Close up (or down), Cinema!? Die Geschäftsmodelle von Film- Streamingdiensten versus Kinos

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Streaming bietet nicht nur eine Vielzahl an verschiedenen Filmen und Serien, sondern ist auf Knopfdruck und pro Film gesehen günstiger.

Aber was bedeutet der Umbruch von Kino auf Streaming und was sind die Geschäftsmodelle von Streaminganbietern? SUMO interviewte dazu den Obmann des Fachverbands für Kino-, Kultur- und Vergnügungsbetriebe der WKO Christian Dörfler und den Head of Communications von Sky Österreich Michael Huebner.

Über 14 Millionen KinobesucherInnen verzeichnete das Kinojahr 2019 laut der von der AKM durchgeführten Statistik, was insgesamt ein Plus von knapp 6% zum Vorjahr ausmachte. Grundsätzlich schwanken die Besuchszahlen jährlich zwischen rund 13 bis 18 Millionen. Im Jahr von 2017 auf 2018 waren es rund minus 11%, also nur knappe 13 Millionen BesucherInnen und damit auch weniger als im Jahr 2017, mit über 15 Millionen. Doch diese Schwankungen seien laut Christian Dörfler völlig normal. Vor allem der Rückgang im Jahr 2018 zeichnete sich laut des Filmwirtschaftsberichts, durchgeführt im Auftrag der Wirtschaftskammer Österreich, durch einen Mangel an Blockbustern und Komödien aus. Die Besonderheit an Blockbustern liegt darin, dass sie auf viele unterschiedliche Zielgruppen abzielen. Komödien gelten als das beliebteste Filmgenre und die geringe Anzahl dieses Genres anno 2018 war auch Ausschlag für den Besucherausblieb. Aber nicht nur das Genre der Filme zählt als Besuchermotiv für das Kino, sondern vielmehr das Kino als gewissermaßen Eventlocation.
Die Einzigartigkeit des Kinos spiegelt sich in der Technik, des Erlebnisses von Bild und Ton wider, mit dem die beste Heimanlage nicht mithalten kann. Das Ausgehen, einen Film ungestört sehen zu können, sowie das anschließende Austauschen und Diskutieren zählen, neben dem Film selbst, laut Dörfler zu den Hauptmotiven für den Gang ins Kino.

Streamingdienste boomen

Obwohl das letzte Kinojahr nicht schlecht ausfiel, sind die Geschäftsmodelle von Film- und Streamingdiensten erfolgreicher denn je. Doch was ist Streaming überhaupt? Michael Huebner klärt auf: „Streaming wird als das zur Verfügung stellen von Bewegtbild-Inhalten über digitale Verbreitungswege definiert. Dies kann sowohl linear als auch on Demand oder über Video/- und Mediatheken erfolgen. Es ist ein paralleler, weiterer Verbreitungsweg zu den schon bekannten Distributionswegen Satelliten-, Kabel- und terrestrischer, also Antennen-Empfang.“

Laut der Erhebung über den Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnologien in Haushalten 2020, durchgeführt von Statistik Austria, nutzen 6,6 Mio. ÖsterreicherInnen im Alter von 16 bis 75 Jahren Video-Streaming-Dienste. Von den Befragten streamten rund 64% kostenfreie Videos über Video-Sharing-Anbieter, 38% TV-Programme von Fernsehsendern in Echtzeit oder zeitversetzt und weitere 38% streamten kostenpflichtige Videos von kommerziellen Anbietern. Aber was genau bedeutet der Erfolg von Streaming für die Kinobranche? Die Frage, ob es überhaupt zu einem Umbruch von Streaming auf die Kinobranche kommt bzw. es einer ist bleibt offen. Dass sich etwas verändern werde, sei laut Dörfler natürlich keine Frage, aber wie genau es sich auswirke, könne man schlecht sagen. „Der Trend, dass Filme direkt auf Streaming-Plattformen ausgestrahlt werden und nicht auf die Leinwand kommen ist für die Kinos natürlich nicht positiv, aber wir befinden uns eben in einer Transformation der Medien.“ Laut Dörfler wisse man von früher, wenn die Kinoauswertung gut funktioniert hat, wird die Streamingauswertung auch gut funktionieren. Hier könnte es natürlich auch sein, dass man die Kinos unbedingt für die Auswertung braucht und sich deshalb kaum ändert.
Für die Filmschaffenden sei es jedoch nicht von Vorteil, wenn nur auf Streamingauswertung ausgelegt wird, da es die Einnahmen drastisch reduziere. Ein Beispiel, das Dörfler hierfür nennt, ist der vor Kurzem erschienene Film „Mulan“, der direkt auf den Plattformen angeboten wurde und deshalb auch nur sehr wenig eingespielt habe.

Umgekehrt ist Michael Huebner der Ansicht, dass auch Eigenproduktionen zukünftig vermehrt auf den Kinoleinwänden zu sehen sein würden. Im Gespräch mit SUMO berichtet er, dass dies innerhalb der Comcast Gruppe, beim NBC Universal Animationsfilm „Trolls World Tour“, schon gemacht wurde. Hier erfolgte der Kino- und der Streaming-Start des Filmes in den USA im April 2020 am selben Tag.

Den besten Content über alle Devices

SUMO sprach mit Michael Huebner auch über die Geschäftsmodelle von Film- und Serien-Streaminganbietern, wobei hier der Fokus beim Entertainment-Unternehmen Sky lag. Laut Huebner fokussiert sich Sky immer grundsätzlich darauf, dem TV- und Entertainmentfan das bestmögliche Angebot zu präsentieren und ihm dabei die flexibelste Zeitplanung zu ermöglichen. Sodass Menschen, die gerne Filme, Serien, Dokumentationen, Shows oder Live-Sport sehen, bei Sky die Adresse haben, auf die sie sich verlassen können und wo sie sagen: „Das ist für mich die Nummer eins auf der Fernbedienung.“ Anders ausgedrückt versucht Sky seinen KundInnen die besten Inhalte über alle Devices zu jeder Zeit zur Verfügung zu stellen, um eben möglichst frei zu sein und sich den Alltag so angenehm und individuell wie nur möglich zu gestalten. Es gibt dabei, wie zu Beginn thematisiert, viele unterschiedliche Formen von „Streaming-Angeboten“. Zum einen Video-on-Demand, wo man Filme und Serien im Einzelabruf oder im Abonnement online „ausleihen“ kann, Videoportale, bei denen man kostenlose Videoclips ansehen, kommentieren oder selbst erstellen kann und auch Mediatheken für abrufbare Videoinhalte aus Programmen eines Senders. Der Grund, warum die Angebote der Streaminganbieter immer beliebter werden sei laut Huebner die große Freiheit Content jederzeit und überall verfügbar zu haben und ansehen zu können. Er spricht außerdem davon, dass es noch nie so viele Möglichkeiten gab Content zu rezipieren. Leute wollen unabhängig sein und frei entscheiden, welchem Anbieter sie sich zuwenden, was ebenfalls ein Teil und Charakteristikum des Streaming-Marktes sei.

Laut Huebner gebe es bei Streamingmodellen weniger Risiken als beim klassischen TV, da es schlicht nur ein Internet-basierter, neuer Übertragungsweg sei. Hier überwiegen laut ihm also definitiv die Chancen. Wie man sich im Markt positioniere und von anderen abhebe, sei dann jedoch essenziell. Dabei werde es aber zukünftig zu einem wesentlich stärkeren Verdrängungs-Wettbewerb kommen, weil sich laut Huebner heutzutage jeder Anbieter inzwischen als Streamer bezeichne. Da der Markt relativ überfüllt sei, komme es – wie im TV-Markt – dazu, dass bestimmte Anbieter nicht mehr für den Kunden bzw. die Kundin interessant seien, da sie den entsprechenden, exklusiven Content nicht liefern, die Technik (Beispiel Ultra High Definition) nicht anbieten oder einen gemeinhin „akzeptablen Preis“ durch ihr Geschäftsmodell nicht refinanzieren können. Laut Huebner sind dies die wichtigsten drei Kriterien, aber trotzdem bleibe das Programm das entscheidende Entscheidungsmerkmal. Ein dabei sehr wichtiger Aspekt im Geschäftsmodell von Streaminganbietern sind die sogenannten „Originals“, also deren Eigenproduktionen. „‚Sky Originals‘ seien extrem wichtig, weil sie damit die Marke Sky positionieren, das Markenprofil schärfen und wir dabei nahezu komplette Freiheit bezüglich der Verwertungs-Rechte haben“, so Huebner. Auch auf die Kinoleinwand schafften es zukünftig sicherlich mehr Originals. Huebners Ansicht nach würden Kino und Home Entertainment immer mehr zusammenrücken. „Bevor man kannibalisiert, arbeitet man besser zusammen und jeder profitiert von der Magie der großen Bilder und Geschichten.“

Kinos wird es immer und ewig geben

Laut Christian Dörfler sei der österreichische Kinomarkt Weltmarktführer, was Komfort und Technik betreffe. „Man wird in keinem Land so viele Imax, Atmos oder andere besondere Kinoformate in Prozent zur Bevölkerung finden, wie in Österreich“, so Dörfler. Eine Möglichkeit den Kinobesuch wieder oder, besser gesagt, noch attraktiver für die BesucherInnen zu machen sei es laut Dörfler, das Ausgeherlebnis weiter aufzuwerten. Ein Beispiel, das er hierfür nennt, wäre etwa vor dem Ansehen eines französischen Films eine französische Weinverkostung zu machen oder ExpertInnen einzuladen. Bei Actionfilmen könnte es interessant sein, ExpertInnen einzuladen, die den ZuschauerInnen erklären, wie die Actionszenen funktionieren und gemacht werden.
Auch Michael Huebner ist der Ansicht, dass man, wenn man vor einer schwierigen Situation stehe, kreativ und besser werden muss, als man das vorher oder je war. Seiner Ansicht nach seien viele Kinos erpicht darauf, das Entertainment zu verstärken und spricht dabei von neuen Audiotechnologien wie Dolby Atmos. Und: „Was nie sterben wird, ist das ‚Lagerfeuererlebnis‘, was man gerne hat. Dass man rausgeht und es auch in der Gruppe und in einem großen Raum wie dem Kino erleben möchte, das wird nie aussterben. Kinos wird es immer und ewig geben, aber eben parallel zu herausragenden Entertainment-Anbietern, die alle anderen Rezeptionswege bespielen und so die Fans bester Unterhaltung glücklich machen“, so Huebner.

Von Julia Gstettner