Alarmstufe Grün: Die Rolle der Bildung im Kampf gegen die Klimakrise

Die Klimakrise ist nicht nur ein ökologisches Notstandsszenario, sondern auch eine gigantische Bildungsherausforderung. Während die Weltgemeinschaft ringt, die ehrgeizigen Ziele des Pariser Abkommens zu erreichen, wird klar: Die Transformation zu einer klimaneutralen EU bis 2050 ist ein Rennen gegen die Zeit. Wissenschaft und Sozioökonomie verflechten sich in dieser globalen Herausforderung, die nach sofortiger und nachhaltiger medialer Auseinandersetzung schreit.

von LUCE FIDUCCIA

Seit Anfang 2023 gibt es an der FH Joanneum in Graz einen Hochschullehrgang, der sich mit Nachhaltigkeitskommunikation und Klimajournalismus beschäftigt. Der Lehrgang zielt darauf ab, Journalist:innen und Kommunikator:innen auf einem akademischen Niveau Klima- und Nachhaltigkeitskompetenzen nahezubringen. Die Ausbildung dauert insgesamt zwei Studiensemester und beinhaltet bereits im ersten Abschnitt Seminare und Vorlesungen, die sich unter anderem mit naturwissenschaftlichen Grundlagen des Klimawandels, Ökologie und Artenvielfalt und weiteren Umweltwissenschaften befassen.

Integrative Klimabildung: Ein Muss im Journalismus

Der freischaffende Klimajournalist Lukas Bayer erläutert: „Es muss als Dimension in den Journalismus, genauso wie in die Ausbildung rein, die Klimakrise muss überall eine Rolle spielen und mitgedacht werden.“ Die Klimakrise soll also als wesentlicher Bestandteil in der Ausbildung von Journalist:innen berücksichtigt werden. Laut ihm liege das größte Problem aber noch darin, dass solche Studiengänge zum größten Teil selbst finanziert werden müssen und nicht für alle zugänglich sind. Auch die Journalistin und Mitbegründerin des Netzwerks Klimajournalismus Deutschland, Sara Schurmann, vertritt eine ähnliche Meinung wie Bayer: „Es ist großartig im Vergleich zu allem, was wir bisher hatten. Viel besser wäre es, wenn es das gar nicht bräuchte. Und es bräuchte keinen Klimajournalismus-Master, wenn ich in meinem Grundstudium Politik und Soziologie gelernt hätte, was alles in unserer Gesellschaft mit der Klimakrise zu tun hat.“ Schurmann geht hier sogar noch einen Schritt weiter und sagt, dass es notwendig wäre, angesichts der Dringlichkeit der Krise die Thematik des Klimawandels in jedes Studium, in dem es relevant ist, inhaltlich einzubetten. So sollen vor allem auch Journalist:innen, die ein solches Studium absolviert haben, später davon profitieren und zu einer guten Berichterstattung beitragen.
Sara Schurmann arbeitet mittlerweile schon seit 14 Jahren als Journalistin und sagt von sich selbst, sie hätte die ersten zehn Jahre ihres Werdegangs „thematisch nichts mit Klima am Hut gehabt.“ Heute ist sie maßgeblich an Schulungen und Workshops, unter anderem in Zusammenarbeit mit dem Netzwerk, beteiligt. Laut Schurmann sind solche akademischen Lehrgänge wie in Graz durchaus ein Fortschritt, aber in Anbetracht der aktuellen Situation müssten zusätzlich noch weitere Maßnahmen ergriffen werden, um insbesondere aktive Journalist:innen weiterzubilden. Im Interview meint sie: „Aber jetzt auf die Ausbildung von angehenden Journalist:innen zu setzen, wird diese Krise nicht schnell genug lösen.“ Was wir brauchen, ist eine flächendeckende Fortbildung von jetzt aktiven Redakteur:innen.

Netzwerke gegen die Klimakrise: Wie Schulungen die Berichterstattung revolutionieren

Das Netzwerk Klimajournalismus, in dem sowohl Schurmann in Deutschland als auch Bayer in Österreich tätig sind, fördert den Austausch unter Journalist:innen zu Themen der Klimakrise. In Deutschland wird aktuell an sogenannten „In-House-Trainings“ gearbeitet. Schulungen im Rahmen von Redaktionsbesuchen, die „5 vor 12“-Workshops und Onboarding-Newsletter sollen eine gute Klimaberichterstattung fördern. Bei der österreichischen Partnerorganisation wurde 2023 zusätzlich ein Kodex erarbeitet, welcher eine Leitlinie für gute Klimaberichterstattung in Redaktionen vorgeben soll. Beide Medienschaffende sind der Meinung, dass es noch viel intensiverer Weiterbildung bedarf. „Klima klingt erst mal vielleicht nur nach einem Thema, aber bei jedem Beispiel gibt es so viele Nuancen und es ist einfach ein komplexes System, das größer ist als seine Einzelteile und deswegen braucht man sehr viel übergreifendes Wissen,“ so Bayer.

Laut Schurmann vernachlässigen die großen Medienhäuser die Gefahren des Klimawandels, besonders in der Berichtserstattung, etwa über Subventionsprogramme in der Coronakrise. In ihren Workshops legt sie den Finger in die Wunde: „Viele Journalist:innen sind sich der aktuellen Lage nicht vollends klar. Zuerst soll verstanden werden, wo wir gerade in der Klimakrise stehen und anschließend, warum das nicht immer vollkommen im Bewusstsein der Journalist:innen ist. Die allgemeine Aufklärung über die akute Lage stellt eine Art Barriere dar.“ Und: „Wenn ich ihnen praktisch nur erkläre, so akut ist diese Krise, dann hast du als Journalistin erstmal so eine gewisse Hürde, weil als Journalist:in nimmst du an, dass du halbwegs weißt, wie akut die Krisen dieser Welt sind. Schließlich ist es dein Job, das anderen Leuten zu erklären.“ Der Grund für den Mangel an Wissen bezüglich der Klimakrise liege, so Schurmann, darin, dass Wissen und Dringlichkeit der Situation in der Ausbildung nicht ausreichend vermittelt würden. Aus diesem Grund sei es auch wichtig, die Angebote der Netzwerke zu nutzen.

Die Workshops sind teils aus Stiftungsgeldern finanziert, was sie noch zugänglicher für die Medienhäuser macht. Das Engagement des Netzwerks soll darauf abzielen, dass Klima als Querschnittsthema in der Berichterstattung überall dort integriert wird, wo es relevant ist. Es soll nicht nur in speziellen Klimabeiträgen, sondern als Teil der demokratischen Öffentlichkeit in allen medialen Berichten von der Lokalzeitung bis zu Qualitätsmedien berücksichtigt werden, ähnlich der Berichterstattung während der Anfangsphase der Corona-Krise. Dabei geht es aber nicht darum, jeden Beitrag zu einem Klimabeitrag zu machen, sondern darum, die klimabezogenen Auswirkungen und Zusammenhänge angemessen und kontextbezogen zu erwähnen.

Ein ewig negativer Kreislauf und trotzdem Hoffnung

Wenn Bildungseinrichtungen wie Universitäten die Klimakrise nicht in ihre Lehrpläne integrieren, fehlt Journalist:innen freilich oft das nötige Wissen über das Thema. Da eben diese aber wichtige Informationsquellen für die Gesellschaft sind, bleibt auch die breite Öffentlichkeit unzureichend informiert. Ohne ausreichendes Wissen über die Dringlichkeit des Klimawandels werden nicht genügend Maßnahmen ergriffen, um ihn zu bekämpfen, was negative Auswirkungen auf unseren Planeten hat. So befinden wir uns in einem ewig negativen Kreislauf.

Trotz vieler Schwierigkeiten sehen sowohl Bayer als auch Schurmann positive Entwicklungen in der Berichterstattung über die Klimakrise. Diese wurde vermutlich auch dank der Bemühungen der Netzwerke angestoßen. Bayer, der in Österreich bei der Organisation vor allem für Koordination und Außenkommunikation verantwortlich ist, äußert sich so dazu: „Es fällt auf, dass in den meisten Medien mit Qualitätsanspruch zum Beispiel Hitzewellen kaum mehr mit Badebildern oder Frauen in Bikinis bebildert werden. Das war vor zwei Jahren noch sehr oft der Fall. „Dass die Klimakrise wichtig und eben eine menschengemachte Krise ist, das werde wahrgenommen und dem werde auch mit entsprechenden Ressorts und neuen Klimaformaten Rechnung getragen. Bayer: „Wir sehen auch, dass bei Extremwettern immer öfter die Verbindung zum Klimawandel gezogen wird.“ Auch Schurmann erkennt einen Wandel zum Positiven. Gespräche über die Krise könne man heutzutage viel tiefer und informierter führen als noch vor wenigen Jahren. Auch die Zunahme an fundierten Berichten sei auffällig.

In einer Welt, die am Rande klimatischer und sozialer Kipppunkte steht, zeichnet sich in den Redaktionen zumindest Veränderung ab. Die Hoffnung wächst, dass das Bewusstsein für die Klimakrise und die Notwendigkeit von Schulungen für Medienschaffende zur Norm werden. Journalismus ist ein wirksamer Hebel für Veränderung. Es geht nicht nur um eine Anpassung, sondern um eine grundlegende Neuausrichtung – weg von Schnelligkeit, hin zu Qualität und gründlicher Recherche.

Luce Fiduccia | Copyright: Julius Nagel