Der Österreichische Rundfunk, ein öffentlicher Riese. Mit einer Milliarde Euro Umsatz das größte Medienunternehmen Österreichs, „größer als die größten Zeitungsverlage und größer als alle privaten Rundfunker in Österreich zusammen“ (Fidler 2022). Dessen Stiftungsrat gerät 2022, durch Armin Wolfs Einschätzung einer möglichen Verfassungswidrigkeit in der Zusammensetzung, jedoch unter öffentlichen Disput. Inwiefern herrscht politische Diversität vor? Kann politische Diversität in so einem Rahmen überhaupt gelebt werden? SUMO hat mit Medienredakteur Harald Fidler, sowie mit einem Mitglied des Publikumsrates des Österreichischen Rundfunks, Roman Hummel, gesprochen und gibt ein paar Gedanken zu dem Thema.
Das Zeitalter der Digitalisierung. Noch nie zuvor gab es derartig viel Medienangebot wie heute. Wo viel Angebot herrscht, herrscht vermeintlich auch viel Konkurrenz, was für einen öffentlich-rechtlichen Rundfunk dort und da eine Herausforderung darstellt, da er durch sein stark unterscheidendes System als Einzelgänger in der Medienlandschaft fungiert. „Der öffentlich-rechtliche Rundfunk hat im Unterschied zu allen anderen Medien einen Programmauftrag und wird von Gremien, hinsichtlich der Einhaltung dieses Programmauftrags kontrolliert. Der ORF hat diese Aufgabe, dass er über alle Belangen des öffentlichen Lebens, Kultur, Religion, Politik und Wirtschaft berichten muss, erklärt Roman Hummel. Über unser SUMO-Blattthema Diversität herrscht in Bezug auf den Programmauftrag des ORFs und dessen Gremien derzeit jedoch ein öffentlicher Disput. Die Situation zusammengefasst in drei Hauptdebatten:
Debatte 1: Was unter Diversität eigentlich verstanden wird
Die Wahrnehmung eines Westeuropäers hinsichtlich Diversität ist stark davon getrieben, was sich in den sozialen Medien der Vereinigten Staaten abspielt. Hummel erklärt: „Unser Problem ist nicht, dass Schwarze unterrepräsentiert werden, sondern unser Problem ist eben, sowie die Sinti und Roma, die nicht da sind. Also unsere nicht beachteten Minderheiten sind halt andere. Und das ist halt so. Ist es jetzt die Tönung der Haut? Ist es das biologische Geschlecht?“. Es gilt daher zunächst einmal, klar zu definieren, was die Kriterien von Diversität sind. Darauffolgend dann weitere Schritte, wie Hummel rät, zu setzen: „Man muss sich regelmäßig anschauen: Sind die genannten Gruppierungen für den Publikumsrat adäquat, oder bedarf es da einer Veränderung?
Hinsichtlich Diversität im Programmauftrag des ORFs wird, laut Meinung der beiden Experten, vieles abgedeckt. Harald Fidler meint: „Man kann immer noch mehr erwischen, aber es ist schon sehr breit angelegt, was der alles für Aufgaben hat. Es gibt sicher noch die eine oder andere Aufgabe, die vielleicht weiter zu fassen ist, die vielleicht noch fehlt, aber es ist schon einiges erfasst und ich glaube man kann es immer breiter und besser machen“.
Debatte 2: Warum die derzeitige Zusammensetzung des Stiftungsrats als verfassungswidrig angesehen wird
Hummel fasst die Zusammensetzung in einfachen Worten zusammen und meint: „Die Kammern schicken direkt. Alle anderen können schicken, aber das Bundeskanzleramt wählt aus. Und welche der Organisationen jetzt dort hinschickt ist dann dem Geschmack der Beamten im Bundeskanzleramt überlassen. Welches Gesicht steht mir als sympathisch an?“. Der Stiftungsrat besteht seit Beginn an aus einem politischen Bios, erklärt Hummel weiters: „In manchen Situationen besonders stark, weil ja drei aus dem Publikumsrat gewählt werden und die sind wiederum auch handverlesen, und da haben wir ganz klar eine Gruppierung. Das halte ich im Sinne der parteiferne des ORF, der ja an und für sich als Stiftung uns allen gehört, höchst problematisch.“
Debatte 3: Wie Ausgewogenheit und Objektivität innerhalb des Rats aussehen könnten
Harald Fidler sieht die Möglichkeit, mit rechtlichen Vorschriften und Regelungen ein größtmögliches Maß an Unabhängigkeit herzustellen, betont jedoch, dass es am Ende an den Individuen selbst liegt: „Wenn man sich vor der Öffentlichkeit verantworten muss, was man tut und warum man in diesem Aufsichtsgremium so handelt, dann ist das ein wesentlicher Kontrollfaktor und am Ende auch das eigene Selbstverständnis der handelnden Person. Man kann schon versuchen mit rechtlichen Rahmenbedingungen und Regelungen dem nahe zu kommen, aber es hängt am Ende an den Individuen, die das machen und deren Verantwortung. Hummel ist bezüglich Ausgewogenheit innerhalb des Rats gegenteiliger Meinung und sagt: „Der wird nie komplett ausgewogen sein. Muss er ja auch nicht.“
Ausblick
Um Diversität, Ausgewogenheit und Objektivität eingängig zu leben, bedarf es innerhalb des ORFs daher noch an viel Veränderung und Eigenengagement. Um diesem Ziel, eines perfekt ausgewogenen öffentlich-rechtlichen Rundfunks, näher zu kommen, sollte sich der Stiftungsrat „auf eine Kontrolle oder auch Entscheidung, die quasi verwaltungsentsprechend ist, beschränken“, so Hummel. Hinsichtlich des hohen Einflusses seitens der Regierungsparteien schlägt Fidler vor:“ Es gibt seit 2001 (damals ÖVP, FPÖ) eine Politikerklausel, das heißt, aktive Politiker*innen und Parteiangestellte dürfen, teilweise bis zu vier Jahre nach der Ausübung eines Mandats, nicht im Stiftungsrat sitzen. Das wäre ja schon mal was. Derzeit sitzen Ex-Parteiangestellte und Berater*innen oder die Ex-Parteimanager*innen drinnen.“
Es gäbe demnach viele Möglichkeiten und Regelungen, Diversität und Ausgewogenheit innerhalb des Stiftungsrat zu fördern, jedoch kommt es am Ende auf jedes Mitglied selbst an, wie verantwortungsbewusst diese gelebt werden.
Von Magdalena Kanev
Bild-Copyright: adobe.stock/monticellllo