SWIPE. MATCH. REPEAT. – Wie Algorithmen die Partnerwahl beeinflussen

Algorithmen sind heutzutage im Internet allgegenwertig. Sie werden nicht nur auf Social Media-Plattformen wie Facebook, YouTube, Instagram und Co. eingesetzt, um uns personalisierte Inhalte anzuzeigen. Sie entscheiden zudem auch darüber, welche Profile wir auf Datingportalen sehen. Die Anbieter versprechen den Nutzern dadurch ein befriedigendes Erlebnis. Dieser Artikel soll klären, welche Arten von Algorithmen bekannte Dating Apps verwenden, wie diese funktionieren und was die Betreiber damit eigentlich bezwecken wollen.  

Von Alexander Moser

Egal ob Singlebörse oder Partnervermittlungsplattform, Algorithmen sind auf jeder Online-Dating App vertreten Copyright: Alexander Moser 

Liebe aus dem Automaten 

Doch um zu verstehen, warum automatisierte Systeme in Datingportalen überhaupt verwendet werden, lohnt sich ein Blick in die Geschichte der elektronischen Partnervermittlung. Denn Algorithmen sind kein Phänomen des Internetzeitalters. Bereits in den 1950er Jahren wurden in den USA Bus-große Computer eingesetzt, um Singles mittels wissenschaftlicher Fragebögen zusammen zu bringen. Das Interesse nach der neuen Form des Datings wuchs und schwappte in den 1960ern auch nach Europa über. Das Jugendmagazin Twen startete damals ein Experiment namens „Rendez-vous 67“, an dem sich mehr als 25.000 Interessierte beteiligten. Nachdem die Teilnehmer die Fragen des Magazins beantwortet hatten, schickte Twen ihnen nach der Auswertung passende Vorschläge inkl. Kontaktdaten per Post zu. Schon damals suchten Nutzer dieser Angebote aber eher nach ungezwungenen Flirts als nach einer fixen Partnerschaft. Zeitvertreib und Unterhaltung standen demnach hoch im Kurs. Daraus entwickelten sich in weiterer Folge Online-Partnervermittlungen, wie wir sie heute kennen. Diese bilden das Gegenstück zum Casual Dating, das eher für schnelle sexuelle Kontakte ausgelegt ist. Zur Zielgruppe von Online-Partnervermittlungen gehören Personen aus höheren Bildungsschichten und Einkommensklassen, die eine ganz konkrete Vorstellung von ihrem Traumpartner haben und sich langfristig binden wollen. 

Der schmale Grat zwischen Fakt und Fake 

Algorithmen begegnen uns heutzutage aber nicht nur im Internet, sondern sind bereits in andere Lebensbereiche vorgedrungen. Auf den ersten Blick scheinen sie komplex aufgebaut zu sein. Dabei ist die Erklärung, was ein Algorithmus überhaupt ist, eigentlich recht einfach: Eine KI, die die Spreu vom Weizen trennt und große Datenmengen in kleine und wichtige Informationshäppchen, genannt Smart Data, umwandelt. Im Prinzip sind sie demnach nichts anderes als soziale Filter, die durch das Sammeln unserer Daten immer effizienter werden. Dem User werden in weiterer Folge nur jene Informationen angezeigt, die für ihn relevant sein sollen, alles andere entzieht sich seiner Aufmerksamkeit. Die Entstehung von Filterblasen und Echokammern ist dann nicht mehr weit. Denn Algorithmen können den Kontext einer Nachricht völlig verändern und dadurch Fake-News in Windeseile verbreiten.  

Das lukrative Geschäft mit der Einsamkeit 

Der Match-Group Konzern, zu dem Dating-Dienste wie beispielsweise Tinder, Lovoo oder OkCupid gehören, ist im Besitz von über 45 sozialen Netzwerken und erzielte im Jahr 2020 $ 2,40 Milliarden Umsatz. Bumble, ein noch junges Dating-Service, bei dem Frauen den ersten Schritt machen, ist im Februar 2021 an die Börse gegangen und zählt heute bereits 2,5 Millionen zahlende Nutzer. Tendenz steigend. Auch der deutsche Medien Konzern ProSiebenSat1 ist längst ins Online-Dating Business eingestiegen und verzeichnet mit der Partnervermittlungsplattform Elite Partner, die ein Teil der ParshipMeet Group ist, aufgrund der Corona Krise einen großen Nutzerzuwachs. Im 1. Quartal 2021 konnte die ParshipMeet Group dadurch einen Umsatz von 141 Millionen € erzielen. Dass der Online-Dating Sektor längst ein lukratives Geschäft ist, zeigt sich auch anhand der Prognosen für die kommenden Jahre. Laut einer Einschätzung des Digital Market Outlook 2019 wird sich der Umsatz von Dating Services weltweit von 5 Milliarden 2021 auf rund 6,3 Milliarden $ im Jahr 2024 erhöhen. Auch bei den Nutzern von Singlebörsen ist ein positiver Anstieg zu verzeichnen und 2024 werden bereits 277 Millionen Menschen weltweit zumindest eine Dating App nutzen (Statista, 2020). 

Schachmatt für die wahre Liebe 

Der Elo-Score, ein Algorithmus, der ursprünglich für den Schachsport entwickelt wurde entscheidet heute bei Plattformen wie Tinder darüber, wer uns im Dating-Portal angezeigt wird und mit wem wir matchen. Zwar hat sich Tinder 2019 offiziell vom Elo-Score verabschiedet, im Kern nutzt die App jedoch immer noch ähnliche Verfahren, um Profile zu ranken. Bewertet werden nicht nur die Fotos der UserInnen, sondern auch das Verhältnis der vergebenen und erhaltenen Likes, sowie Zeitpunkt und Standort der Nutzung. Die Qualität der einzelnen Bilder ist bei Tinder essenziell. Die Bewertung, wer als gutaussehend gilt und wer nicht, scheint umso mehr die Oberflächlichkeit der App zu bekräftigen. Der Zufall, wie viele es suggerieren würden, spielt hier also keine Rolle. Die Plattformen lassen sich aber generell nicht wirklich in die Karten blicken, wenn es um das Thema Algorithmus geht. Allerdings gibt es eine Dating-App, die gezielt mit ihrem Bewertungssystem – dem sogenannten „Attraktivitäts-Score – wirbt: Once. Dahinter steckt  ein Marketingtrick, um Kunden auf die Plattform zu locken, so CEO Jean Meyer in einem Interview mit stern.de. Bei Once wird dem User nur ein Match pro Tag angezeigt. Das soll helfen, sich mehr auf sein Gegenüber einzulassen und das Tempo beim Flirten zu drosseln.  

Mit Wissenschaft zum Traumpartner  

Den bekannten Werbespruch von Parship, wonach sich alle 11 Minuten ein Single auf der Plattform verliebt, ist wohl jedermann bekannt. Was den potenziellen Nutzern eine schnelle und seriöse Partnersuche verspricht. Doch inwiefern unterscheidet sich das Matching-Verfahren auf Parship von jenem auf Tinder?  

Bei der größten und beliebtesten Partnervermittlungsplattform Deutschlands werden Vorschläge anhand eines psychologischen Persönlichkeitstests, der aus 80 Fragen besteht, generiert. Dabei spielen nicht nur Merkmale der eigenen Persönlichkeit, sondern auch Interessen, Vorlieben und Einstellungen beim Auswahlverfahren eine Rolle. Es sind aber auch Unterschiede in den einzelnen Bereichen, die hier einen Ausschlag geben. Zwei Personen, die exakt zu 100 % zusammenpassen, werden demnach nicht einander vorgeschlagen. Denn Gegensätze ziehen sich ja bekanntlich an. Parship wirbt zwar damit, Dating auf wissenschaftlicher Basis zu ermöglichen und den registrierten Nutzern somit perfekte Vorschläge ermitteln zu können. Jedoch zeigt Parship nicht alle passenden Profile auf einmal an, sondern dies passiert erst, nachdem die User sich mehrmals eingeloggt haben. Angesichts der recht hohen Preise, die zwischen 45,90 € und 74,90 € im Monat liegen, gilt auch hier „Date gegen Entgelt“.  

Back to the roots 

Auf den ersten Blick scheinen Algorithmen beim Online- Dating ein nützliches Hilfsmittel zu sein. Sie schlagen uns relevante Personen vor und ersparen uns dadurch viel “Mühe“. Auch für introvertierte Personen sind digitale Dating-Services hilfreiche Conversation Starter. Aber wollen wir uns wirklich heute von einer Künstlichen Intelligenz vorschreiben lassen, wen wir morgen daten? Meist sind es doch die zufälligen Begegnungen in der „Offline“ Welt, bei denen wir die interessantesten Persönlichkeiten kennenlernen. Ein Aspekt, der beim Online-Dating aufgrund der schieren Unmenge an Daten einfach durch den Filter fällt. Apps wie Tinder und Co. sind im Prinzip zu riesigen Fotodatenbanken avanciert, in denen ein Wettkampf um Attraktivität und Aufmerksamkeit herrscht. Mit einer ernsthaften Partnersuche hat das wenig gemein. Auch wenn Online-Dating ein netter Zeitvertreib ist, sollten sich die Betreiber in Zukunft mehr von der realen Dating-Welt abschauen und die Algorithmen für eine Zeit lang einfach mal nach links swipen. Dating-Algorithmen sind Anbahnungswerkzeuge, mehr nicht. 

Über den Autor

Copyright: Alexander Moser

Alexander Moser wurde 1996 in Lilienfeld geboren. 2022 schloss er das Bachelorstudium Medienmanagement an der FH St. Pölten erfolgreich ab. In seiner Freizeit beschäftigt er sich mit Themen wie Videoproduktion, Fotografie und digitale Technologien.

Kontaktmöglichkeit: mm191071@fhstp.ac.at