SUMO blickt hinter die Kulissen der erfolgreichsten Radio-Morningshow des Landes und spricht mit Rolf Lehmann, Leiter der Ö3-Comedyabteilung, und dem Ö3-„Wecker“-Chef Christian Gartner über Herausforderungen gelungener Unterhaltung.
Morgens um sieben ist die Welt noch in Ordnung, vor allem bei Ö3. Egal ob „Callboy“, „Mikromann“ oder „Professor Kaiser“ – tagtäglich hören zwei Millionen ÖsterreicherInnen den „Ö3 Wecker“ und starten mit Gags von Gernot Kulis, Tom Walek und Co. in den Tag. Seit 20 Jahren hat Ö3 eine klare Positionierung: Wer Ö3 einschaltet, erwartet Unterhaltung.
Christian Gartner ist für die Sendung verantwortlich und koordiniert die verschiedenen Abteilungen, die an der Entstehung der Morningshow beteiligt sind. „Die Hörerin bzw. der Hörer erwartet sich viel von der richtigen Musik, will wissen ob die Welt noch steht, wie lange man durch den Frühverkehr in die Arbeit oder in die Schule braucht und ob das, was man anziehen will, zum Wetter passt. Auf diesen drei Säulen, also Musik, Information und Unterhaltung, basiert der Ö3 Wecker.“
Das G’spür für’n Schmäh
Doch was ist eigentlich witzig? Woher weiß man, was draußen ankommt und was nicht? Das erste Kriterium für Rolf Lehmann, Leiter der Ö3-Comedyabteilung, ist er selbst: „Ich bin sehr selbstkritisch. Darüber hinaus machen wir das inzwischen schon seit 20 Jahren und verfügen über Erfahrung.“Aus Markt- und Medienforschung weiß man, was verstanden wird und ankommt. Comedys wie der Ö3-„Mikromann“ und der Ö3-„Callboy“ funktionieren seit Jahrzehnten, werden aber immer wieder frisch aufbereitet. Auf der anderen Seite holt man sich auch senderinternes Feedback: „Im Gespräch bei der Kaffeemaschine bekommt man ein Gefühl, was bei den KollegInnen ankommt und funktioniert.“ Spezifizierte Testungen neuer Comedies oder gar -Inhalte gibt es nicht. „Das wäre zu aufwendig und würde auch das Bild verzerren. Man muss auf seine Erfahrung und auf sein G’spür hören“, so Lehmann. Am Ende des Tages ist und bleibt Humor Geschmackssache.
Inhalte und Länge der Comedys jedoch sind vorauszuplanende Kriterien für den Erfolg. „Radio ist ein Nebenbei-Medium. Man darf die Leute nicht mit zu vielen Fakten überfordern.“ Lehmann und sein Team versuchen bereits vorhandene Bilder abzugreifen. „Donald Trump ist auch Leuten aufgefallen, die nicht an Politik interessiert sind. Da weiß man: witzige Frisur, Ex-Model als Ehefrau, laut, prollig. Das sind Bilder, die man nicht mehr erzeugen, sondern nur mehr bedienen muss.“ Was Fach- oder Slang-Ausdrücke betrifft, versucht man sich dem breiten Publikum anzupassen: „Sportparodien etwa hatten wir oft. Natürlich gibt es hierzulande viele Menschen, die sich überhaupt nicht für Fußball interessieren. Die wissen zwar nichts in Bezug auf das Regelwerk, kennen aber David Alaba aus Society-Magazinen. Wenn du versuchst, es allen recht zu machen, wirst du’s niemanden recht machen. Es hängt immer vom Format, von der Rubrik und vom Thema ab.“
Auch Comedy im Radio hat sich der Schnelllebigkeit des Smartphone-Zeitalters anzupassen und sich durch „Facebook“ und „YouTube“ stark verändert: „Früher hat man sich für einen Gag zwei Minuten Zeit gelassen. Das ist heute in der Form undenkbar“, stellt Gartner fest. „Wir sind auch im Radio in der ‚Wischgeneration‘ angekommen. Du musst in den ersten zwei Sätzen sagen, worum es geht und den Hörer bzw. die Hörerin für dich gewinnen.“ Gerade bei einer Morningshow ist es wichtig, aktuelle Themen zu bedienen. Comedy ist dann richtig stark, wenn man jene Themen rasch bearbeitet, die das Land bewegen. Christian Gartner: „Sich über ein Thema lustig zu machen, das keiner kennt, ist nicht lustig. Man muss das aufgreifen, was beim Hörer ohnehin Thema ist.“
Wann und wie wird Comedy produziert?
„Was BäckerInnen und Radiocomedy-AutorInnen gemeinsam haben: Am besten schmeckt die Ware frisch. Und BäckerInnen stehen, wie allgemein bekannt, auch sehr früh auf“, vergleicht Christian Gartner. „Aber auch der Bäcker bereitet schon am Vortag den Teig vor, lässt ihn gehen, kommt in der Früh rein und muss nur mehr den Ofen einschalten“, ergänzt Rolf Lehmann.
Die Ö3-Comedyabteilung besteht aus fünf fixen und mehreren externen AutorInnen. Der Großteil wird am Vortag produziert, da man in den allermeisten Fällen am Tag davor schon weiß, was morgen Thema sein wird. „Anders würde es nicht gehen. Aber wir haben auch MitarbeiterInnen, die in der Früh sehr schnell produzieren können“, so Lehmann. Politische oder Sportereignisse finden freilich auch am Wochenende oder am Abend statt: „Da muss man sich den Tag anders einteilen. Es gehört zum ganz normalen Workflow, dass du dich auf wichtige Ereignisse einstellst.“
Lustig sein auf Knopfdruck?
In einer täglichen Morningshow muss man zwangsweise auch täglich lustig sein. Für Lehmann gelten mehrere Taktiken: „Es gibt Leute, die im Team besonders kreativ sind. Ich ziehe mich gern zurück. Wichtig ist, dass man eine Art Scanblick in Bezug auf Themen und Details entwickelt. Wenn man beispielsweise den fast einschlafenden Sohn vom Trump in den Nachrichten sieht: Hier Potenzial zu erkennen und eine Geschichte dahinter entstehen zu lassen, ist ein Erfolgsrezept.“ Jedoch hat das Schreiben einer Comedy natürlich auch ein Regelwerk, erläutert Gartner: „Es gibt Mechanismen, die man anwenden kann, wie beispielsweise ‚Was wäre wenn…’-Fragen. Dann gibt es noch die Produktion, die es lustig produzieren kann.“
Nicht nur die Quoten sprechen für den Erfolg des „Ö3 Wecker“, sondern auch die Fachjury des „Österreichischen Radiopreises“. Zweimal in Folge wurde die Morningshow in der Kategorie „Beste Morgensendung“ prämiert, 2015 ging der Preis für die „Beste Comedy“ an Gernot Kulis.
Die Wirkung der Morning-Comedy lässt sich aber auch ohne ExpertInnen erklären: Ob beim Zähneputzen oder auf dem Weg in die Arbeit: Mit einem Grinsen im Gesicht startet sich’s eindeutig besser in den Tag.
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