Snapchat Journalism

flickr.com: "Snapchat", Maurizio Pesce, (CC BY-SA 2.0)

Mit der Anfang letzten Jahres eingeführten Funktion „Discover“ wagt Snapchat ihre ersten Schritte in Richtung Journalismus. Dass diese Funktion viel Potential hat die Jugend anzusprechen ist in der Soziodemographie der Nutzer angelegt. Die Frage ist, ob das Publikum das neue Angebot annimmt.

 

Depublikationsregeln sind in unserer Gesellschaft längst keine Seltenheit mehr: Inhalte von öffentlich-rechtlichen Mediatheken dürfen größtenteils nur sieben Tage online verfügbar sein. Sowohl bei den betroffenen Medienhäusern, als auch bei den Rezipienten stößt dies auf harsche Kritik. Die Applikation Snapchat jedoch hat das Potential von Inhalten mit begrenzter Verfügbarkeit erkannt und zu ihrer wichtigsten Funktion erhoben. Snapchat ist ein Messenger-Dienst, der es ermöglicht mit Freunden in Form von Bildern, beziehungsweise kurzen Videos zu kommunizieren. Diese Inhalte bleiben jedoch nur wenige Sekunden für den Empfänger sichtbar, wodurch eine kurzweilige und sehr persönliche Art der Kommunikation entsteht. War die App in ihren Anfangsjahren rein auf private User hin ausgerichtet, die mit ihren Freunden interagieren, bietet sie seit Anfang 2015 eine zusätzliche Funktion namens Snapchat Discover, die es ausgewählten Medienhäusern ermöglicht, redaktionelle Inhalte zu publizieren.

 

Snapchat lädt ein auf Entdeckungsreise

Mit der Funktion „Discover“ bietet Snapchat ihren Usern eine exklusive Auswahl von derzeit 19 Kanälen, die von Big Playern der Medienwelt, wie etwa von CNN, Vice, Cosmopolitan, und ähnlichen, betrieben werden.

Wie „Discover“ funktioniert, ist schnell erklärt: der Nutzer kann aus einer Auswahl an verschiedenen Kanälen wählen. Klickt er ein Angebot an, lassen sich aktuelle Beiträge des ausgewählten Kanals aufrufen. Die Beiträge bestehen, wie für Snapchat üblich, aus einem Bild, beziehungsweise einem Video, mit oder ohne Text. Findet der Nutzer nun einen Beitrag besonders interessant und möchte mehr zum Thema erfahren, hat er die Möglichkeit, mittels vertikalem Wischen, den gesamten Artikel erscheinen zu lassen. Dass das neue Feature neue Möglichkeiten bietet die junge Zielgruppe zu erreichen zeigen die allgemeinen Nutzerdaten: immerhin sind über die Hälfte der mehr als 100 Millionen Snapchat-Nutzer, zwischen 16 und 24 Jahren alt.

 

Multimedialität und Selbstzerstörungsmodus

Gerade bei jungen Menschen kann Unterhaltung eine wesentliche Rolle bei der Rezeption von journalistischen Inhalten spielen. Snapchat bietet Journalisten viele Möglichkeiten, ihre Artikel inhaltlich so attraktiv zu gestalten, als dass neben Texten auch Videos, Bilder, Animationen und Audioelemente integriert werden können. Diese Multimedialität kann in wenig anderen Medien in dieser Form eingesetzt werden. Dies liegt daran, dass die User von Snapchat den Dienst genau ob seiner erhöhten Multimedialität nutzen und es nachfolgend wahrscheinlich ansprechend ist, journalistische Inhalte in derselben Art und Weise präsentiert wahrzunehmen wie die Nachrichten, die sie selbst an ihre Kommunikationspartner versenden. Diese Form des Storytellings ist jedoch nicht zwangsläufig markträumend. Das Verdrängen der Nachrichtenwerte kann ebenso auf Unverständnis stoßen. Die Gewichtung Für und Wider ließe sich in den redaktionelle Inhalte nachfragenden Generationen suchen und gegebenenfalls finden.

 

Getreu dem Prinzip von Snapchat sind, genauso wie die persönlichen Nachrichten, die die User untereinander verschicken, auch die Inhalte in der „Discover“-Funktion zeitlich beschränkt. Die Selbstzerstörung der Inhalte setzt nach 24 Stunden automatisch ein. Durch diese Depublizierung wird Platz für neue Artikel geschaffen. Es verspricht den Vorteil, dass eine Reizüberflutung nahezu ausgeschlossen werden kann, da nur eine begrenzte Anzahl von Beiträgen pro Tag verfügbar sind und somit nur die wichtigsten Themen – vergleichbar dem Teletext –  in die News-Strecke eines jeden Kanals aufgenommen werden. Zusätzlich ermöglicht es dieses Prinzip, einen gesamten Kanal „fertig rezipieren“ zu können.

 

Interpersonale Kommunikation meets Massenkommunikation

So viel Potential und vielversprechende Ansätze diese neuartige Funktion auch liefert, bedarf es doch noch den ein oder anderen Handlungsbedarf in manchen Punkten. So etwa benötigt Snapchat zurzeit im Vergleich zu anderen Applikationen noch viel Datenvolumen zu Lasten der Nutzer, was wiederum dazu führt, dass die Akkulaufzeit des Smartphones stark reduziert wird. Auch findet man aktuell noch eine sprachliche Barriere, da alle in der Funktion „Discover“ verfügbaren Kanäle englischsprachig sind. Des Weiteren kann Snapchat nur mit mobilen Devices über die eigene Applikation genutzt werden, eine Anwendung im Browser ist bis dato nicht möglich.

 

Bequemlichkeit ist ein bekanntes Phänomen unserer Zeit, das auch von der Medienrezeption keine Ausnahme macht, sondern gerade hierbei immer wichtiger wird. Speziell die Jugend ist in diesem Bezug verwöhnt. Sie bekommen Nachrichten in der Online-Welt von allen Seiten wie auf einem Tablett serviert, und brauchen nur noch zugreifen. Doch scheint es oft zu viel Aufwand zu sein, weshalb redaktionell tätige Medienunternehmen einen anderen, einfacheren Weg zu finden suchen, um vom begehrten, jungen Publikum wahrgenommen zu werden. Und sei es nur aus der Motivation, Werbung für die eigene Marke zu betreiben. Für die Nutzer ist Snapchat ein ganz normaler, und oft sogar zentraler, Bestandteil ihres Kommunikationsverhaltens. Ob und inwieweit die Nutzer Kommunikationsangebote gewerblicher Natur, Journalismus oder Werbekommunikation, annehmen, kann zum heutigen Tage nicht abschließend bewertet werden. Eine Innovation und damit Chance stellt „Discover“ dar.

 

Autor: Julia Gerstl

Bild: flickr.com: „Snapchat“, Maurizio Pesce, (CC BY-SA 2.0)