstehen. Manchmal verschwindet ein Stein sofort, andere Male bleibt er hängen und hilft das Ziel zu erreichen“, erzählt David Wagner. Manche Elemente bleiben also im Endprodukt, andere müssen entfernt werden.