Zwischen Angebot und Nachfrage: Wie Überproduktion die Qualität von Fernsehserien beeinträchtigt

Von Luise Kopeszki & Magdalena Grunt

Die Anzahl der Streaming-Abos hat sich in den letzten 10 Jahren um das Siebenfache erhöht. Bild: Luise Kopeszki

Coming soon! Gefühlt jeden Tag wird eine neue Serie, eine neue Staffel, eine neue Episode produziert. Studios arbeiten unermüdlich an neuem Content, um ihre Zuseher zu befriedigen. Fandoms fiebern auf ihre Lieblingshelden hin, freuen sich auf mehr von ihren Geschichten und wollen immer mehr… und die Produzenten? Die wollen genau das liefern und ihre Fans glücklich machen, und damit den Gewinn aus ihren eingesetzten Mitteln schöpfen. Doch das ist nicht der einzige Grund, weshalb immer mehr Content auf die Plattformen geladen wird.  

In den letzten Jahren ist die Anzahl der produzierten Fernsehserien drastisch gestiegen. Die zunehmende Nachfrage nach einer größeren Anzahl von Episoden mit beliebten Seriencharakteren wird von vielen Menschen begrüßt. Dennoch existiert ein Ungleichgewicht, da die massive Produktion von Serien negative Auswirkungen auf die Qualität der Inhalte haben kann. Diese Problematik wirft die Frage auf, ob es in absehbarer Zukunft möglich sein könnte, dass qualitativ hochwertige Serien durch die steigende Nachfrage verschwinden. 

Angebot 

Angetrieben von Profit, Popularität und dem Kampf um die Beachtung der Kunden müssen Fernsehproduktionen immer Neues bieten, um die erste Wahl (oder überhaupt eine Wahl) der Rezipienten zu sein. Netflix war 2007 eine der ersten großen Streaming-Plattformen, die die Möglichkeit für online Streams bereitstellte. Das Konzept war ein Erfolg, die Nachahmer ließen nicht lange auf sich warten. Als das Unternehmen 2013 dann ihre „Netflix Originals“ starteten, stellte das den Markt komplett auf den Kopf. Durch die positive Rückmeldung der Rezipienten kommt es zu einem regelrechten Boom an Angeboten, die Produzenten wollen  durch neue Serien den Markt für sich gewinnen. 

Produktionsfirmen erkannten den Trend des „Binge-Watchings“, bei dem Fans nach längeren Geschichten mit ihren Lieblingscharakteren verlangen. Um diesen Trend gerecht zu werden, haben sie eigene Universen, wie das Marvel Cinematic Universe, Star Wars oder The Walking Dead aufgebaut und kurbelten die Produktion weiter an. Sie bemerken, dass der Wunsch nach Fortsetzungen erfolgreicher Geschichten groß ist, welchen sie auch erfüllen. Zusätzlich bieten diese Universen viele Ausbaumöglichkeiten an, wodurch die Produktion einer weiteren Serie, einem „Spin Offs“ oder der Erzählung der Geschichte eines beliebten Charakters, gefördert wird. 

Nachfrage 

„Streaming-Dienste überfordern ihre Kunden.“ Das sagt die „Frankfurter Allgemeine“ angesichts des immer weiter wachsenden Angebots. Kai Spanke, Autor von „Scrollst du noch oder guckst du schon?“, meint, „dass man sich ständig neue Listen zurechtkuratieren kann“ und damit ein Gefühl von Freiheit und Autonomie erzeugt, was grundsätzlich von Vorteil ist. Aber: Man hält nicht Schritt. Eine Serie nach der anderen lande auf der Liste, der Überblick gehe verloren und die Zuschauer seien ermüdet. Das sei für die Anbieter ein großes Problem, denn wenn ihre Kunden von dem, was sie liefern gelangweilt sind, hätten sie potenziell keine Zuseher mehr. Streamer sehnten sich nach spannender Unterhaltung und Abwechslung. Wenn sie das bei einem Streaming-Dienst nicht finden, suchten sie es bei einem anderen. Die steigende Anzahl von Streaming-Diensten habe zu einer verstärkten Auswahlmöglichkeit geführt, und die Kunden seien zunehmend wählerisch bei der Auswahl der Inhalte, für die sie ihr Geld ausgeben. Der Anspruch der Rezipienten an die Qualität der Serie steige, genauso wie ihre Erwartungen. 

Angebot und Nachfrage 

Diese Überproduktion hat nicht nur Auswirkungen auf die Menge an Content, sondern auch auf die Qualität des Inhalts der Sendungen. Durch die hohe Nachfrage nach neuen Serien sind Produzenten gezwungen, ihr Angebot immer mehr auszuweiten, (Süddeutsche Zeitung) um ihre Zuschauer zu halten. Dieser Druck, immer mehr zu produzieren zu müssen, kann die Qualität des Contents beeinflussen, da nicht genug Zeit verfügbar ist, um die Inhalte genau auszuarbeiten.  

„Zur Liste hinzufügen“: Das Angebot von Serien steigt – und kann überwältigend sein. Bild: Luise Kopeszki

Genau das befürchtet der „Standard“ in „Weltweiter Run auf Streamingserien“. In dem Artikel wird vor einem Schwund der Qualität und der Sichtbarkeit von Inhalten gewarnt. Einer der Gründe, warum Fernsehserien beim Publikum so begehrt sind, ist, dass eine Geschichte über mehrere Episoden hinweg erzählt wird, wodurch Zuseher eine tiefere Beziehung zu den Charakteren aufbauen können. Sie würden mitfiebern wollen und das Gefühl bekommen, Teil des Geschehens zu sein. Zusätzlich gehe durch Serien das Erlebnis der Zuseher nicht so schnell vorbei. Bei Kinofilmen ist die Spannung nach zwei Stunden zu Ende, Fernsehserien bauten diese über Wochen auf. Diese besondere Eigenschaft des Formats nutzen Studios, um die Rezipienten dazu zu bringen, ihre Abos zu behalten und für neue Staffeln bei ihnen zu bleiben, so die Meldung. 

Die „LA Times“ hat erkannt, dass die immense Menge an produzierten Inhalten zu einer Überflutung führen könne, die sogar von den Studios selbst als problematisch angesehen werde. TV-Produzenten scheinen unermüdlich neue Serien zu entwickeln, um mit dem Wettbewerb Schritt zu halten, wodurch auf Produktionsebene ein wahrhaftiger Kampf um Produktionsmitarbeiter herrsche, wie die „Vogue“ berichtet. Doch wenn seitens der Rezipienten mehr verlangt wird, müssen Streaming-Plattformen diese Bedürfnisse befriedigen, sonst weichen diese auf die nächste Plattform aus.  

Die Forderung nach Vielfalt und Abwechslung seitens der Zuschauer ist ein entscheidender Faktor für die Überproduktion von Fernsehserien. Die TV-Industrie erkannte das Bedürfnis des Publikums nach einer breiten Palette von Serien, Genres, Figuren und Erzählansätzen. Um den Erwartungen gerecht zu werden, probieren und produzieren TV-Produzenten viel und stecken eine Menge Ressourcen in ihre Projekte. Dieser Ansatz erhöht die Chancen auf Hits, die zu kulturellen Phänomenen werden können. Allerdings stellt sich die Frage, ob dieses Beschäftigungslevel nachhaltig und finanzierbar ist, da die Produktion einer Serie erhebliche finanzielle Mittel erfordert, insbesondere wenn auf bekannte Namen gesetzt wird, um die Aufmerksamkeit der Zuschauer zu gewinnen. Ein Beispiel für eine außergewöhnlich hohe Gage für eine einzige Episode einer Serie ist laut „Business Insider“ jene der Schauspieler von „Game of Thrones“. Diese erhielten pro Staffel fünf Millionen US-Dollar. 

Produzenten kämpfen hart um die Beachtung der Zuschauer, und es stellt sich die Frage, ob Qualität noch im Mittelpunkt für sie stehen. Für Streaming-Riesen ist es wichtiger, Abonnements zu gewinnen als Fans guten Content zu bieten. Einige Studios setzen weiter auf qualitativ hochwertige Produktionen – Zuschauer können dies unterstützen, indem sie qualitatives Storytelling schätzen und Serien, die nicht am Laufband produziert werden, die nötige Zeit geben. Schließlich kann die Vorfreude auf ein gutes Serienerlebnis genauso lohnend sein, auch wenn es etwas länger dauert. 

Über die Autorinnen

Luise Kopeszki | Copyright: Luise Kopeszki 

Luise Kopeszki ist 23 Jahre alt und studiert Medienmanagement an der FH St. Pölten. Im Rahmen mehrerer Lehrveranstaltungen untersucht sie verschiedene Aspekte der Unterhaltungsbranche, wobei ihr Fokus der Film- und Fernsehbranche gilt.

Magdalena Grunt | Copyright: Magdalena Grunt 

Magdalena Grunt ist Medienmanagement-Studentin und freie Journalistin bei Ö1. Sie ist besonders daran interessiert, Themen aus einer intersektional feministischen Perspektive zu beleuchten.