Mädchenzeitschriften – ein Schuss ins eigene Knie?

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Seit Jahrzehnten kämpfen Frauen für Selbstbestimmung. Das Äußerliche betreffende Idealvorstellungen sollten nach und nach aus ihren Köpfen verschwinden, um irgendwann vielleicht sogar völlig ausgelöscht zu werden. Man könnte jedoch meinen: „Wogegen die Frau kämpft, wird ihrer Tochter monatlich auf 70 Seiten präsentiert.“

Schon im 18. Jahrhundert gab das aufgeklärte Weltbild vielen zu denken. Frauen forderten Gleichberechtigung, ein Weg, der alles andere als leicht war (und ist). Am 21. August des Jahres 1848 zogen einige Arbeiterinnen im Rahmen der ersten österreichischen Frauendemonstration durch die Wiener Innenstadt. Die Niederschlagung der darauffolgenden Bewegung am 23. August desselben Jahres, ist vielen unter dem Namen „Praterschlacht“ bekannt. Diese hinterließ abgesehen von den insgesamt 24 Toten und 282 Verwundeten auch noch andere Spuren. Im Jahr 1848 wurde der „Wiener demokratische Frauenverein“ und somit der erste österreichische Frauenverein mit der politischen Absicht der Geschlechtergleichstellung gegründet. Im Zuge der Wirtschaftskrise im 19. Jahrhundert und vor allem nach der Revolution von 1848 gingen Frauen in Österreich erstmals mit eigenen Zeitschriften an die Öffentlichkeit. Die „Arbeiterinnen-Zeitung“ (gegründet 1892), „Die Dokumente der Frauen“ (gegründet 1899) und die „Österreichische Frauen-Zeitung“ (gegründet 1917) vertraten, wie aus den Beschreibungen von Christa Bittermann-Wille und Helga Hoffemann-Weinberger in „Frauen in Bewegung – Diskurse und Dokumente der österreichischen historischen Frauenbewegung 1848 – 1918″ hervorgeht,  ideologisch unterschiedliche Ansichten, hatten jedoch ein gemeinsames Ziel: „Bildung für Frauen als erster Schritt zur Gleichberechtigung“.

Seit jeher wurde also versucht, ein modernes Bild der Frau zu schaffen, die nicht nur an Familie, Männern und Mode – Frauenzeitschriften zu diesem Thema erfuhren gleichwohl im Österreich der 1920er eine Hochblüte – interessiert sein muss. Im Austrofaschismus und folgend dem Nationalsozialismus erlebte die Frauenbewegung jedoch eine autoritär verordnete Gegenbewegung: Heim, Herd und somit dem „Volke“ zu dienen wurde (wieder) Pflicht.

Nach 1945 wurden erneut publizistische Schritte gewagt, Wege zur Freiheit aufzuzeigen, jedoch segmentierte sich der Frauenzeitschriftenmarkt entlang etablierter Bahnen (politische, Haushalts- und Familien-, Modezeitschriften), wie Larissa Krainer im Sammelband „Österreichische Mediengeschichte“ (Hrsg. Karmasin/Oggolder) konstatiert.

Und den Mädchen?

1907 bis 1938 wurde in Kärnten und später Niederösterreich die „Illustrierte Mädchen-Zeitung“ herausgegeben, deren redaktionelle Gestaltung katholischen Seelsorgern oblag. Auch kleinere Postillen dienten vorwiegend der Heranführung junger Frauen an ein konservatives Rollenbild. Nach 1945 muss man lange suchen nach Mädchenzeitschriften – bis in die Sechziger, als die Jugend sui generis als Medienzielgruppe bedeutsam wurde. Österreich war (und ist) von marginaler Bedeutung, die aufschlagenden Gründungen erfolgten in Deutschland. Ja, BRAVO. Von Mädchen im Geheimen rezipiert, weil von Eltern und Schule verteufelt – und daher jahrzehntelang marktdominierend.

Und 2019? Die Inhalte in Mädchenzeitschriften generell, die Darstellung des weiblichen Geschlechts speziell scheinen verfangen in alter Zeit und unberührt von Selbstbestimmung. „Beauty“, „Love“ und „Fashion“ sind die Hauptthemen derartiger Magazine. In Österreich werden zurzeit keine solchen produziert, die deutschen Produkte kommen trotzdem bei der jungen österreichischen Leserschaft an. Die Zielgruppe sind meist 12-17-jährige Mädchen, die sich in ihrer Selbstentdeckungs- und Selbstfindungsphase befinden. Abnehm-, Styling- und Flirttipps nehmen einen großen Teil der Seiten ein. Was tun, um „Ihm“ zu gefallen und wie verhalten, um möglichst „cool“ zu sein. Das vor allem über Äußerliches definierte Selbstbewusstsein soll gestärkt werden, folglich werden perfekt stilisierte junge Frauen am Cover und in Fotostrecken gezeigt. Auch Mädchenzeitschriften mit der Zielgruppe der 8-12-Jährigen gehen in diese Richtung: rosa Cover, Glitzerkleider und Tipps von „Stars“. Ist das das Bild der Frau, dass wir Töchtern vermitteln wollen? Oder bloß: It’s the Nachfrage, Stupid?

Der Einfluss von Mädchenzeitschriften auf ihre Leserinnen

Gerade in der (Prä-)Pubertät, einer Phase der Dauerhinterfragung in puncto Identifikation und eigener Identitätsentwicklung, wirken solche Bilder als Priming und Framing künftiger Bestimmung und Verhaltensmuster. Mädchenzeitschriften wirken als meinungsbildende Instanz, Leitbilder und durch die Themenwahl der Artikel und die grafische wie inhaltliche Gestaltung der populären „Fotostorys“ vermittelten Rollenbilder hinterlassen Spuren. Die Magazine verzichten in ihrer Gestaltung oft auf die Kontexte, in denen sich die Mädchen den Großteil des Tages aufhalten, also Schule, Elternhaus etc, und schaffen somit eine von der Realität abweichende Kunstwelt. In dieser kann sich die Leserschaft ganz in die dramatisierten Liebesgeschichten und Beziehungsprobleme anderer – und insbesondere deren simplifizierte Begründungen – flüchten. Die Lösung für bestimmte Probleme wird häufig bei den Mädchen selbst gesucht und könnte somit den Eindruck vermitteln, sie selbst seien immer Ursache des Problems.
In den 1970ern bereits sprach die feministische Kulturtheoretikerin Angela McRobbie von „stereotypen Weiblichkeitsritualen“. Die Mädchen eignen sich nach und nach sehr ähnliche Verhaltensweisen an. Sowohl das Freizeit- und Konsumverhalten als auch das Körperbewusstsein der Leserinnen sind hiervon betroffen. Blättert man durch die bekanntesten im deutschsprachigen Raum erwerbbaren Magazine, macht sich schnell bemerkbar, welche Inhalte einen derartigen Einfluss auf die junge Generation haben könnten. Es sind Schlagzeilen wie diese: „Krasavice – Der neue Nacktkalender. Sie hat das geschafft, wovon viele Frauen in ihrem Alter träumen.“ (Anm.: ein Porno-Starlet) (BRAVO.de). „Deine ABF ist doof. Das hassen Jungs an deiner besten.“ (Anm.: ABF = allerbeste Freundin) (Mädchen.de) Der Traum von Mädchen sollte im Sinne der Frauenbewegung nicht ein Platz in einem Nacktkalender sein, und die Freundeswahl sollte nicht in Abhängigkeit eines Mannes getroffen werden. Derartige Werte werden aber gerade durch Aussagen wie sie in den genannten Zeitschriften getroffen werden, vermittelt.  Es zeigt sich also: Das Format heutiger Mädchenzeitschriften weicht weitgehend von jenen im 19. Jahrhundert gegründeten Frauenzeitschriften ab. Würden Zeitschriften wie „BRAVO“ und „Die Mädchen“ das Ziel der fortgeschrittenen Bildung ihrer Leserinnen verfolgen, könnten anstelle der erwähnten Inhalte beispielsweise wissenschaftliche oder politische Erfolgsgeschichten von Frauen publiziert werden.

Mangel an Alternativen

Eine einzige Zeitschrift am deutschsprachigen Markt macht sich genau das zur Aufgabe. „Betrifft Mädchen“ erscheint quartalweise und behandelt sowohl politische als auch die Mädchenarbeit betreffende Themen. Wissenschaftliche Erfolge von Frauen, Geschlechterpolitik, Informationen über aktuelle Entwicklungen, Initiativen und Projekte finden ebenfalls ihren Platz in der Zeitschrift. In der Redaktion sitzen unter anderem auch Fachfrauen der Mädchenarbeit, denen mit der „Betrifft Mädchen“ eine Austauschplattform geboten wird. Die Druckauflagen und Verkaufszahlen zeigen jedoch, dass selbst nach über 20 Jahren Bestehen die Nachfrage nach den typischen „Klatsch und Tratsch“-Magazinen größer ist – freilich gerade weil es als eine Fach- und daher nur in geringem Ausmaß als Publikumszeitschrift positioniert ist. Vergleicht man beispielsweise die Druckauflage der „Bravo-Girl“ (93.370) mit jener der „Betrifft Mädchen“ (800), wird dies schnell deutlich.

Die Intention von Magazinen wie „Bravo-Girl“ und „Mädchen“, Leserinnen wie eine ältere Freundin und Ratgeberin bei Seite zu stehen, wird also erfolgreich umgesetzt. Unter Betrachtung der bereits untersuchten Verhaltens- und Bewusstseinsveränderungen durch die Magazingestaltung zeigt sich jedoch, dass die Selbstakzeptanz der Mädchen dadurch nicht unbedingt erhöht werden kann.

Ab 2019 will auch der Österreicher Michael Hüttler den Versuch starten, das einzige bundesweite Jugendmagazin speziell für Mädchen verfügbar zu machen. „COOL-Girl“ soll die Mädchenausgabe der gleichnamigen Jugendzeitschrift „COOL“ werden. Welche Art von Mädchenzeitschrift er herausgeben will, wird sich also spätestens Mitte des Jahres zeigen.

Von Katharina Samsula