„Vlogging“ und wer zu seinem Erfolg beiträgt

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Seit auf „YouTube“ das Modell des „Vloggens“ populärer wurde, machen immer mehr Menschen viel Geld mit ihren Videos, in den erfolgreichsten Fällen im zweistelligen Millionenbereich.

„Vlogging“: what is it & who watches?

Die Definition von „Vlogging“ ist keine einheitliche. Teilweise wird simpel ein im Stil eines Tagebucheintrags gestaltetes Video als „Vlog“ gezählt, während in breiteren Definitionsansätzen auch Make-Up-Tutorials und Gaming-Videos zu dem Modell gezählt werden. In diesem Artikel wird mit der breiteren Definition gearbeitet.

Die UserInnen gehören meist der jüngeren Generation an. Aus einer FORSA-Umfrage resultiert, dass 42% der Jugendlichen zwischen 12 und 17 Jahren täglich Inhalte auf „YouTube“ ansehen. On top: Musikvideos, Film-Trailer, dann folgen Tutorials, und auch „VloggerInnen“ sind stark vertreten.

 

Ranking und Verdienste

In der Liste der zehn bestverdienenden „YouTuberInnen“ befinden sich fünf Kanäle, die ausschließlich oder zumindest überwiegend Videos mit Gaming-Inhalten hochladen. Die weiteren Plätze werden von drei klassischen „VloggerInnen“ sowie einem Sport-Kanal und einem Spielzeug-Rezensionen-Kanal besetzt. Jede Person in diesem Ranking konnte 2016/17 über zehn Millionen US-Dollar über ihren Kanal einnehmen, die meisten der Topverdiener sind etwa 30 Jahre alt und schon seit einigen Jahren auf „YouTube“ aktiv.

 

Das Geschäftsmodell von „YouTube“ lässt in vorwiegend drei Bereiche gliedern. Eine neuere Einnahmequelle besteht aus Abonnements des werbefreien „YouTube-Red“.  Die zweite Quelle ist die Schaltung von Werbebannern oder die priorisierte Reihung von Videos.  Die bekannteste besteht darin, dass Werbetreibende ihre Inhalte zielgruppenspezifisch vor beziehungsweise während Videos von „YouTube“-Partner schalten. Die Veränderungen in den Algorithmen hinter der Plattform lassen die Einnahmen stark schwanken und machen sie dadurch zu einer unzuverlässigen Einnahmequelle für Externe. „YouTube“ behält laut Investopedia 45% der Werbeeinnahmen, 55% lukrieren die „YouTube“-Partner. Über „Influencermarketinghub.com“ kann aus den „Total Views“ und die „Estimated Lifetime Earnings“ errechnet werden, dass die nach „Forbes“ Top 6-„YouTuber“ über den Zeitraum ihres gesamten „YouTube“-Daseins etwa 2,42 US$ pro 1.000 ZuseherInnen einnahmen. Und diese Stars verfügen über solche in zweistelliger Millionenhöhe.

 

Wer sind die ZuseherInnen?

Eine Statistik von „eMarketer“ ergab, dass im Jahr 2017 weltweit 1,47 Milliarden Menschen die Plattform „YouTube“ genutzt haben – Tendenz steigend. Wenn man sich die Verteilung nach Altersgruppen ansieht, hatte im Jahr 2016 über ein Drittel der 16-24 Jahre alten NutzerInnen Videos von Berühmtheiten oder „VloggerInnen“ angesehen – ältere UserInnen weit weniger. Nachdem die Nutzerzahlen und auch die Zahl an „YouTuberInnen“, die über eine Million AbonnentInnen verfügen konstant weiter gestiegen sind, kann davon ausgegangen werden, dass diese Zahlen im Jahr 2018 noch höher ausfallen.

 

Doch warum „vloggen“ Menschen?

Sandra Gerö, Psychologin und Medienpädagogin in Wien, erläutert, dass „Vlogs“ eine lange Geschichte haben. Der Ursprung liegt in Tagebüchern (Logs). Abenteurer haben in der Vergangenheit Logs geführt, auch Buchhalter. Die Erfindung des WWW ermöglichte es, ein Tagebuch online zu führen und dadurch auch mit anderen Menschen zu teilen. Dieses Teilen von Informationen über eine/n selbst oder seine Umgebung ist laut Gerö durch das menschliche Urbedürfnis, nicht vergessen zu werden und sich anderen Menschen und künftigen Generationen gegenüber zu präsentieren erklärbar. Somit dient ein Vlog demselben Zweck wie seine Initialen in einen Baum zu ritzen, nämlich um zu sagen: „Ich war hier!“

Auf „YouTube“ existiert jedoch im Gegensatz zu dem Positionieren in der analogen Welt die Möglichkeit nahezu in Echtzeit Feedback zu bekommen. Dieses Feedback ist laut Gerö auch der größte Ansporn, ein virtuelles Tagebuch weiterzuführen. „Wo es ein Publikum gibt, gibt es auch Menschen, die es füttern.“

 

Wer sieht sich das an?

Gerö skizzierte auch die drei Hauptgründe, sich diese alltäglichen Videos anzusehen.

Entschleunigung:

Jugendliche stehen laut diverser Studien bei weitem unter mehr Stress als vor zehn Jahren. Dieser Stress wird nicht nur durch den Zwang online präsent zu sein hervorgerufen, sondern auch durch die Art und Weise, wie Filme produziert werden. Durch immer mehr Action und schnelleren, drastischeren Schnitt wird der Mensch mit Reizen überflutet. Bei einem Video, das langsam, mit wenig Schnitten und alltäglichen Themen produziert wird, fällt es leichter sich zu entspannen. Dieser Meinung ist auch eine 20-jährige „YouTube“-Nutzerin in ihrem Interview mit SUMO. Sie verfolgt die Videos einer Vielzahl von „YouTuberInnen“ und sieht sich täglich Make-Up-Tutorials oder andere „Vlogs“ an: „Manchmal möchte ich mir einfach etwas erzählen lassen. Oft höre ich auch gar nicht so genau zu, was eigentlich geredet wird und erledige andere Sachen, während ich die Videos laufen lasse.“

Das Bedürfnis nach Alltag und sozialen Kontakten:

Die Online-Suche nach sozialen Kontakten ist wohl so alt wie das Internet selbst, sei es über Dating-Apps oder Website,s auf denen man mit anderen Menschen anonym kommunizieren kann (wie „Chatroulette“ oder „Omegle“). Ein weiterer Faktor für „YouTube“ als Ersatz von Offline-Kontakten ist laut Gerö, dass es einfach ist, das Leben anderer Menschen online zu verfolgen, da diese keine Ansprüche stellen. Wenn man sich mit realen FreundInnen oder Verwandten trifft, so haben sie oft Ansprüche oder wollen Persönliches über ihr Gegenüber erfahren. Interessant sind „Vlogs“ für jede/n, egal ob Personen selbst einen eintönigen oder unregelmäßigen Alltag haben. Man nutzt sie, um Anderen beim Leben zuzusehen – auf unverbindliche Art. Der Vergleich mit einer Fernsehserie, die man nachverfolgt liegt nahe, da in den Augen vieler „YouTube“-NutzerInnen „Vlogs“ eine ähnliche Kontinuität in „Episoden“ repräsentieren.

Neugier:

Was von vielen Menschen fälschlich als Voyeurismus abgestempelt wird, kann von einem psychologischen Standpunkt aus viele Nuancen haben. Das Wort Voyeurismus bezeichnet eine psychische Störung und kann so nicht auf die allgemeine Neugierde des Menschen angewendet werden. Viel besser passen Worte wie Schau- oder Sensationslust, um das unstillbare Interesse am Leben anderer Menschen zu beschreiben. Dieses Bedürfnis, das sich auch zeigt, wenn ins nachbarliche Fenster gelugt wird, ist tief in der Natur des Menschen verankert. Ganze Industrien – auch unabhängig von Medien – leben davon, dass Menschen sehen wollen, was auf der Welt passiert. Den Ursprung hat dieses Bedürfnis nach Information, was im Umfeld passiert, darin sich selbst und seine Familie vor etwaigen Gefahren zu schützen. Auch die interviewte 20-Jährige „YouTube“-Nutzerin kennt die Sensationslust von der Plattform. Sie erzählt von so genannten Clickbait-Videos („Klick-Köder“), zu denen „YouTuberInnen“ nach Aufmerksamkeit heischende Titel und Thumbnails erstellen, die wenig bis nichts mit dem Video zu tun haben. Gerade diese Videos erzielen hohe Aufrufzahlen.

 

Auf diversen Marketingplattformen wird „Vlogging“ daher als die Marketingstrategie der Zukunft schlechthin gehandelt. Im Gegensatz zu klassischen Werbeformaten wird eine persönliche Verbindung zu den KundInnen in den Mittelpunkt gestellt und ist somit besonders attraktiv für Unternehmen. Die steigenden Userzahlen sprechen ebenfalls für eine Steigerung des Interesses als Werbekanal und somit für die Veränderung von „Vlogging“ zu einer noch stärker durch Werbeinhalte getriebenen Art der Videoproduktion. Und der Kreis schließt sich, wenn heutige Kinder „YouTuber“ als Berufswunsch nennen und anhand von Marken Buchstaben lernen.

 

Von Johanna Schrey

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