Veganismus und Aktivismus im Netz

Von Vanessa Huber und Patrizia Bruckner

Obwohl nach wie vor traditionelle Fleischgerichte fester Bestandteil in der österreichischen Küche sind, entwickeln die Konsument*innen von Fleisch- und Tierprodukten ein immer größeres Bewusstsein für das, was sie essen. So ist es kein Wunder, dass sich ein veganer Lebensstil immer größerer Beliebtheit erfreut. Dies könnte auch ein Effekt der vielen Aktivist*innen sein, die heutzutage vor allem im Netz auf ihre Mission aufmerksam machen wollen. Diese Aufmerksamkeit erhält man meistens jedoch nur, wenn man auf Social Media auch genug polarisiert. 

Immer mehr Menschen in Österreich entscheiden sich für eine vegetarische oder vegane Ernährungsweise. Das ist auch das Ziel vieler Tieraktivist*innen. 
Bild-Copyright: Patrizia Bruckner 

Egal ob ein deftiger Schweinsbraten am Sonntag, das alt bewährte Wiener Schnitzel im Wirtshaus oder die Rindsroulade der Oma. Die österreichische Hausmannskost wimmelt nur so von Fleisch. Für viele Menschen geht ohne totes Tier am Teller nichts. So landeten im Jahr 2021 fast 60 Kilogramm Fleisch auf den Teller jedes*jeder Einzelnen. Das sind rund vier bis fünf Portionen pro Woche, obwohl aus gesundheitlicher Perspektive nur maximal drei Portionen Fleisch empfohlen werden. Besonders klimaschonend ist diese Ernährungsweise auch nicht: Laut dem Klimaschutzbericht des österreichischen Umweltbundesamtes verursachte die Landwirtschaft im Jahr 2018 insgesamt 8,2 Millionen Tonnen CO2-Äquivalent. Das bedeute, sie sei für rund ein Zehntel der nationalen Treibhausgas-Emissionen verantwortlich. Hauptverursacher dafür sind vor allem Rinder, dessen Methan-Emissionen immerhin knapp fünf Prozent der nationalen Treibhausgase ausmachen. Daher forderte Greenpeace bereits 2018 im Zuge ihrer durchgeführten Studie „Klimaschutz und Ernährung“ die Reduktion des Fleischkonsums. Doch nicht nur Greenpeace, sondern auch die Tierschutzorganisation Vier Pfoten und die Umweltschutzorganisation GLOBAL2000 machen seit Jahren auf die Thematik aufmerksam. So veröffentlichten die beiden Organisationen gemeinsam mit der Heinrich Böll Stiftung im Jahr 2021 den sogenannten „Fleischatlas“, der auf die verheerenden Folgen für die Umwelt aufmerksam macht. 

Vegane Ernährung heißt nicht auf etwas verzichten zu müssen. Neben Obst und Gemüse gibt es mittlerweile auch vielerlei Ersatzprodukte wie Käse aus Kokosöl oder Bratstreifen aus Erbsenprotein, um den Umstieg zu erleichtern. 
Bild-Copyright: Vanessa Huber

Ernährung im Wandel 

Doch nicht nur das Klima, sondern auch die betroffenen Tiere, die für diese Unmengen an Fleisch sterben, leiden. So wurden vor zwei Jahren rund 106 Millionen Nutztiere geschlachtet. Dass in den Schlachtbetrieben grausame und tierunwürdige Bedingungen herrschen, zeigt der Verein gegen Tierfabriken (VGT) bereits seit Jahren auf. So bekommt das positive Image des Fleisches immer mehr Kratzer. Wo vor Jahren das AMA-Gütesiegel noch mit dem Slogan „Fleisch bringt’s“ warb, wird heute nicht mehr nur der gesundheitliche Aspekt des Fleisches, sondern auch das AMA-Gütesiegel als Qualitätsmerkmal in Frage gestellt. Deckte der VGT doch erst im vergangen Dezember 2022 auf, unter welch prekären Umständen Hühner in einem AMA-zertifizierten Hühnermastbetrieb leben und misshandelt werden. Doch nicht nur die Skandale häufen sich, sondern auch die Menschen, die diese Weise der Ernährung überdenken und ändern. So lebten laut der Veganen Gesellschaft Österreichs im Jahr 2021 bereits 106.000 Veganer*innen und 840.000 Vegetarier*innen im Land. Und sogar rund 30 Prozent der Gesamtbevölkerung sind Flexitarier, also reduzieren ihren Fleischkonsum bewusst. Dass sich in Zukunft noch mehr Leute pflanzlich ernähren werden, ist sich auch die Diätologin Lena Gießwein sicher. „Dieser aktuelle Trend ist wichtig, weil die pflanzliche Ernährung viel umweltfreundlicher ist als die typisch österreichische Ernährung. Es lässt sich einiges an Treibhausgasen vermeiden und man verbraucht auch weniger Ressourcen, wenn man die Pflanzen direkt isst, als über den Umweg Tier. Ich denke, dass sich der Trend in Zukunft sicher noch verstärken wird mit den Generationen, die aufwachsen und noch etwas vom Planeten haben möchten“, erklärt sie im Interview. 

Werbungen wie diese sollen suggerieren, dass es legitim sei Tiere und ihre Produkte zu essen ohne dass der*die Konsument*in sich dabei schlecht fühlen müsse. 
Bild-Copyright: Vanessa Huber

Der grüne Lebensstil 

Doch was ist dieses vegan nun eigentlich? Kurz gesagt, vermeiden Veganer*innen alle tierischen Produkte, egal ob am Teller wie Fleisch oder Honig, aber auch Wolle oder Pelz bei Kleidung. Sie essen oder verwenden nichts, das tierischen Ursprungs ist, um nicht nur der Umwelt, sondern vor allem den Tieren etwas Gutes zu tun. Sie entscheiden sich mit ihrer Ernährungsweise bewusst gegen die Ausbeutung und Tötung von Lebewesen. Doch genau bei diesem Argument stoßen Veganer*innen oft auf Widerspruch. Ein häufig vorgetragenes Argument ist es, dass auch Pflanzen Lebewesen sind. Grundsätzlich ist dies korrekt. Wichtig hierbei ist jedoch zu erwähnen, dass Pflanzen im Gegensatz zu Tieren laut aktuellem wissenschaftlichem Stand kein zentrales Nervensystem und keine Schmerzrezeptoren besäßen. Tiere könnten jedoch Schmerz und Gefühle, wie Menschen, empfinden. Das bedeutet streng genommen, dass jedes Schnitzel, das man isst, das Ergebnis eines Mords ist. Dass Menschen den Tod eines Tieres als weniger schlimm wahrnehmen, als den eines anderen Menschen fällt unter den Begriff Speziesismus. Dieser beschreibt die Diskriminierung von nicht-menschlichen Tieren und ihre Ausbeutung als Nahrung, Forschungsobjekte, Bekleidungsmaterialien oder Spielzeug. Der Mensch sieht sich daher in einer höheren Position als andere Tiere, obwohl der Mensch streng genommen ebenfalls ein Säugetier ist. Um auf diesen Umstand hinzuweisen, kämpfen bereits seit Jahren Tierschützer*innen für mehr Tierrechte. Doch nicht nur auf den Straßen, sondern auch im Netz versuchen sie auf das Leid der Tiere aufmerksam zu machen. Und obwohl die eigene Ernährung für viele Menschen eine persönliche Entscheidung ist, wird sie für diese Leute oft zur persönlichen Mission. 

So glücklich wie diese Hühner auf der freien Wiese sind nur die wenigsten. Die meisten Tiere leben in Käfighaltung oder engen Ställen ohne an die frische Luft zu kommen. 
Bild-Copyright: Vanessa Huber

Verschiedene Vermittlungsansätze 

Eine von ihnen ist Raffaela Raab, auch besser bekannt als die Militante Veganerin. Die Ärztin aus Wien sorgte in der Vergangenheit für viele Schlagzeilen. Große Bekanntheit erlangte sie durch ihre viralen Clips auf TikTok, in denen sie ihre Aktionen dokumentiert. Egal, ob in Unterwäsche oder im Kuhkostüm herumzulaufen, Raab scheint sich für nichts zu schade zu sein, um ihren Anliegen Ausdruck zu verleihen. Durch ihre kontroversen Videoinhalte stieg auch ihr Bekanntheitsgrad rasant an. Außerdem polarisierte sie in der Vergangenheit mit ihren Aussagen über Fleischesser*innen und Speziesismus und verglich so beispielsweise den Holocaust mit der Massentötung von Tieren (Drittes Video von oben). Auch Jonas Ems, der bereits seit über 10 Jahre Webvideoinhalte auf YouTube veröffentlicht, möchte auf den veganen Lebensstil und die Misshandlung von Nutztieren aufmerksam machen. Seit Beginn 2022 widmet er seinen YouTube-Kanal der Aufklärung in seiner Sache. Im Gegensatz zu Raab wählt er jedoch einen anderen Weg: Mit ruhigem Duktus versucht er den Menschen Tierquälerei sachlich zu erklären und den veganen Lebensstil somit weniger aggressiv wirken zu lassen. Apropos aggressiv: Wann geht Aktivismus zu weit? 

Sich für Tierschutz einzusetzen, ist wichtig, das steht zweifelsfrei außer Frage.  
Doch inwiefern kann man das mit pornografischen Inhalten erreichen?  
Bild-Copyright: Screenshot vom öffentlichen Teil des OnlyFans-Accounts von Raffaela Raab alias Der Wilden Veganerin, abgerufen am 22.04.2023.

Aktivismus um jeden Preis (?) 

Grundsätzlich wird unter Aktivismus die Ausübung von Grundrechten verstanden, der gleichzeitig dazu dient selbige zu stärken. Radikaler Aktivismus soll dazu beitragen die Zustände auch tatsächlich zu verändern. Die höchste Stufe von Aktivismus, also Extremismus, kann sogar Gefahr für Personen und Unternehmen, gegen die sich die Aktivist*innen wenden, bedeuten. Das Engagement der Militanten Veganerin könnte man zur zweiten Stufe des radikalen Aktivismus zählen, da militant bedeutet bewusst kämpferisch für eine Überzeugung einzutreten. Ob Raab jedoch rein aus Herzensgüte für die Tierrechte kämpft oder nur um sich selbst zu vermarkten, sei dahingestellt. Im April 2023 gab sie auf Instagram bekannt, dass sie ihre Aufklärungsarbeit via Social Media auf einen OnlyFans-Kanal erweitert, wo sie nicht nur freizügige Fotos, sondern auch pornographisches Material hochlädt. Sie selbst bezeichnet das auf ihrem OnlyFans-Account als „(sexuelle) Freiheit für Mensch und Tier“. Es steht jedoch außer Frage, dass Aktivismus wichtig ist, um auf Missstände in der Gesellschaft hinzuweisen. So bewertete auch Ems bewertete die Aktion von Raab mit einem Satz: „Ich glaube, dass es dem Veganismus eher schadet als guttut.“ (Minute 18)  

Über die Autorinnen 

Bild Copyright: Vanessa Huber

Vanessa Huber ist 24 Jahre alt und studiert im 4. Semester Medienmanagement an der FH St. Pölten. Seit Dezember 2021 schreibt sie als freie Redakteurin für die Bezirksblätter Niederösterreich und hat bereits einen Artikel in der Print-Ausgabe von SUMO veröffentlicht.  

E-Mail: vanessa-jennifer-huber@gmx.at

Bild Copyright: Patrizia Bruckner

Patrizia Bruckner ist 23 Jahre alt und studiert Medienmanagement an der FH St. Pölten. Sie ist ein großer Fan von kurzen Mittagsschläfchen. Erholt und ausgeschlafen geht sie dann gerne ihren Leidenschaften der Fotografie, dem Mediendesign und dem Lesen nach. 

E-Mail: bruckner.patrizia@gmail.com