Zwischen Liebe und Hass – Das Geschäft mit der Privatsphäre der Stars

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Es ist eine Beziehung im ständigen Wandel zwischen Liebe und Hass, die auf der internationalen Bühne zum Alltag von KünstlerInnen und anderen Personen des öffentlichen Lebens dazu gehört: Paparazzi.

Sensationsberichterstattung, die auch für den Boulevard in Österreich wie ein gefundenes Fressen scheint, hierzulande aber kaum diskutiert wird. Warum, das besprach SUMO mit dem ehemaligen Paparazzo Edwin Walter und der Chefredakteurin der ORF-„Seitenblicke“, Ines Schwandner.

31. August 1997. Schauplatz Paris. Eine Frau kommt mit ihrem damaligen Lebensgefährten gegen 0:20 Uhr aus einem Nobelrestaurant und steigt in einen Wagen. Die Frau, Mutter von zwei Söhnen (William und Harry), gilt zu diesem Zeitpunkt als die berühmteste Frau der Welt. Unter einem Blitzlichtgewitter verursacht durch zahlreiche FotografInnen, fährt das Paar los in Richtung ihres Apartments. Dort sollten die beiden jedoch nie ankommen.

Es ist jene Geschichte von Prinzessin Diana und ihrer tödlichen Verfolgungsjagd mit einem Paparazzo, die bis dato den traurigen Tiefpunkt in einem Katz- und Mausspiel zwischen Promis und der Profitgier sogenannter Sensationsmedien darstellt. Ein schrecklicher Unfall, dessen Auslöser ein einziges Foto sein sollte, das demjenigen eine irrsinnige Summe Geld bescheren würde, der es schießt. In vielen Fällen endete diese Jagd nach dem perfekten Schnappschuss schon vor Gericht, manche in jahrelangen Depressionen oder Krankheiten, in Extremfällen wie jenem von Lady Di sogar mit dem Tod für eine/n der Betroffenen. „Menschen wollen immer so nah wie möglich an die Stars herankommen. Von Medien werden daher Unsummen für das richtige Foto bezahlt. Dadurch kommt es zu solchen Extremfällen, bei denen leider immer wieder etwas passiert!“ Diese gesellschaftliche Frage immer überall dabei sein zu wollen sei es, die Fotografen wie den Wiener Edwin Walter auf die Lauer nach pikanten Foto- und Videoaufnahmen legen ließen. „In vielen anderen Bereichen verdienst du als Fotograf einfach kein Geld“, spricht der ehemalige Paparazzo offen über das oftmals so verpönte Geschäft mit der Privatsphäre anderer, das er selbst viele Jahre in den USA und Europa miterlebte.

Regeln, aber kaum Grenzen

International und vor allem in Hollywood kenne der Medientrubel um prominente Menschen nur selten irgendwelche Grenzen. Hunderte FotografInnen alleine im Raum Los Angeles würden dabei auf Tipps von InformantInnen die Hotspots bekannter Gesichter belagern. In abgesprochenen Teams aus mindestens zwei FotografInnen würden sich Massen an Kameras an den Vorder- und Hintereingängen von Hotels, Restaurants oder Geschäften positionieren. Warum in Zweierteams? Weil oftmals eben nicht nur zu Fuß, sondern wie vor zwanzig Jahren bei Lady Di, auch auf dem Motorrad oder mit dem Auto die Verfolgung aufgenommen werde. Durch die aggressive Herangehensweise vieler KollegInnen, aber auch durch angriffslustige Bodyguards auf Seiten der Prominenten würden sich viele Begegnungen schnell hochschaukeln und nicht selten in körperlichen Auseinandersetzungen enden. „Wenn du sofort von den Begleitern der Stars beleidigt wirst, sobald sie dich sehen, bist du natürlich noch einmal extra motiviert und lässt nicht locker“. Umgekehrt würden jene sofort in Ruhe gelassen werden, die sich der Kamera stellen und respektvoll ihren Auftritt hinter sich bringen, anstatt ihm aus dem Weg zu gehen, beschreibt Walter den Umgang. Für den jetzigen Leiter einer Fotoagentur gebe es sehr wohl auch für Paparazzi Regeln, an die es sich zu halten gebe. Fotografieren hinein in private Räumlichkeiten wäre für ihn tabu.

Jede/r kennt jede/n

Ausartende Konfrontationen sind in Übersee dennoch häufige Szenen, die in Österreich aber nur in besonders tragischen Fällen Schlagzeilen machen und dabei Kopfschütteln hinterlassen. Denn hierzulande sei eine solche Vorgehensweise absolut kein Thema. Gezielte Skandale in der heimischen Star- und Lifestyleberichterstattung wären wenig lukrativ und würden schlichtweg auch wenige interessieren, wie Ines Schwandner, Chefredakteurin der ORF-Sendung „Seitenblicke“, anmerkt: „Bei uns reicht es schon, bei besonderen Veranstaltungen gesehen zu werden. Da braucht man nicht durch irgendeine Inszenierung von skandalösem Verhalten auffallen.“ Einerseits würden aufgrund der fehlenden Internationalität der heimischen Stars und Sternchen diverse Intrigen kaum für ein großes Publikum interessant sein. Auf der anderen Seite sei die gemeinsame Zusammenarbeit zwischen Prominenten und Medien viel wichtiger, als sich gegenseitig bloßzustellen. „In Österreich passieren die meisten Stories nach Einladung zu den jeweiligen Events. Dabei kennt jede/r jede/n. Wenn also ein Medium schlecht über eine Person berichtet, wird es beim nächsten Mal einfach nicht mehr eingeladen“, resümiert Schwandner.

Dieses Risiko auf Seiten der Medien eben nicht mehr dabei zu sein, wäre den meisten deshalb zu groß, wie auch Edwin Walter bestätigt: „Du willst es dir in Österreich mit niemanden verscherzen. Der Markt ist sehr klein, dadurch fehlt die Anonymität.“ Etwaige Folgen durch die Betroffenen nach einer Verunglimpfung würden nicht lange auf sich warten lassen. Folgen, die auch der ehemalige Paparazzo am eigenen Leib zu spüren bekam. Nach der Veröffentlichung eines Fotos von Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser aus dessen Privaturlaub folgte kurz danach eine Finanzprüfung für Walters Agentur.

Zwar würden auch in Österreich private Medienhäuser aus dem Boulevardbereich diverse gerichtliche Nachwehen weniger fürchten, dennoch baue auch für diese die Branche auf Respekt. Laut Schwandner herrsche eine „kulturelle Sperre“, die vor unkonventionellen Methoden zurückschrecken ließe. Vielmehr überwiege ein gegenseitiges Geben und Nehmen, das immer wieder auch Freundschaften zwischen Promis und JournalistInnen entstehen ließe. „Es passiert nicht selten, dass man vorher versucht jemanden vor die Kamera zu bekommen und später dann gemeinsam essen geht“, so Walter.

Smartphone und Social Media – der neumoderne Paparazzo

Hierzulande also ein Geschäft mit Handschlagqualität – ganz anders als wie im so glitzernden Hollywood oder auch in Großbritannien und Deutschland. Besonders in großen Ländern sei der Druck viel größer, sich von anderen abheben zu müssen und sich mit erniedrigendem Verhalten ins Gespräch zu bringen. Druck, der durch die schnelllebige Zeit mit Smartphones und Social Media noch einmal massiv zugenommen habe. So könne heutzutage jede/r mit einem fotofähigen Handy selbst zum Paparazzo werden. Ein Phänomen, das sich allerdings weniger beim Filmen von Stars und Sternchen, sondern vielmehr beim „Gaffen“ von Unfällen in der Gesellschaft etablierte. Auf der anderen Seite haben Prominente durch „Facebook“, „Instagram“ und ähnliche Kanäle selbst die Kontrolle übernommen, um zu entscheiden, welche privaten Einblicke sie der Öffentlichkeit gewähren. Anstatt FotografInnen auf die Lauer zu schicken, durchstöbern Klatsch- und Tratsch-Magazine die sozialen Netzwerke und verwerten die selbsterstellten Inhalte der Stars weiter. Ein Trend, der laut Ines Schwandner journalistisch noch weniger Wert hätte als das Erspähen von pikanten Aufnahmen durch zumindest kritische FotografInnen. „Als Medium sollte es das Ziel sein, selbst die Inhalte zu kreieren und nicht einfach nur den Computerbildschirm abzufilmen mit den Postings der Stars“, kritisiert die Chefredakteurin das Vorgehen zahlreicher Onlineportale wie „Promiflash“.

Egal, ob durch die Begleitung von Fotografenlinsen oder durch Millionen Kameras von Smartphones: Gerade als Person des öffentlichen Lebens gebe es heutzutage „kein Entkommen vor einem Foto“, wie beide InterviewpartnerInnen bekräftigen. Paparazzi würden sich in den meisten Fällen jedoch zufriedengeben, wenn die Stars sie nicht ignorieren, sondern sich einfach einem Foto stellen würden. Ein Argument, das die traurige Geschichte von Prinzessin Diana vielleicht umgeschrieben hätte, beteuert Walter jene Nacht in Paris und fügt abschließend hinzu: „Die meisten Stars wissen sehr wohl auch, dass sie Paparazzi brauchen, um relevant zu bleiben.“ Ein (oft gefährliches) Spiel zwischen Liebe und Hass eben, das wie in allen Beziehungen nur durch gegenseitigen Respekt funktionieren kann.

Von Michael Geltner

Ines Schwandner, Credit: Barbara Wirl

Edwin Walter, Credit: privat