DIE ZUKUNFT DES KINOS – WIE KI DIE FILMINDUSTRIE REVOLUTIONIERT

Von Leon Flurer und Sebastian Püttner

In einer Welt, in der Technologie und Innovation ständig neue Maßstäbe setzen, wird auch das Kinoerlebnis neu definiert. 
Bild – Copyright: Zoran Zeremski – stock.adobe.com 

Das Kino ist seit mehr als einem Jahrhundert eine beliebte Freizeitbeschäftigung. In den vergangenen Jahren hat sich die Filmindustrie aufgrund der zunehmenden Digitalisierung und der Veränderungen im Konsumverhalten der Zuschauer allerdings stark verändert. Nun steht die Filmindustrie erneut vor einer großen Herausforderung – der dritten industriellen Revolution durch künstliche Intelligenz (KI). 

Das US-Unternehmen OpenAI hat in den vergangenen anderthalb Jahren deutliche Fortschritte mit seinen KIs Dall-E 2 und ChatGPT erzielt. Diese rasanten Entwicklungen machen auch vor Hollywoods Hügeln keinen Halt. Nach Text und Bild ist Video der nächste Schritt für kreative KI. Sie kann dazu beitragen, das Kino-Erlebnis zu optimieren, indem sie neue Möglichkeiten der Filmproduktion, der Analyse von Zuschauerdaten und der personalisierten Werbung bietet. In diesem Beitrag werden wir uns damit beschäftigen, wie KI die Zukunft des Kinos verändern wird und welche Auswirkungen das auf die Filmindustrie haben könnte. 

Watson erstellt Trailer in Rekordzeit 

Obwohl sie erst vor nicht allzu langer Zeit Einzug in den Mainstream gehalten hat, ist die Anwendung von KI in der Filmindustrie nichts Neues. Bereits im Jahr 2016 hat die Filmproduktionsgesellschaft 20th Century Fox mit dem IT- und Beratungsunternehmen IBM und dessen Supercomputer Watson zusammengearbeitet, um den ersten „kognitiven Trailer“ für den Horrorfilm Morgan zu produzieren. Dazu wurde die KI mit den Trailern von 100 Horrorfilmen trainiert. Anschließend analysierte sie den Film Morgan und filterte die passenden Stellen heraus, aus denen dann ein Produktionsteam den Trailer zusammensetzte. Wofür Menschen in der Regel zehn bis 30 Tage benötigen, brauchte Watson ungefähr 24 Stunden. 

KI erweckt Videos zum Leben 

Der Einsatz von KI in der Filmindustrie erschöpft sich jedoch nicht allein in der Analyse und der Auswahl von Trailer-Material. Seit dem Pilotprojekt mit Watson hat sich die Technologie rasant weiterentwickelt und die Tür für noch innovativere Anwendungen geöffnet. So kann KI etwa anhand von bestehendem Videomaterial ein neues Video erschaffen. Ein Beispiel dafür ist das Programm Gen-1 von dem KI-Start-up Runway.  

Es ist in der Lage, den Stil, die Komposition oder den Inhalt eines Videos zu manipulieren. Dazu genügt ein Textbefehl (Prompt) oder eine Bildvorlage, welche das System als Referenz verwendet. Dieses Verfahren nennt sich Video-to-Video. Runway, das bereits am Bild-Generator Stable Diffusion beteiligt war, hat im Juni 2023 Gen-2 veröffentlicht. Der Nachfolger ist die erste öffentlich zugängliche KI, die Videos lediglich anhand von Texteingaben erstellen kann (Text-to-Video).  

Interessierte mussten sich vorerst über den Discord-Server des Unternehmens auf eine Warteliste setzen lassen. Womöglich wollte Runway damit der Konkurrenz zuvorkommen, denn sowohl Meta als auch Google haben ebenfalls bereits angekündigt, dass sie an Plattformen arbeiten, die Textbefehle oder Bilder in Videos konvertieren können. Mittlerweile ist Gen-2 für alle über die Website des Unternehmens und als App für iOS verfügbar. 

Gen-2 kann Textanweisungen in einen kurzen Videoclip verwandeln. 
Bild Copyright: Runway 

Die digitale Änderung des Alters 

Doch KI kann nicht nur in den bereits erwähnten kreativen Prozessen unterstützen, sondern auch im ökonomischen Bereich helfen. Ein anschauliches Beispiel hierfür ist das Konzept des Re-Aging, bei dem Gesichter altern oder verjüngt werden, um Arbeitsstunden in der Postproduktion einzusparen. In diesem Prozess übernimmt KI die Verantwortung für diese Aufgabe. Disney entwickelte Ende 2022 FRAN (Facial Re-Aging Network), ein Instrument, welches genau das erreichen möchte. Es ist also nur eine Frage der Zeit, bis die digitale Änderung des Gesichts in Hollywood salonfähig wird und nicht mehr mit menschlicher Hand geschehen muss. Ein Beispiel, dass dieser Spezialeffekt bereits eingesetzt wird, findet sich im fünften Teil der Indiana Jones-Reihe, in dem Harrison Ford digital verjüngt wurde. 

Erfolgsprognose mit KI 

Mithilfe von KI können also sowohl Arbeitszeit als auch finanzielle Ressourcen eingespart werden. Doch bevor es zur Produktion kommt, muss das Filmstudio die zentrale Frage beantworten, ob der geplante Film finanziell erfolgreich werden kann. Um dieses Problem zu lösen, entwickelte ein Startup in Los Angeles ein Analyse- und Prognose-Tool, das mithilfe von KI den kommerziellen Erfolg eines Films voraussagen kann. Was sich wie eine Kristallkugel anhört, ist Realität und wird bereits von Filmstudios wie Warner Bros. und Sony Pictures genutzt. Cinelytic analysiert dabei z.B. Genre, Hauptdarsteller*innen, geplantes Veröffentlichungsdatum etc. eines Films und findet so heraus, wie viel Geld das Studio einnehmen könnte. Darüber hinaus können Nutzer*innen von Cinelytic verschiedene Variablen ihres Filmes verändern und so herausfinden, wie sich diese auf den Erfolg auswirken. Wäre z.B. ein Blockbuster mit Emma Watson als Hauptrolle in Planung, so kann Cinelytic vorhersagen, wie eine andere Schauspielerin das Einspielergebnis verändern würde. Als Beleg für ihre Prognose-Genauigkeit veröffentlicht Cinelytic am Ende jedes Monats einen Vergleich zwischen dem vorhergesagten und tatsächlichen Einspielergebnis. Im Jänner und Februar 2023 lag diese Genauigkeit bei ungefähr 90%

Die Vorhersage von Cinelytic für den Film Detective Pikachu
Bild Copyright: Cinelytic 

Der erste Arbeitskampf gegen KI 

Die Fortschritte im Bereich der Künstlichen Intelligenz erweisen sich für Filmproduzenten also als äußerst attraktiv. Sie ermöglichen sowohl Kosteneinsparungen als auch eine präzisere Prognose des finanziellen Erfolgs. Dennoch löst dies nicht bei allen Akteuren in der Branche Jubel aus. Denn seit Anfang Mai 2023 streiken in Amerika die Drehbuchautor*innen. Der Hauptfokus dieses Streiks liegt zwar auf den ungleichen Mindestgehältern von Drehbuchautor*innen in TV und Streaming – eine weitere Forderung ist jedoch auch, dass Künstliche Intelligenz wie ChatGPT nur als Hilfsmittel bei der Recherche oder zur Unterstützung von Drehbuchideen eingesetzt wird und nicht als Werkzeug, welches die Autor*innen selbst ersetzt. Schon jetzt, bevor die KI in diesem Bereich ausreichend entwickelt ist, bangen diese Leute um ihren Job – das ist also erst der Anfang.

ChatGPT wird zum Autor und verfasst ein Drehbuch für einen Kurzfilm. 
Bild Copyright: OpenAI 
Benutzer: Sebastian Püttner 

Die Zukunft des Kinos 

Die Filmindustrie hat bereits deutlich von den fortschrittlichen Technologien profitiert, die heute verfügbar sind. Durch die Anwendung von Künstlicher Intelligenz lassen sich Trailer schneller und präziser erstellen, Gesichter digital verjüngen und sogar Vorhersagen über den kommerziellen Erfolg von Filmen treffen. Diese Veränderungen in der Produktion und Vermarktung von Filmen sind jedoch erst der Anfang. Mit der raschen Entwicklung von KI-Technologien ist zu erwarten, dass noch mehr Innovationen und Fortschritte in der Filmindustrie möglich sein werden, die zu noch einfacheren und kosteneffektiveren Produktionsprozessen führen können. Jedoch müssen sich die Verantwortlichen gleichzeitig Gedanken machen, wie diese Entwicklungen integriert werden, ohne den Unmut der Arbeitenden in der Industrie auszulösen. 

Über die Autoren 

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Leon Flurer ist 21 Jahre alt und studiert Medienmanagement an der FH St. Pölten. Er ist Filmliebhaber und begeisterter Kinobesucher, erfreut sich darüber hinaus auch in der Kochkunst.  

mm211025@fhstp.ac.at | Leon Flurer – Wien, Wien, Österreich | Berufliches Profil | LinkedIn

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Sebastian Püttner ist 25 Jahre alt und studiert Medienmanagement an der FH St. Pölten. Er hat eine Leidenschaft für Design, Inneneinrichtung sowie Ausdauer- und Kraftsport.