Frauen gehören hinters Mischpult!

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Michael Wendler singt „Sie liebt den DJ“, Cascada ist gemäß ihrer Zeile „Hey little DJ let the music take me underground“ ganz hin und weg und Che’Nelle drückt ihre Gefühlslage in „I fell in love with the DJ“ aus.

So unterschiedlich diese Songs auch sein mögen, zwei Aspekte kristallisieren sich eindeutig heraus. Zum einen: DJs sind Objekte der Begierde. Zum anderen: Das vorherrschende Bild eines DJs in den Köpfen der Menschen ist männlicher Natur. Nicht nur Songtexte handeln von Männern an den Turntables und welche Wirkung diese auf ihr Publikum haben, auch die Realität ist durchwegs männerdominiert. SUMO führte dazu Interviews mit zwei heimischen weiblichen Produzentinnen, Dominique Jardin und Antonia XM.

Eine Party ohne Musik ist bekanntlich keine Party oder nur ein optimales Zusammentreffen von Menschen, die der Fraktion „Ich kann überhaupt nicht tanzen!“ angehören. Besteht jedoch das Bedürfnis, für eine Nacht jeglichen Alltagsstress abzuschütteln und auf gut Österreichisch „die Sau rauszulassen“, fließt neben reichlich Alkohol auch tanzbare Musik aus den Lautsprechern. Wer für die rhythmischen Songs sorgt, ist meist Nebensache, außer die Gestalt im Stroboskoplicht enthält eindeutig weibliche Züge. Frauen am Mischpult stellen für manche im schlimmsten Fall einen Grund zum Verlassen der Feier dar. Auch Dominique Jardin und Antonia XM kennen das Gefühl, hinter den Turntables nicht ernst genommen zu werden. Nur mit Durchhaltevermögen, Mut und einer gewissen Portion Humor schafften es die beiden Produzentinnen, in dieser Szene mitmischen zu können.

Dass der Frauenanteil in zeitgenössischen Musikproduktionen äußerst gering ist, wird durch zahlreiche Studien belegt. Die „FACTS-Studie“, die von „female:pressure“ im Jahr 2020 veröffentlicht wurde, untersuchte die Lineups von internationalen Festivals in den Jahren 2017 bis 2019 und legte den Fokus explizit auf weibliche Acts. Der Anteil an weiblichen Produzentinnen, die bei Festivals auftraten, lag bei lediglich knapp 20 Prozent. Vergleicht man dies mit der Studie aus 2013, so lässt sich eine Steigerung von 10 Prozent ausmachen. Was auf dem ersten Blick wie ein Trend in die richtige Richtung aussehen mag, lässt trotzdem noch einiges zu wünschen übrig.

„Man muss sich erst beweisen.“

Dominique Jardin, renommierte österreichische DJ und Produzentin, kann sich noch gut an ihre Anfänge in dieser Szene erinnern. Acht Jahre sind bereits seit ihrem Einstieg vergangen, zahlreiche Auftritte auf namhaften Festivals und Kooperationen, darunter mit Red Bull und Mercedes Benz, finden sich in ihrem Lebenslauf. Bis sie allerdings einen Platz am Siegerpodest abstauben konnte, galt es, einen langen Weg zu erklimmen. Die DJ erinnert sich besonders an die Anfangsphase, wo die Zeiten nicht rosig waren. „Als ich das erste Mal auf der Bildfläche erschienen bin, wurde ich natürlich sehr belächelt. Gerade zu Beginn musste ich mich erst beweisen und mir einen Status verdienen“. Bis dieser Zustand erreicht war, musste sie viel einstecken, was ihr im Nachhinein allerdings sauer aufstoßen lässt. „Erst jetzt merke ich, dass viele Leute auch wirklich gemein zu mir waren, was mir damals aber gar nicht richtig bewusst war.“ Aus diesen Situationen konnte sie jedoch auch eine ordentliche Portion Durchsetzungsvermögen mitnehmen, denn „würde heutzutage jemand so mit mir umgehen, würde ich natürlich völlig anders reagieren.“ Dominiques harte Arbeit und unermüdlicher Wille machten sich schlussendlich bezahlt, doch eine Sache betont sie besonders: „Erst als die Menschen merkten, dass ich einen wirklich guten Job mache und die Partygäste nicht schreiend davonlaufen, sondern die ganze Nacht tanzen, kamen Anerkennung, Status und tolle Sponsoren.“ An den anfänglichen Schwierigkeiten kam auch die Wiener Produzentin Antonia XM nicht vorbei. So ist sie der Überzeugung, dass „man als Frau einfach viel stärker verurteilt wird und der Zugang in diese Szene gar nicht so einfach ist.“ Gerade bei technischen Angelegenheiten wurde ihr oft ungefragt „Fachwissen von Männern aufgezwängt, die es aber auch nicht besser wussten als ich.“ Dies resultierte darin, dass sich Antonia besonders zu Beginn hinter den Turntables sehr unsicher fühlte und „am liebsten wieder verschwinden“ wollte. Besonders unschöne Erfahrungen in Antonias DJ-Dasein sind dadurch gekennzeichnet, dass nur mit ihren männlichen Kollegen kommuniziert wurde und ihr das Gefühl gegeben wurde, „als existiere ich gar nicht.“ Auch von sexuellen Belästigungen vor Auftritten oder unerwünschten Kommentaren über das Aussehen berichtet die Wienerin. Erst vor vier Jahren launchte die Produzentin gemeinsam mit KollegInnen ihr eigenes Musiklabel „Ashida Park“, das „allen Menschen, und eben nicht nur weißen Männern, eine sichere Plattform bieten soll“ und für eine hybride Form des Clubsounds steht.

Gendern in der Disco

Was für viele generell ein Dorn im Auge ist, macht auch selbst vor der Clubszene keinen Halt. Die Rede ist von der geschlechtergerechten Sprache, auch „Gendern“ genannt. Noch heutzutage liest man Titel wie „Die coolsten 10 DJanes, die man unbedingt kennen muss“. Doch geht es nach Dominique Jardin und Antonia XM, sollte dieser Begriff sofort aus dem Vokabular gelöscht werden. „Obwohl ‚die DJ‘ zwar zu Beginn komisch klingt, reicht es als gegenderter Begriff völlig. DJane hingegen kommt eher von Tarzan und Jane und steht für stereotypisch weibliche, sehr sexualisierte DJs, die nur da waren, um schön auszusehen“, so Antonia. Auch für Dominique Jardin stellt dieser auch „sehr sexistische Begriff“ ein absolutes No-Go dar. Ihrer Meinung nach „ist der Begriff DJane leider sehr negativ behaftet“, bei Anfragen, die diese Bezeichnung enthalten, reagiert Dominique „sehr empfindlich“.

Routinierter Alltag ist Fehlanzeige

Wer glaubt, dass jene Personen, die bei Dunkelheit für die gute Musik sorgen, nur abends ein wenig an den Knöpfen drehen müssen, wird bei einem Blick hinter die Kulissen eines Besseren belehrt. Ein geregelter Alltag ist kaum vorzufinden; vor der Corona-Pandemie „war einfach immer was los“, schildert Dominique Jardin. Egal ob Bookings oder Produktionen, die Zeit zum Verschnaufen ist begrenzt. „In dieser Szene muss man sich natürlich auch immer weiterentwickeln und insbesondere weiterbilden, besonders in der Technik gibt es ständig Neuerungen.“ Wo früher noch mit Schallplatten oder CDs hantiert wurde, kommen dieser Tage Laptops und Smartphones zum Einsatz. Dominique betont auch, dass es in der Szene besonders wichtig ist, die „Balance zwischen den alltäglichen Dingen und der Kreativität zu finden, denn gerade darum geht es hier.“ Auch bürokratische Aufgaben bleiben den DJs nicht erspart, „im Grunde ist es auch ein Bürojob“, meint Dominique schmunzelnd. Was sowohl Dominique Jardin als auch Antonia XM aktuell am meisten vermissen, sind fehlende physische Auftritte. „Ich habe zwar einige Online-Sets gespielt, aber auch das kann ziemlich anstrengend sein“, erzählt Antonia und fiebert schon darauf hin, sich wieder auf den Weg in Clubs zu machen und der Nacht freien Lauf zu lassen. Besonders die laute Musik, Menschenmengen und den Schweiß der Feiernden kann auch Dominique kaum erwarten.

von Cornelia Plott