Diktatorischer Umgang mit Daten – Journalismus im „Dritten Reich“

Parteiorgane statt Journalistinnen und Journalisten. Propaganda statt Nachrichten. Was man heute aus Nordkorea kennt, war ab März 1938 Alltag in Österreich. Es folgten sieben Jahre Diktatur und der Zweite Weltkrieg.

Journalismus wurde im „Dritten Reich“ über die „Reichspressekammer“ gesteuert. Die Nationalsozialisten haben eine weltweit einzigartige Art und Weise der Zensur „erfunden“. Die Leute, die für sie schreiben sollten wurden schon vorher genau bespitzelt und kontrolliert, sodass man im Nachhinein einzelne Ausgaben nicht mehr zensieren musste, da man von Haus aus die richtigen Leute in den Redaktionen sitzen hatte. Wer nicht Mitglied in dieser Reichspressekammer war, durfte auch nicht schreiben. Um Mitglied zu werden, musste man die arische Abstammung bis 1800 nachweisen. Dieser Nachweis war auch für jeden erforderlich, der im öffentlichen Dienst tätig sein wollte. Grundsätzlich benötigte man ein Gutachten der GESTAPO, eine Art „Leumundszeugnis“, um als politisch zuverlässig zu gelten. Eine Nichtmitgliedschaft in der Reichspressekammer hatte Arbeits- und Existenzverlust zur Folge. Durch Mitgliedschaften in der Partei oder in der Reichspressekammer hatte man leicht die Kontrolle und kam auch an die Daten der Mitglieder.

„Wenn man forscht, ist es vor 1938 schwierig Informationen zu finden. Zwischen 1938 und 1945 gibt es genug Material, die deutsche Gründlichkeit eben.“  (Tobias Mindler) 

Durch ein ausgeklügeltes Spitzelsystem gelang es dem Regime, möglichst viel über Personen herauszufinden. Besonders über jene des Parteiapparats wusste man nahezu alles, so Tobias Mindler im SUMO-Interview. Mindler verfasste eine Diplomarbeit zu dem Thema und ist heute Pressesprecher des „Roten Kreuz“. In Österreich hat es schon ab 1934 Bespitzelungen, beziehungsweise Berufsverbote für sozialdemokratische und jüdische JournalistInnen gegeben. Nach dem Februaraufstand 1934 wurden außerdem sämtliche sozialdemokratischen Zeitungen verboten. Die damals angelegten Polizei- und Staatsakten wurden von der SA nach dem „Anschluss“ übernommen. Dadurch besaß der neue Diktaturapparat schon eine Basis an Daten vermeintlich „gefährlicher“ Personen, so Andreas Novak, Verantwortlicher für historische Dokumentationen im ORF, zu SUMO.

„Die Publizistik war eine ganz elementare Systemstütze.“  (Andreas Novak) 

Der Beruf der Journalistin bzw. des Journalisten war sehr hochwertig, angesehen und äußerst wichtig für die Nationalsozialisten. Sie waren dafür verantwortlich, das politische Gedankengut zu verbreiten und die Grundstimmung in der Bevölkerung zu beeinflussen. Gesteuert wurde der ganze Kommunikationsapparat durch das Propagandaministerium unter Joseph Goebbels. Zwar war es offiziell Pflicht, dass eine Journalistin und ein Journalist eine entsprechende Ausbildung absolviert haben musste, inoffiziell war es aber nicht ganz so wichtig. Es wurden oft „brave Parteigänger“ zwecks Machtmotivation als Journalistinnen und Journalisten eingesetzt, sagt Mindler. Das ergab enorme Kompetenzschwierigkeiten, was aber auch nicht oberste Priorität der Nationalsozialisten war. Die Hauptsache war, dass die richtigen Leute hinter den Schreibtischen das Richtige schreiben: Das Resultat musste passen. In den Redaktionen der Zeitungen gab es eine sehr hohe Fluktuation. Laut Untersuchungen von Tobias Mindler waren auch die meisten der Journalistinnen und Journalisten sehr jung und überwiegend männlich, anders als das heutige Geschlechterverhältnis in Kommunikationsberufen. Dieses Geschlechterverhältnis war auch für jene Zeit unüblich. Im Gebiet Neue Donau waren 1944, also schon gegen Ende des Krieges, nur 14,4% Frauen beschäftigt. In anderen Berufsfeldern war es gängig, die zuvor von Männern ausgeführten Berufe mit Frauen zu besetzen, da die Männer meist im Krieg gefallen waren und es an Personal mangelte. Oft wurden auch Kriegsversehrte als Journalisten eingesetzt. Sogar Juden wurden aufgrund des Personalmangels einige Zeit noch weiterbeschäftigt. Die österreichische Presse hatte vor allem die Aufgabe, nach dem „Anschluss“ an Deutschland Werbung für die „Volksabstimmung“ im April 1938 zu machen. Bereits 1936 hatte sich Österreich unter Kanzler Schuschnigg im Zuge des Münchner Abkommens dazu verpflichtet, deutsche Zeitungen mit entsprechender Propaganda zuzulassen. Das nationalsozialistische Gedankengut hielt also schon Jahre vor dem „Anschluss“ Einzug in Österreich. Zuvor verbotene NSDAP-Zeitungen erschienen nach dem März 1938 einfach offiziell. Oft wurden auch JournalistInnen aus Deutschland geholt, die dann einige Wochen oder Monate in den Redaktionen verbrachten, um die österreichischen Journalistinnen und Journalisten auf das Regime einzuschwören.

„Ich glaube, unter den damaligen Verhältnissen zu sagen, ich mache da nicht mehr mit, war schon heftig.“  (Tobias Mindler) 

JournalistInnen gehörten zu jenen Berufsgruppen wie ÄrztInnen und RechtsanwältInnen, die besonders unter Beobachtung gestellt wurden. Man wusste von diesen, dass sie sehr gebildet und interessiert sind, also gefährlich für das Regime sein könnten. Besonders unter den JournalistInnen waren viele jüdischer „Herkunft“, die ins Exil vertrieben wurden. JournalistInnen, die sich dagegen gewehrt haben gab es wenige. Für Fehler seitens der Journalistinnen und Journalisten war die erste Stufe eine Verwarnung und eine Einvernahme durch die GESTAPO. Die zweite Stufe war die GESTAPO-Haft, mit der dritten Stufe drohte das automatische Berufsverbot und die Deportation ins Konzentrationslager.

Die euphorische Bevölkerung und das böse Erwachen

Für die Bevölkerung gab es an Möglichkeiten sich zu informieren das Radio, den sogenannten „Volksempfänger“, die Zeitung und die „Wochenschauen“ im Kino, die über den vermeintlichen Kriegsfortschritt berichteten. Die Medien und das gesamte Propagandaministerium arbeiteten  daran, die Bevölkerung mit Durchhalteparolen bei Laune zu halten, um Kriegsmüdigkeit vorzubeugen. Viele glaubten bis zum Schluss an einen „Endsieg“, obwohl die hohen Offiziere schon ein Jahr davor wussten, dass der Krieg verloren war, so Mindler. Im Zuge der Entnazifizierung nach dem Krieg wurden auch viele JournalistInnen vor dem Volksgericht in Österreich angeklagt. Laut Untersuchungen Mindlers hat bei den wenigsten die journalistische Tätigkeit bei der Verurteilung eine Rolle gespielt. Es wurden nur jene verurteilt, die schon vor 1938 überzeugte NationalsozialistInnen waren, was verboten war. Blickt man in der Geschichte zurück, findet man Zustände, die uns vielleicht schätzen lassen, unter welchen Bedingungen wir heute leben dürfen.

 

Tamara Hendrich-Szokol