Fast zwei Jahre begleiten uns Bilder von Klimaaktivist:innen, die sich auf Straßen festkleben und auf den Klimawandel aufmerksam machen. Österreichische Printmedien berichten regelmäßig über die Aktivist:innen. Doch wie sieht die Berichterstattung aus? Gibt es Unterschiede zwischen verschiedenen Printmedien? Und wie sehen Experten die Darstellung der „Klimakleber“?
von CHRISTIAN KROBITZSCH
„An sich muss man unterscheiden zwischen Qualitäts- und Boulevardmedien,“ meint Luis Paulitsch, Referent beim Österreichischen Presserat. Seine Aufgabe ist es, Medien genauestens zu beobachten und auch Ethikverstöße publik zu machen. In den Boulevardmedien werde, so sagt er, oft auf Zuspitzung gesetzt. Dabei stünden mehr die Personen der Aktion im Vordergrund. Das eigentliche Anliegen, nämlich Forderungen wie etwa das Hören auf den Klimarat, werde oft vernachlässigt.
Diese Form der Zuspitzung bestätigt auch Christian Nusser, bis Oktober 2023 Chefredakteur der Tageszeitung „Heute“. Nusser meint, dass die Form des Protests auch von der Emotionalisierung lebe und man aus der Sicht der Aktivist:innen „auch einen Leserbrief schreiben“ könne, wenn man mit den Protestaktionen keine Emotionen bei den Menschen auslösen wollen würde.
Im Vergleich zum Boulevard in Deutschland ist man hierzulande allerdings harmlos unterwegs. In der Tageszeitung „Bild“ wird oft auch der Begriff „Klimaterrorist“ in den Mund genommen. Das gibt es so in Österreich nicht, es wird eher von „Klimaklebern“ oder manchmal auch „Klima-Chaoten“ gesprochen.
Qualitätsmedien vs. Boulevardmedien
Durchaus differenziert sieht die Darstellung in den Qualitätsmedien aus. In den konservativen Tageszeitungen gibt es sehr wohl eine kritische Auseinandersetzung mit den Protesten – aber auch eine differenzierte Sichtweise. Ein Bewusstsein für die Form des Protestes und der Klimakrise im Hintergrund ist vorhanden. „Dennoch ist es schwer abzusehen, wie sich die Berichterstattung in den Qualitätsmedien verändert, wenn die Proteste wieder zunehmen“, sagt Paulitsch. Das spiegelt sich auch in der Analyse von vier Tageszeitungen in Österreich wider.
In der „Kronen Zeitung“ sieht die Darstellung so aus: In nahezu jedem Artikel, in dem über die Klebeaktionen der Klimaaktivist:innen berichtet wird, wird auch das Wort „Klimakleber“ in der Überschrift verwendet. Interessant ist allerdings, dass im eigentlichen Artikel nur mehr von „Klimaaktivisten“ oder „Demonstranten“ die Rede ist. Die Schlagzeile der „Kronen Zeitung“ zu den Straßenblockaden in St. Pölten und Attnang-Puchheim am 30. Oktober 2023 lautet dazu: „Klimakleber blockierten Straßen in OÖ und NÖ“ .
Im „Standard“ sieht die Darstellung schon anders aus. Hier lautet die Überschrift: „Klimaaktivisten blockierten zum Wochenauftakt Verkehr in Nieder- und Oberösterreich“. Im Gegensatz zur „Krone“ verzichtet „Der Standard“ bewusst auf den Begriff „Klimakleber“.
Das Gratisblatt „Heute“ schreibt hingegen: „Klima-Kleber blockieren am Montag gleich zwei Städte“. Auffällig hierbei ist, dass in „Heute“ auch im Artikel der Begriff „Klima-Kleber“ verwendet wird. Dieser Begriff zieht sich auch durch den Artikel, kein einziges Mal wird von „Klimaaktivisten“ gesprochen, wie es in der „Kronen Zeitung“ und dem „Standard“ praktiziert wird.
Im „Kurier“ lautet die Headline: „Klimaaktivisten blockierten St. Pöltner Landhaus und den Verkehr“. Abgesehen davon, dass im „Kurier“ Attnang-Puchheim nicht erwähnt wurde, obwohl dort auch eine Protestaktion stattfand, ähnelt diese Schlagzeile jener im „Standard“. Auch im folgenden Fließtext wird stets von „Aktivisten“ oder „Klimaaktivisten“ gesprochen.
Klimakleber als „liebevolle, österreichische Bezeichnung“
Wie ist der Begriff „Klimakleber“ insgesamt zu bewerten? Luis Paulitsch sieht diese Bezeichnung im Grunde nicht kritisch. Er selbst habe mit einem Aktivisten gesprochen und dieser meinte, dass ihn der Begriff „Klimakleber“ gar nicht störe. Das Kleben als Begriff würde deutlich machen, dass sich die Aktivist:innen festkleben und auch nicht wegbringen lassen würden.
Auch Christian Nusser findet die Bezeichnung „Klimakleber“, die auch oft in seinem Medium „Heute“ verwendet wird, vollkommen in Ordnung. „Der Begriff Klimakleber hat ja fast was Liebevolles, also es ist ein sehr österreichischer Zugang, sprachlich etwas zu bezeichnen, was da ist,“ meint Nusser. Die Bezeichnung sei auch nicht wertend und man eskaliere dabei nicht, sondern weise nur darauf hin, dass sich eben Leute festgeklebt hätten. Somit sei auch dem Publikum sofort klar, um wen es in dem Bericht gehe. Luis Paulitsch glaubt freilich, dass es zielführender wäre, die Protestierenden allgemein als Aktivist:innen zu bezeichnen. Damit wandert der Fokus weg von der eigentlichen Protestaktion hin zu dem Problem dahinter, nämlich der Klimakrise.
In der Darstellung der Protestaktionen lässt sich eine deutliche Veränderung feststellen. Wurde in den Medien zu den Fridays-for-Future-Demos noch wohlwollend oder neutral berichtet, so ist der Ton seit Beginn der Aktionen der „Letzten Generation“ immer schärfer geworden. Das lässt sich aber auch damit erklären, dass die Ablehnung in der Bevölkerung immer mehr gestiegen ist und sich Medien auch oft nach Meinungen in der Bevölkerung richten. Luis Paulitsch meint dazu: „Rund 80 Prozent der Bevölkerung sind gegen diese Form des Protests, aber Medien müssen nicht immer nach dem Volksmund schreiben.“ Vielmehr sollten sie als Vermittler dienen und die Gründe beleuchten, warum es so weit gekommen ist.
Nusser meint, dass in der Bevölkerung auch eine gewisse Radikalisierung stattfinde. Einige Autofahrer:innen, die durch die Störungen des Straßenverkehrs verärgert wurden, griffen zu drastischeren Mitteln und wurden handgreiflich. Nusser: „Das kann man in keiner Weise für gut befinden.“ Die zunehmende Ablehnung in der Bevölkerung lässt sich damit begründen, dass man bei den Protesten oft direkt betroffen ist. Deshalb berichten auch die Medien immer schärfer darüber, weil sie wissen, dass ihr Publikum genau das lesen möchte.
Und in Zukunft?
Und wie wird sich die Darstellung der Klimaaktivist:innen in Zukunft verändern? Nusser sagt dazu: „Der Klimaaktivismus und die Berichterstattung dazu sind ein sich selbst entwickelndes Ding, das nie steht.“ Wichtig sei, das Wording an die Zielgruppe anzupassen. So wird in Medien, die eher von Menschen rezipiert werden, die der Klimaprotestbewegung ablehnend gegenüberstehen, eher schärfer berichtet werden. Auch der Unterschied zwischen Boulevard- und Qualitätsmedien wird bestehen bleiben, da der Boulevard von Emotionen und Zuspitzung lebt. Auch die Form des Klimaprotests könnte sich in Zukunft ändern, weil man sieht, dass die jetzige Form nicht unbedingt zielführend ist und die Politik nicht auf die Forderungen eingeht. Für die Medien wird es wichtig sein, zu vermitteln und auch die Hintergründe der Proteste zu beleuchten.
Luis Paulitsch meint, dass der Fokus der Medien vor allem auf der Beleuchtung der Protestaktion und den einzelnen Aktivist:innen liege, die auch oft in Talkshows eingeladen werden. Daher sein Appell an die Medien: „Nehmt den Protest im Anliegen ernst! Überlegt euch, was hinter den Protesten steht.“ Konkret sind das relativ einfache Forderungen wie Tempo 100 auf den Autobahnen. Die eigentliche Frage wäre, so Paulitsch, warum sich solche Forderungen in unserem Land so schwer umsetzen lassen.
Die Medien sollten zudem viel stärker in die Rolle des Vermittlers schlüpfen und die Gegner der Forderungen und deren Gründe beleuchten. Im Moment werde eher die Frage aufgegriffen, ob und wie man Aktivist:innen härter bestrafen könne. Nur mithilfe der Medien ist es letztlich möglich, in Zukunft einen sachlicheren Diskurs zu führen.