Wie „Bibis Beauty Palace“ die heimischen Kinderzimmer erobert

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Ist „YouTube“ das neue Pokemon, Nintendogs oder Sims? Ist man heute out, wenn man „YouTube“ nicht nutzt? Zu diesen und anderen Fragen interviewte SUMO Kinder, Eltern und LehrerInnen.

Kinder – was läuft?

Laut der aktuellen Studie 2016 zu Kindheit, Internet, und Medien (KIM) handelt es sich bei „YouTube“ um das dritt-beliebteste Internetangebot unter Kindern zwischen sechs und 13 Jahren. Fernsehinhalte und anderes Bewegtbild stehen unbegrenzt und rund um die Uhr zur Verfügung, weswegen die Videoplattform seit vielen Jahren als eine der stärksten Konkurrenten des linearen Fernsehens angesehen wird. Noch können klassische TV-ProduzentInnen aber aufatmen. Aus der KIM geht hervor, dass nach wie vor der gute alte Flimmerkasten das beliebteste Medium in dieser Altersklasse ist. Dennoch, der Triumphzug von „YouTube” scheint nicht mehr aufhaltbar. 17 Prozent der Befragten gaben an, jeden Tag ein „YouTube”-Video anzusehen 33 Prozent tun dies mehrmals die Woche und knapp 20 Prozent nutzen die Videoplattform zumindest selten. Je höher das Alter, desto schneller wächst die prozentuale Nutzung. So liegt der Wert für eine Nutzung mindestens einmal wöchentlich bei den 12- bis 13-Jährigen schon bei zwei Drittel der Befragten. Von allseits beliebten Katzenvideos, vertonten Standbildern, wackeligen Handyfilmen über hochprofessionelle Videoclips bis hin zu klassischen Serien und Filmen – die Plattform bietet etwas für jeden Geschmack. Unter den beliebtesten Genres bei Kindern befinden sich laut der KIM Musikvideos, Comedy oder lustige Clips. Eine der vordersten Rollen im Ranking der Top-Genres nehmen außerdem Tier-Videos ein, gefolgt von Sport- oder Beauty-Videos und nicht zu vergessen, Tutorials.

 

Faktencheck auf steirisch

Ein kleines beschauliches Dorf in der Südsteiermark, es ist Sonntag. Zwei Familien haben sich bereiterklärt, die Fragen zweier SUMO-Redakteurinnen zum Thema „YouTube‘ und Kinder“ zu beantworten. „‚YouTube‘, da sind Leute, die drehen gerne Videos und die nennt man dann ‚YouTuber‘“, erklärt die 12- jährige Lisa* auf die Frage, was sie unter dem Beruf versteht. Eine viertel- bis halbe Stunde täglich nutze sie die Videoplattform – mehr aber nicht, danach gehe sie lieber im Freien spielen. Wir haben es gewusst, am Land ist die Welt eben doch noch in Ordnung. Auf die Frage, ob die „YouTube“-Nutzung in ihrem Freundeskreis oder auch in der Schule normal ist, oder sogar eine Notwendigkeit um „cool“ zu sein, stimmt Lisa jedoch zu. Viele Kinder, die sie kenne hätten schon mit sieben Jahren ein eigenes Handy gehabt und würden damit nun auch regelmäßig „YouTube“ nutzen. Ob „YouTube“ ein relevantes Thema in der Schule ist, kann uns Lisas Mutter nicht beantworten. Sie bestätigt jedoch, dass Handys inzwischen auch in der Volksschule kaum mehr wegzudenken sind: „Hast du ein Handy oder hast du keines? Wir waren mehr oder weniger gezwungen. Lisa war mit zehn Jahren die letzte in ihrer Klasse, die ein Handy bekommen hat.“ Ihre beiden Töchter dürfen „YouTube“ grundsätzlich nutzen. Für ihre jüngere Tochter hat sie allerdings „YouTube Kids“, die kindergerechte App, auf dem iPad installiert. Lisas Mutter ist dabei durchaus bewusst, dass die „YouTube“-Nutzung ihrer Töchter primär zur Unterhaltung erfolgt. Videos für die Schule würde sich Lisa nicht ansehen, sagt sie. Als wir Lisa selbst danach fragen, erhalten wir ein trockenes Lachen als Bestätigung: Denn die Neue-Mittelschülerin bevorzugt lustige Videos und Schmink-Tutorials.

Auch Thomas*, 8 Jahre, nutzt „YouTube“ rein aus Unterhaltungszwecken und schaut gerne „Ninjago“-Videos. In seiner Klasse ist „YouTube“ mittlerweile ein beliebtes Pausengespräch. Eine halbe Stunde in der Woche darf der Volksschüler „YouTube“-Videos ansehen, behauptet er. In der Schule gebe es prinzipiell ein Handy-Verbot, am Nachmitttag würde aber jede/r die Plattform nutzen. Paul*, der jüngere Bruder von Thomas, geht in den Kindergarten. Auch er dürfe hin und wieder auf „YouTube“ mitschauen, die Inhalte werden, meint er, jedoch von den Eltern oder vom großen Bruder für ihn ausgewählt. „Selbst nutzen dürfen die beiden ‚YouTube‘ nicht. Wenn, dann dürfen sie Musikvideos bei mir mitschauen“, erklärt der Vater der Burschen. Tja, lieber Thomas und Paul: Beschwerden im Falle einer nachträglichen Strafe zur eigentlich verbotenen „YouTube“-Nutzung bitte an die SUMO-Redaktion.

 

Und was sagen die LehrerInnen?

Schauplatzwechsel, hin zu den PädagogInnen, mit denen Kinder neben Eltern, Geschwistern und MitschülerInnen einen Großteil ihrer Zeit verbringen.

SUMO sprach mit Yasmin Winter, Volksschullehrerin in Wien, Iris Berger, Professorin für Mathematik und Physik an einem Gymnasium in Linz und Matthias Prumofsky, Volksschullehrer in der Nähe von Graz. Alle drei verwenden „YouTube“ zu Unterrichtszwecken. Prumofsky und Winter eher zur visuellen Unterstützung bei Bastelarbeiten oder um Lieder vorzuspielen, Berger veranschaulicht ihren SchülerInnen mit Hilfe von „YouTube“ aufwendige Experimente, für die im regulären Lehrplan zu wenig Zeit zur Verfügung steht.

Probleme bezüglich der „YouTube“-Nutzung durch SchülerInnen ergeben sich laut den drei PädagogInnen nicht. An allen drei Schulen gilt ein Handy- und Tablet-Verbot im Unterricht und in den Pausenzeiten. „Meiner Meinung nach ist das Verbot sehr gut, weil die Kinder in der Freizeit ohnehin sehr viel Zeit mit dem Handy verbringen und das dann nicht auch noch in die Schule getragen werden sollte“, argumentiert Berger. Wie das Handyverbot bei den Kindern ankommt? „Es gab noch keine Anfrage, dass die Kinder es anders wollten. Für sie ist es normal, kein Handy in der Schule zu haben. In der 4. Klasse geben die Eltern zwar schon teilweise Handys mit, wenn zum Beispiel der Schulweg sehr lange ist. Im letzten Jahr war dann einmal ein Handy nicht auf lautlos geschaltet und so habe ich das mitbekommen, dann aber gleich abdrehen lassen“, so Yasmin Winter, Lehrerin einer 1. Volksschulklasse.

Im kommenden Jahr muss digitale Grundbildung in den Lehrplan an Schulen integriert werden. In der Volksschule von Prumofsky wird schon heute investiert, so macht beispielsweise eine seiner Kolleginnen eine Ausbildung für eEducation. Manche Kinder seien den Umgang mit dem PC betreffend schon geübter als andere, für andere wiederum sei der PC ein rotes Tuch. Dass diese „YouTube“ rezipierende und Social Media nutzende Generation der Digital Natives teilweise Schwierigkeiten habe, das Word-Programm zu öffnen ist für uns SUMO-Redakteurinnen überraschend. Gerade aus diesem Grund findet auch Berger die Einführung der digitalen Grundbildung notwendig. Oftmals überschätze sie die digitalen Fähigkeiten ihrer SchülerInnen, da diese zwar „Whats-App“ und „Facebook“ verwenden, bei der Erstellung von PowerPoints jedoch an ihre Grenzen stoßen. Yasmin Winter steht der Einführung des neuen Schulfaches kritisch gegenüber. Zwar hält sie ein Basiswissen für sinnvoll, einen übermäßigen Einsatz von Medien jedoch für nicht erstrebenswert: „Um das Wachstum einer Pflanze näherzubringen, muss ich mir kein ‚YouTube‘-Video anschauen. Gerade in unserem Bezirk, wo es in der Schule einen sehr hohen Migrationsanteil gibt, ist es wichtig, dass die Kinder spüren, greifen und begreifen.“

 

What about safety?

Eine wichtige Frage, mit der Eltern wie auch PädagogInnen regelmäßig konfrontiert sind ist jene nach der Sicherheit der Kinder auf „YouTube“. Um Ängsten von Eltern und LehrerInnen zu begegnen, hat „Google“ vor wenigen Jahren die Plattform „YouTube Kids“ ins Leben gerufen. Die Idee hinter dem Angebot: Eine App, die ausschließlich altersgerechte Videos zur Verfügung stellt, über die Erwachsene die volle Kontrolle haben und die junge Zielgruppe bereits im Kindergartenalter mit putzigen Charakteren und niedlichen Kinderreimen abholt. In Österreich ist das Angebot nach wie vor relativ unbekannt, in Deutschland wurde die App bereits über 45 Millionen Mal heruntergeladen. „Google“ hat also einen Bedarf erkannt und danach gehandelt: alles gut und schön und Friede, Freude, Eierkuchen. Nun ja, nicht ganz. Die bunte, harmlose und zuckersüße Welt auf „YouTube Kids“ entpuppt sich auf den zweiten Blick teilweise als nicht ganz so kindgerecht wie zu Beginn proklamiert.

Die britische Comic Figur „Peppa Pig“, ein nettes Schweinchen im roten Kleid, spielt in einigen Videos auf einmal nicht mehr mit George dem Dinosaurier, sondern trinkt in einem Clip Bleichmittel. Unter das Angebot der App mischen sich plötzlich Videos, in denen Kinderbuchfiguren überfahren, mitunter sexuell belästigt werden oder grausam sterben. Quelle dieser eindeutig nicht kindgerechten Beiträge auf der Videoplattform ist in vielen Fällen eine Trollkultur. Der Autor und Schriftsteller James Bridle (u.a. tätig für „The Guardian“) beschreibt die Videos einiger Kanäle in einem seiner Beiträge wie folgt: als kindgerecht getarnte Videos, zusammengeschnitten aus animierten Figuren, Reimen und Erklärungen und mit Schlagwörtern getaggt, die auf „YouTube Kids“ beliebt sind. Teilweise haben eben jene Kanäle Millionen AbonnentInnen – das Impressum jedoch fehlt in vielen Fällen.

Trotz dieses Problems bietet „YouTube Kids“ den Eltern einen entscheidenden Vorteil gegenüber dem klassischen „YouTube“: ein wenig mehr Kontrolle. Nutzungsdauer und Lautstärke können von den Eltern vorab bestimmt werden. Ebenso beeinflusst werden kann die Auswahl der zur Verfügung stehenden Videos, die Suchfunktion lässt sich deaktivieren. Abgesichert werden diese Einstellungen über ein Passwort für den elterlichen Account. Zensur im Kinderzimmer gewissermaßen. Inwiefern diese Sicherheitsmaßnahmen nicht umgangen werden können, bzw. wie sinnvoll „YouTube Kids“ generell ist, wenn ein Kind über das eigene Smartphone auch Zugang zum vollen „YouTube“ hat, sei dahingestellt.

 

Ein Resümee

Nach Gesprächen mit Eltern, Kindern und LehrerInnen steht eines fest: „YouTube“ steht lange nicht so im Zentrum der Aufmerksamkeit wie andere Medien, mit denen Kinder sich befassen. Ein Großteil der Personen mit denen SUMO sprach, hatte zuvor noch nicht über die Thematik nachgedacht. Und das, obwohl laut „Google“ Kinder die vielversprechendste Zielgruppe der Plattform darstellt. Die Probleme und Gefahren, die von „YouTube“ ausgehen, sind in der öffentlichen Diskussion kaum präsent, neue Chancen und Möglichkeiten wie zum Beispiel Videos mit Lerneffekt ebenso wenig. Irgendwie beruhigend war jedoch die Grundaussage, dass die meisten Kinder noch immer SuperheldIn, ÄrztIn oder LehrerIn werden möchten. Und ehrlich, klingt doch auch wirklich vielversprechender als „YoutuberIn“, oder?

 

Von Katharina Arbeithuber, Katharina Glück

 

* Namen redaktionell geändert