Journalistische Auszeichnungen: Eigen-Marketing und Anerkennung

Copyright: stock.adobe.com/Rawpixel.com

Harald Fidler, „Etat“-Redaktionsleiter beim „STANDARD“, und der deutsche Journalist und Autor Robert Domes diskutierte mit SUMO über journalistische Auszeichnungen – die sie beide erhielten – und die Bedeutung von Anerkennung im Journalismus. 

Roboterjournalismus, Soziale Medien und Blogs nehmen Einfluss auf den traditionellen Journalismus und werfen die Frage nach der Glaubwürdigkeit auf. Da wir mit einem Überangebot von Information leben, in dem es immer schwieriger wird, relevante Fakten zu erkennen, in Relation zu bringen und zu priorisieren, brauchen wir qualitativ hochwertigen Journalismus. Ein/e hauptberufliche/r Journalist/in investiert sowohl in Recherche als auch in Darstellung des jeweiligen Themas etliche Ressourcen und bietet differenzierte Argumentationslinien, die uns als Orientierung dienen. Die Anerkennung hochwertiger journalistischer Fähigkeiten ist dabei genauso relevant wie in anderen Branchen, etwa Film oder Sport. Anerkennung wird oft durch Preise ausgedrückt. So werden jährlich die Oscars den bedeutendsten Filmen des Jahres verliehen und im Sport kommt es immer darauf an, einen Platz am „Stockerl“ zu erringen. Der weltweit wichtigste Journalistenpreis ist der Pulitzer-Preis. Dieser und andere renommierte Preise zeichnen die journalistische Arbeit aus und schaffen Glaubwürdigkeit für die Ausgezeichneten, aber auch für die Medienhäuser, in denen sie mit ihren Teams arbeiten. Doch welchen Stellenwert haben journalistische Preise darüber hinaus in der Medienbranche – und steckt nicht oft auch Branchen- beziehungsweise Medienmarketing dahinter? 

Der Pulitzer-Preis 

Der vom Journalisten und Zeitungsverleger Joseph Pulitzer gegründete gleichnamige Preis wird seit 1917 vergeben und gilt heutzutage als der wichtigste. Der in Ungarn geborene Journalist war einer der ersten, der dafür plädiert hatte, dass es für angehende JournalistInnen ebenso eine Universitätsausbildung geben soll, wie es diese für DoktorInnen und AnwältInnen gab. So träumte er von einer „School of Journalism“. Als er 1911 starb, fand man in seinem Testament die Anweisung, den Pulitzer-Preis aufzusetzen. Ebenso stiftete er fünf Stipendien, die jährlich an Studierende der Columbia University (NY) vergeben werden, drei davon für Studierende der „School of Journalism“, welche ebendort gegründet wurde. Seit damals werden jährlich zumeist Ende April die PreisträgerInnen bekannt gegeben, die Preisverleihung findet einen Monat später in der Bibliothek statt. 1917, im ersten Jahr der Preisverleihung, wurden insgesamt fünf Pulitzer-Preise vergeben, unter ihnen für den „Dienst an der Öffentlichkeit“ und für einen „Leitartikel“ als journalistische Kategorien. Mittlerweile werden jährlich in 21 Kategorien Pulitzer-Preise verliehen. Vierzehn davon sind journalistischen Beiträgen gewidmet, sieben Erfolgen in Literatur, Theater und Musik. Außerdem wird seit 1930 ab und an ein Sonderpreis in der Kategorie „Special Awards and Citation“ verliehen. Seit 1918 erhält jeweils eine Organisation das Preisgeld und die einzige Pulitzer-Medaille in der Kategorie „Dienst an der Öffentlichkeit“. An wen ein Pulitzer-Preis verliehen wird, bestimmt eine Jury aus US-amerikanischen JournalistInnen und VerlegerInnen. Für den Pulitzer-Preis können sowohl Werke eingereicht, als auch von der Jury nominiert werden. Die Auszeichnungen im Bereich Literatur, Theater und Musik werden ausschließlich an US-amerikanische BürgerInnen verliehen. Für die Erfolge im Journalismus kommen alle AutorInnen in Frage, deren Werke in US-amerikanischen Zeitungen, Magazinen oder auf Nachrichten-Websites erschienen sein. Je nach Kategorie erhalten die PreisträgerInnen in etwa 15.000 US-Dollar als Preisgeld.  

Die Bedeutung von Anerkennung im Berufsleben 

Anerkennung im Beruf ist ein Thema, das immer mehr in den Fokus rückt. So konstatiert der Psychologe Ralph Sichler in seinem Aufsatz „Soziale Anerkennung durch Arbeit und Beruf“ („Journal für Psychologie“, 2010), dass Arbeitsmotivation und Anerkennung stark zusammenhängen. Die Wirtschaftsuniversität Wien hat zu demselben Thema 2006 eine Studie durchgeführt. Diese hat ergeben, dass vor allem intrinsische Motivation und Leistungsmotivation mit erfahrenen oder erwünschten Formen von Anerkennung im Beruf zusammenhängen. Ähnliche Ergebnisse liefert auch die „Simply Talent“-Studie von der Oracle Corporation 2015: 53% der Befragten sagen, sie wünschen sich stärkere Anerkennung der eigenen Leistung durch direkte Vorgesetzte. Mitarbeitermotivation und Unternehmenserfolg sind direkt miteinander verbunden. Anerkennung im Beruf besitzt also eine hohe Priorität. Preise sind ein sehr deutlicher Ausdruck von Anerkennung. Jedoch erhält man, wenn überhaupt, nicht oft Preise oder Auszeichnungen. 

SUMO: „Welche Formen der Anerkennung gibt es im Leben eines/r Journalisten/in?“ 

Fidler: „Höchste Anerkennung ist zunächst einmal, gelesen, gesehen und gehört zu werden. Wenn man auf Interesse stößt, wenn kommentiert wird, wenn über einen Text diskutiert wird. Positives Feedback von UserInnen, auch von Vorgesetzten, von BranchenkollegInnen – und Beförderungen sind genauso auch Anerkennung, diese finden natürlich nicht so regelmäßig und so häufig statt. Es kann aber auch eine Form der Anerkennung sein, wenn sich Menschen beschweren oder verschnupft reagieren.“ 

„Ich bewundere jedes funktionierende Geschäftsmodell in der Medienbranche“ 

Über die Bedeutung von JournalistInnen-Preisen gehen die Meinungen auseinander. Robert Domes sagt, er habe PreisträgerInnen stets glücklich und stolz erlebt, während Fidler sich durchaus geschmeichelt fühle, aber auf die Absicht von Journalistenpreisen verweist – und wie sie zustande kommen. Harald Fidler selbst wurde 2018 als „Journalist des Jahres in der Kategorie Medien“ seitens der Fachzeitschrift „Der Österreichische Journalist“ prämiert, obwohl er ein halbes Jahr in Karenz war. Er erzählt weiter von JournalistInnen, die für Arbeiten in Rubriken ausgezeichnet wurden, in denen sie gar nicht mehr tätig waren. Die Reaktion auf eine Auszeichnung hänge stark mit dem Preis selbst zusammen. So gebe es auch Preise, die man aufgrund ihrer Intention und der Institution, die dahinter steht, ablehnen sollte, sagt Domes. Was steckt also hinter Preisen und Auszeichnungen? Im Gespräch mit SUMO verweist Fidler immer wieder darauf, dass das Verleihen von Preisen starkes Eigenmarketing ist. Lob schmeichle gerade einer recht eitlen Branche und so verleihen unterschiedlichste Medienhäuser, Vereine, Organisationen, Stiftungen oder andere Preisgelder und Preise an JournalistInnen, bei denen sie sich ein wenig beliebt machen oder sie vielleicht in eine Richtung lenken wollten. In letzter Konsequenz könne man das auch als eine Art Korruptionsversuch sehen, so Fidler. Eine Institution wolle zeigen: „Schau her, ich mache was Gutes“ – so tausche man Anerkennung für Aufmerksamkeit. Im Gespräch wird Fidlers kritische Haltung gegenüber Journalistenpreisen deutlich, er resümiert jedoch: „Trotzdem – ich bewundere ja alle funktionierenden Geschäftsmodelle in der Medienbranche.“ Damit spielt er auf die Schwierigkeit an, Medienprodukte in der digitalisierten Welt zu monetarisieren.  

Immer wieder geraten Preise auch in Verruf und müssen sich mit heftiger Kritik auseinandersetzten. So auch im Dezmber 2018, als der vielfach ausgezeichnete Journalist Claas Relotius sich als Hochstapler herausgestellte. Er hatte seine Artikel teilweise oder ganz erfunden. Das rücke Preise in ein schmieriges Licht und sei Anlass dafür, dass diesen weniger Bedeutung zugemessen werde, so Robert Domes. Medienhäuser werben natürlich gerne mit Preisen, sagt Fidler, das zeige, dass Preise zumindest für die Kommunikation nach außen dennoch Gewicht besäßen. Sowohl Fidler als auch Domes bestätigen, dass Preise im Laufe des Lebens eines/einer Journalisten/in eher an Bedeutung verlieren als zunehmen. Junge JournalistInnen und vor allem jene die freiberuflich arbeiten freuen sich über Auszeichnungen, da diese oft mit einem Preisgeld einhergehen und es erleichtern, weiter Fuß in der Branche zu fassen.  

Preisrenommee und Entscheidungsfindung 

Welche sind also Auszeichnungen, die zurecht ein hohes Renommee genießen und relativ uneingeschränkt als Anerkennung für den Journalistenberuf gelten? Robert Domes nennt folgende als für ihn renommierteste deutschsprachige Journalistenpreise: „Nannen Preis“, „Theodor-Wolff-Preis“, „Wächterpreis der deutschen Tagespresse“, der „Deutsche Lokaljournalistenpreis“ (Anm.: den er selbst erhielt) und der „Deutsche Reporterpreis“. Fidler nennt zusätzlich noch den „Prälat-Leopold-Ungar-Preis“, den er besonders schätze, da dieser Preis von der Caritas verliehen wird und Licht auf Berichterstattungen wirft, die vor allem von sozialen Anliegen und Menschen, die nicht im Scheinwerferlicht stehen erzählen. Übrigens sponsert diesen Preis die Raiffeisen; da sie ihn aber nicht vergibt, sieht Fidler hier keinen Interessenskonflikt. Auf die Frage, ob es überhaupt Sinn mache, etwas als „das Beste“ zu küren, wenn doch die Meinung der Jury auch sehr subjektiv ist, antwortet Domes: „Von allen Einsendungen bleibt immer in etwa ein Dutzend über an Werken, die alle einen Preis verdienen, dann wird gerungen, welches den Preis bekommt. Wer schafft es mit seiner Arbeit, mehr Sympathie innerhalb der Jury zu gewinnen, das ist im Endeffekt entscheidend. Das ändert allerdings nichts daran, dass diese dutzend Arbeiten, die am Ende übrig bleiben alle ausgezeichnet sind. Vielleicht ist das auch der Punkt, der am wichtigsten ist: Der Entscheidungsprozess muss dokumentiert werden, das zeichnet einen guten Preis aus. Dass dokumentiert wird, warum welcher Text ausgewählt wurde. Wenn das nach außen transparent ist, dann ist ein wichtiger Schritt getan.“ 

Von Annabelle Schleser