Während die Frauen-Nationalmannschaft Spitzenquoten verzeichnen kann, bekommt die Frauen-Bundesliga kaum Anerkennung. SUMO interviewte Christoph Riegler und Stefanie Enzinger, beide im jeweiligen Team des SKN St. Pölten, zu Unterschieden, Gemeinsamkeiten und zukünftigen Entwicklungen aus der Spielersicht.
„König Fußball regiert die Welt“ lautet eine Zeile des bekannten Liedes „Fußball ist unser Leben“, gesungen von der deutschen Nationalmannschaft zur Weltmeisterschaft 1974. Damals noch nicht zeitgemäß, jedoch heute relevant ist die Frage: Gibt es neben König Fußball auch eine Königin?
Ein Blick auf die Zahlen des Österreichischen Fußballbundes von September 2017 sorgt für Ernüchterung. 130.670 Männern stehen 7.595 Frauen im aktiven Erwachsenenfußball gegenüber. Im Jugendbereich stehen 146.898 Burschen 12.299 Mädchen gegenüber. Bei den FunktionärInnen findet man ähnliche Zahlen, denn von den 43.014 FunktionärInnen sind nur 2.092 weiblichen Geschlechts. Die Landesverbände zeigen ein eindeutiges Bild: Alle neun Verbände werden von männlichen Präsidenten und Geschäftsführern geleitet.
Veränderung im öffentlich-rechtlichen Fernsehen
Im Bereich der Fernsehübertragung tat sich im Sommer 2018 einiges, bei Herren wie Damen. Bei den Männern blieb der ORF beim Wettbieten um die TV-Rechte mit „Sky Österreich“ chancenlos, der Bezahlfernsehsender erhielt die Exklusivrechte für die Saisonen 2018/19 bis 2021/22 dem „Standard“ nach um kolportierte 34 Millionen pro Jahr. Mit Sublizenzen wandern zwar vier Live-Spiele zu „A1 TV“, jedoch wird auch nur eines dieser Spiele wirklich frei im Fernsehen zu sehen sein, was ein Novum in Österreich darstellt. Bis zur Saison 2017/18 Jahr hatte der ORF noch die Rechte für ein Sonntagsspiel pro Spieltag über, ab 2018/19 wird samstags und sonntags nur noch eine jeweils 25 Minuten lange Zusammenfassung der Runde gezeigt.
Der Frauenfußball profitiert von der Abwanderung der Bundesliga in das Bezahlfernsehen. Dank des Erfolges der Frauennationalmannschaft bei der Europameisterschaft 2017 in den Niederlanden, bei der bis zu 1,35 Millionen ZuseherInnen in Spitzenzeiten verzeichnet wurden, erhielt der Frauenfußball einen Attraktivitätsschub in Österreich. Um an diese Entwicklung anzuschließen, zeigt der ORF zur Saison 2018/19 ganze zehn Spiele der Frauen-Bundesliga live auf „ORF Sport+“.
Fußball ist nicht immer Männersache
Mehr Spiele der Frauen-Bundesliga im Fernsehen sind zwar gut, der Stellenwert dieser im „ORF Sport+“ zeigt aber den immer noch großen Abstand zwischen Männer- und Frauenfußball. Man könnte glauben, dass Frauenfußball schlicht und einfach unpopulärer ist. Dem ist allerdings nicht überall auf der Welt so. Mehrere wissenschaftliche Befunde, die in „Fußball als Paradoxon der Moderne“ (Marion Müller, 2009) zusammengefasst wurden, zeigen einen Zusammenhang zwischen der Popularität von Fußball und der geschlechtsspezifischen Konnotation. Wenn Fußball in einem Land sehr beliebt ist, gilt er als Männersport. Wenn Fußball aber nicht die populärste Sportart ist, wird Fußball nur schwach als Männerdomäne oder sogar als deklarierter Frauensport festgestellt, wie etwa in den USA, Kanada oder China. Interessanterweise hat die Frauen-Nationalmannschaft der Vereinigten Staaten auch die letzte Weltmeisterschaft 2015 gewonnen und stand seit der Einführung der FIFA-Weltrangliste im Juli 2003 mehr als die Hälfte der Zeit an der Spitze.
Wie SpielerInnen selbst mit den Medien umgehen
Dass der Männerfußball nicht nur von den BürgerInnen, sondern auch von den Medien wesentlich mehr nachgefragt wird, unterstreichen auch professionelle Fußballerinnen und Fußballer. Christoph Riegler, Torhüter und Kapitän des SKN St. Pölten, gibt SUMO Einblick in seinen Zugang zu Medien. Mehrmals pro Woche werde er für Interviews gebraucht, sowohl Vorberichterstattungen als auch kurze Stellungnahmen nach den Spielen gehören bei jedem Spieltag dazu. Vor allem bei den Interviews in der Mixed-Zone nach dem Abpfiff wollen JournalistInnen jeglicher Mediengattung seine Meinung hören. Stefanie Enzinger, Offensivspielerin des SKN St. Pölten, habe im Vergleich zu Christoph Riegler einen ruhigeren Terminplan, mit ihr treten Medien nur etwa zwei- oder dreimal pro Monat in Kontakt. „Direkt nach der Europameisterschaft hingegen war es extrem“, schildert die gebürtige Salzburgerin im SUMO-Gespräch. Die Frauen-Nationalmannschaft zog bei der EM 2017 in den Niederlanden bis ins Halbfinale ein. Enzinger erzielte in der Gruppenphase dieses Turniers einen Treffer gegen Island. Wenn nun Anfragen hereinkämen, so seien diese meist für die „ORF Sport+“-Sonntagsshow oder Zeitungen, bei Enzinger seien das vor allem die „Salzburger Nachrichten“ aufgrund ihrer Herkunft. Wenn Christoph Riegler von Zeitungen interviewt wird, lässt er sich den Bericht immer vor Veröffentlichung zusenden. Bei Fernsehinterviews gibt es diese Option nicht, da „muss man vorher überlegen, was man sagt, dann hat man nachher keine Probleme“, so der Niederösterreicher. Auf die Frage, ob es auch unangenehme oder unbeliebte Interviewsituationen gibt, meint Riegler: „Das gehört einfach zu meinem Beruf dazu“. Für Enzinger seien Live-Auftritte eine besondere Herausforderung: „Live-Shows sind so eine eigene Sache, da muss man schon sehr schlagfertig sein“, erläutert die Nationalspielerin.
Sein Hobby zum Beruf zu machen ist für viele ein Traum, für ProfifußballerInnen Realität. Neben dem Beruflichen stellt sich jedoch die Frage, ob man selbst noch Fußball schauen würde. Für Christoph Riegler ist ein Ausgleich wichtig: „Ich muss nicht jeden Tag Fußball schauen und irgendetwas von Fußball hören.“ Die Champions League oder Top-Spiele am Sonntag lasse er sich dennoch nicht entgehen. Dass Männerfußball attraktiver für den Betrachter ist, streitet auch Enzinger nicht ab, schaut sie selbst lieber den männlichen Kollegen zu. „Überhaupt bei den Männern interessiert mich die Champions League und die deutsche Bundesliga schon sehr“, erläutert die Nationalspielerin. Fußballspiele zu rezipieren sei für sie dabei sogar schon der wichtige Ausgleich.
Spielerinnen schauen Männerfußball, schauen Spieler aber Frauenfußball?
Der Erfolg der Frauen-Nationalmannschaft erreichte nicht nur Medien und Fans, sondern auch Spieler. „Länderspiele, speziell als das Frauen-Nationalteam so gut war, werden generell mehr verfolgt, auch von der ganzen Mannschaft. Auch die Women’s Champions League in St. Pölten, speziell 2017 gegen Manchester City und 2018 gegen Paris Saint-Germain, hat die ganze Mannschaft von uns im Stadion verfolgt und unterstützt“, erklärt Riegler. Seiner Meinung nach werde der Frauenfußball in Österreich generell noch zu wenig geschätzt, vor allem im Vergleich zu Deutschland. „Ich glaube, das kommt aber immer mehr und die Qualität nimmt auch immer mehr zu“, prognostiziert der Niederösterreicher.
Vorurteile und Wertschätzung
Laut Enzinger herrschen noch immer eine Menge Vorurteile. So bekomme sie zu hören, dass Frauenfußball zu unattraktiv und nicht auf dem Niveau von Männerfußball sei. Wie Riegler sieht aber auch sie einen deutlich positiven Trend in den letzten Jahren. „Es wird immer besser. Die Nachfrage in der Liga hält sich zwar noch in Grenzen, aber bei den Champions League-Spielen ist sie schon sehr groß“, führt Enzinger weiter aus. „Beim SKN wird alles professionell gemacht, wir bekommen enorme Anerkennung im Verein“, schwärmt die Salzburgerin von der Klubstruktur. Sie war vor ihrem Engagement in St. Pölten von 2015 bis 2017 beim SK Sturm Graz tätig, der in vielerlei Hinsicht Unterschiede aufwies. „Wir haben bei Sturm Graz viermal pro Woche trainiert, jetzt in St. Pölten trainieren wir sechs- bis siebenmal pro Woche.“ Beim SK Sturm Graz war auch die Infrastruktur nicht auf dem Niveau vom SKN St. Pölten. „Obwohl Sturm Graz für einen Frauenfußballclub auch schon keine schlechten Bedingungen hatte, konnte man mit dem SKN nicht mithalten.“ Dass auch von der Herrenmannschaft großes Lob an die Damen gerichtet werde, bestätigt Riegler. „Wir unterstützen die Frauenmannschaft und man muss einfach die Leistungen, die da Woche für Woche abgerufen werden anerkennen. Die Frauenmannschaft gehört genauso zum Verein wie wir auch.“
Aussicht
Stefanie Enzinger betrachtet die Chancen auf Frauenfußball-Rezeption eher negativ: „In den USA ist Frauenfußball zum Beispiel populärer als Männerfußball. In Österreich sieht es auf lange Sicht eher schwierig aus.“ Christoph Riegler hingegen prophezeit dem Frauenfußball eine positive Zukunft, das Interesse würde in den nächsten Jahren – auch seitens der Medien – zunehmen. „Ich bin interessiert an Frauenfußball. Wenn Spitzenspiele laufen, schaue ich mir die gerne an. Aber dass ich Woche für Woche den Frauenfußball verfolge, ist es nun auch wieder nicht“, erklärt der Niederösterreicher abschließend. Und der österreichische Fußballfan denkt im Allgemeinen genauso. Bei Spitzenspielen bei der EM 2017 sind alle Frauenfußballfans, der Ligabetrieb ist allerdings noch lange nicht Gegenstand der allgemeinen Popularität.
Von Jan Müllner