Heute ist der gute Journalismus hinter der Paywall und die Propaganda gratis

Die Generation Alpha – jene, die ab 2010 geboren wurden – verändert das Medienkonsumverhalten und stellt den Journalismus vor neue Herausforderungen. Inhalte werden überwiegend digital konsumiert, – oft über Social Media – und sie werden als kostenlos erwartet. SUMO sprach mit Fritz Jergitsch, Chefredakteur der „Tagespresse“ und Evelyn Hemmer, der zuständigen Person für strategische Weiterentwicklung bei „Hashtag“, unter anderem über Strategien zur Finanzierung ihrer Arbeit. Welche Finanzierungsmodelle haben Zukunft?  

von MARIA GÖRG

Die kostenlose Erwartungskultur  

Die Generation Alpha ist die erste Generation, die von klein auf mit der digitalen Welt aufwächst: YouTube, TikTok oder Instagram sind für sie keine unbekannten Begriffe. Tagtäglich werden den Jugendlichen Unmengen an Inhalten angeboten – und das, ohne dafür zahlen zu müssen. Genau diese Erwartung, dass Content leicht zugänglich und umsonst ist, stellt den Journalismus vor große Herausforderungen.  

Wie gehen Medienanbietende, die an diese Zielgruppe adressieren, damit um? „Wir kämpfen nicht dagegen an und versuchen nicht, Jugendliche dazu zu wandeln, ihr Geld für Journalismus auszugeben“, erklärt Evelyn Hemmer von „Hashtag“. Statt die Kostenloskultur zu bekämpfen, akzeptiert „Hashtag“ diese als Teil der Zielgruppendynamik und passt seine Geschäftsstrategie entsprechend an. Für unterschiedliche Formate werden unterschiedliche Geschäftsmodelle genutzt. „Hashtag“ nutzt unter anderem Native Advertising, um den Content ganz einfach selbst zu finanzieren. Zusätzlich wird aber auch querfinanziert: Sie bekommen Auftragsarbeiten für andere Medienhäuser – so produziert „Hashtag“ unter anderem auch Dokumentationen für den ORF.  

Auch Fritz Jergitsch von der „Tagespresse“ sieht hier die Herausforderung, glaubt jedoch, dass Satire eine besondere Position einnimmt: „Ich finde, Satire hilft dabei, irgendwie mit dem täglichen Wahnsinn zurechtzukommen“. Lesende der „Tagespresse“ wollen gezielt diese Art von Humor rezipieren und seien deshalb auch bereit, für diesen Content zu zahlen. Generell sei die Generationenfrage für das Team von „Die Tagespresse“ nicht relevant. Sie produzieren Inhalte, ohne dabei eine bestimmte Altersgruppe anzusprechen.  

Gründungsideen und Finanzierungsfragen 

Bei beiden Unternehmen stand nach dem erfolgreichen Start die Frage im Raum, wie man in einer neuen Medienlandschaft bestehen kann. „Die Tagespresse“ begann 2013 als humorvolles Satireportal. Die Entscheidung, ein Abo-Modell einzuführen, fiel 2018, als klar wurde, dass reine Werbefinanzierung für eine unabhängige Redaktion mit heute um die zehn Mitarbeitenden nicht ausreicht. „Wir haben jetzt aktuell circa 13700 Abonnent*innen und wir sind eigentlich sehr happy damit“, so Jergitsch im Interview. Das Abo-Modell funktioniere super. Lesenden werden verschiedene Abo-Stufen angeboten: Neben dem Basic-Abo um 3,50€ im Monat, gibt es auch noch das Plus- und das Premium-Abo. Für ein paar Euro mehr bekommt man zusätzlich ein Jahresbuch oder ein Premium-Geschenk. Das Geheimnis dieses kleinen, großen Erfolgs erklärt der Chefredakteur so: „Da wir Satire machen, haben wir den großen Vorteil, ein Alleinstellungsmerkmal zu haben. Und ich glaube, jedes Medium, das über ein starkes Alleinstellungsmerkmal verfügt, hat es leichter im Abo-Geschäft.“ 

„Hashtag Media“ wiederum wurde gegründet, um Social-Media-Formate zu entwickeln, die journalistische Inhalte mit Unterhaltung verbinden. Der Fokus liegt hier auf Bewegtbild und interaktiven Formaten, die vor allem junge Menschen ansprechen. „Wir machen unsere Inhalte und unsere Formate so interessant, dass sie konsumiert werden und man gar nicht nach vorne schreit: ,Übrigens, das ist Journalismus!‘.  Bei „WienStabil“ etwa wollen wir Diskursjournalismus schaffen und dass das Journalismus ist, fällt den Leuten gar nicht auf“, erläutert Hemmer. Diese Unauffälligkeit ist essenziell für den Erfolg von „Hashtag“.  

Innovative Finanzierungsmodelle: Neue Wege beschreiten 

In der aktuell angespannten Lage setzen einige Medienunternehmen auf alternative Finanzierungsansätze. So nutzt beispielsweise „Der Standard“ ein Mischmodell aus digitaler Werbung, Abos und freiwilligen Beiträgen von Lesenden. Auch „Moment“ arbeitet zum Teil mit Spenden der Community. Crowdfunding ist also ein Modell, das gerne genutzt wird. Projekte wie „The Correspondent“ in den Niederlanden haben gezeigt, dass es möglich ist, tausende Unterstützer*innen für unabhängigen, werbefreien Journalismus zu mobilisieren. Allerdings stellt sich die Frage, ob solche Initiativen auch auf lange Sicht tragfähig sind oder ob sie nur in bestimmten Kontexten und mit einer klar definierten Nischenzielgruppe funktionieren.  

Mikrotransaktionen werden ebenfalls als ein potenzieller Weg angesehen. Die Idee ist simpel: Lesende zahlen einen kleinen Beitrag, etwa für einen einzelnen Artikel, statt sich langfristig an ein Abonnement zu binden. Diese Möglichkeit, für Inhalte zu bezahlen, hat die breite Masse in Österreich jedoch noch nicht erreicht und scheint somit auch nicht die Option zu sein, auf die Medienunternehmen auf Dauer setzen können.  

Auch durch neue Formatideen könnte es Unternehmen möglich werden, sich zu finanzieren. Trotz der „Beschränkung“ der „Tagespresse“ auf die Satire denkt das Team laut Jergitsch darüber nach, welcher Content zukünftig auch auf anderen Kanälen produziert werden könnte. Angedacht sei etwa, zusätzlich zum „Tagespresse“-Merchandise auch einen Podcast zu produzieren.  

Bei „Hashtag“ setzt man auf eine unabhängige Finanzierung. Hier fällts das bereits erwähnte Stichwort „Native Advertising“: Eine Finanzierungsform, bei der Werbung so gestaltet wird, dass sie kaum von redaktionellen Artikeln zu unterscheiden ist. Ziel ist es, die Aufmerksamkeit der Nutzer*innen mithilfe dieser Art Tarnung auf sich zu ziehen. Bei dem bekannten Format „WienStabil“ ist diese Form der Finanzierung ganz klar die Monetarisierungsstrategie. Das Team dahinter besteht aus einer kleinen Redaktion mit vielen externen Creators, die mit „Hashtag“ zusammenarbeiten. 

Die Plattform-Ökonomie: Ein zweischneidiges Schwert 

Erschwerend für die Finanzierung kommt noch die Abhängigkeit von großen Social-Media-Plattformen hinzu. TikTok, Instagram und Co. bieten Medienunternehmen zwar eine enorme Reichweite, erschweren aber gleichzeitig die Monetarisierung ihrer Inhalte. Denn Algorithmen bestimmen, welche Nachrichten den Nutzer*innen angezeigt werden und verschieben die Machtverhältnisse weiter in Richtung der Tech-Giganten. Selbst wenn Inhalte viral gehen, profitieren die Plattformen finanziell oft mehr als die eigentlichen Urheber*innen. Auch Jergitsch erzählt davon, dass die „Tagespresse“ zu ihren Anfangszeiten mit vielen User*innen sehr wenig Geld durch Online-Werbung verdient habe. „Dementsprechend hat es auch für uns mehr Sinn gemacht, zu einem Geschäftsmodell zu wechseln, wo wir nicht auf hohe Reichweite und wenig Umsatz pro User*in setzen, sondern wo wir auf eine kleinere, aber feinere Reichweite setzen, wo wir User*innen erreichen, denen wir mehr bedeuten und die auch bereit sind, uns finanziell stärker zu unterstützen“, so Jergitsch.  

Um der Macht von Meta und Co. entgegenzuwirken, experimentieren junge Medienhäuser mit eigenen Plattformen. Sie versuchen, die Abhängigkeit zu reduzieren, indem sie ihre Inhalte vermehrt auf Mitgliedschafts- oder Community-Modellen aufbauen. In Deutschland nutzt „Funk“ von ARD und ZDF eine Vielzahl von Kanälen und Formaten, um junge Zielgruppen zu erreichen. Doch die Balance zwischen Reichweite und finanzieller Unabhängigkeit ist schwer zu finden und wird in der Zukunft eine der größten Herausforderungen bleiben.  

Zukunftsszenarien: Was kommt als Nächstes? 

Die Frage, wer für Journalismus zahlt, ist eng mit der Frage verbunden, wie der Journalismus in Zukunft aussieht. Wird sich die Medienbranche auf philanthropische Unterstützung, etwa durch Stiftungen und Mäzene, verlassen müssen? Oder werden innovative Technologien und neue Geschäftsmodelle den Weg aus der Krise weisen? Eines ist sicher: Ohne eine nachhaltige Finanzierung wird es immer schwieriger, die journalistische Qualität aufrechtzuerhalten, die für eine informierte und kritische Gesellschaft essenziell ist.  

Auf die Frage, wie der „Tagespresse“-Chefredakteur die Zukunft der Medienlandschaft angesichts der Kostenloskultur einschätzt, antwortet er mit Besorgnis: „Es gibt dieses geflügelte Wort im Internet ‚Heute ist der gute Journalismus hinter der Paywall und die Propaganda ist gratis‘. Speziell in Österreich sind in den letzten Jahren sehr, sehr viele Medien aufgetaucht, die von irgendwelchen Interessensgruppen finanziert werden oder die einer Partei nahestehen“. Der Fokus muss in Zukunft also darauf liegen, vor allem Jugendlichen, Medienkompetenz zu vermitteln. Hemmer sagt dazu, dass die Hauptverantwortung, diese Kompetenz zu vermitteln, eine politische sei. Die Politik müsse „den Konsens, den Respekt gegenüber Journalist*innen und die Wichtigkeit der Arbeit gegenüber schaffen“.  

Der Weg ist ungewiss, aber die Auseinandersetzung mit diesen Fragen ist dringend erforderlich. Es ist eine Gratwanderung zwischen Tradition und Innovation – und eine Herausforderung, der sich die Medienlandschaft in den kommenden Jahren stellen muss. 

Fritz Jergitsch | Copyright: Stefan Joham
Evelyn Hemmer | Copyright: Karin Hackl