Community Medien – Die Stimme des Volkes

Meinungsbildung, Orientierung, Unterhaltung. Medien spielen eine wichtige Rolle in der Gesellschaft und gelten als Basis für öffentliche Kommunikation. Die Relevanz des nichtkommerziellen Rundfunksektors bleibt allerdings oftmals unbeachtet. Um zu ergründen, was diesen Mediensektor besonders macht, hat SUMO mit den Geschäftsführern von COMMIT und OKTO, Helmut Peissl und Christian Jungwirth, gesprochen. 

Von MELANIE NEBENFÜHR

Offiziell wird das Rundfunksystem in Österreich als dual bezeichnet und in den öffentlich-rechtlichen sowie den privaten Sektor aufgeteilt. Bei genauerer Betrachtung kann auch der private Mediensektor wiederum in zwei Teile gespalten werden. Dadurch entstehen zum einen der kommerzielle und zum anderen der nichtkommerzielle Rundfunksektor. In gewisser Weise handelt es sich somit um ein triales System. 

Die Besonderheiten von Community Medien 

Der nichtkommerzielle Rundfunk unterscheidet sich in vielen Punkten deutlich von den anderen beiden Sektoren. Das lässt sich vor allem an der nichtgewinnorientierten Struktur erkennen, die als Grundstein für alle Community Medien gilt. Sie geht Hand in Hand mit der für nichtkommerzielle Medien verpflichtenden Werbefreiheit. Die rechtliche Grundlage für Community Medien bildet die Charta der freien Medien in der auch die ethischen Rahmenbedingungen geregelt sind. Der Geschäftsführer des Community Medien Instituts für Weiterbildung, Forschung und Beratung, Helmut Peissl, betont, dass bei nichtkommerziellen Medien das Interesse für die absolute Maximierung der Seher*innen- und Hörer*innenzahl wegfällt. Das unterscheidet sie von den öffentlich-rechtlichen und privatkommerziellen Sendern. Zudem weist Christian Jungwirth, der Geschäftsführer des Community TV Senders OKTO, darauf hin, dass nichtkommerzielle Medien in erster Linie der Zivilgesellschaft dienen und eine ergänzende Funktion zu den Medien des dualen Rundfunksektors erfüllen. 

Eine weitere Besonderheit von Community Medien ist der partizipative Charakter, der sich bei kaum einem anderen Medium in dieser Form wiederfindet. Freie Radios und Community TV Sender bieten den Bürger*innen einen offenen Zugang zu medialer Infrastruktur und ermöglichen es ihnen, ihre Meinungen, Ansichten und Erfahrungen mit der Öffentlichkeit zu teilen. Laut Peissl ist dieser Aspekt besonders für die Meinungsvielfalt in einer demokratischen Gesellschaft förderlich, da sowohl die Themen- als auch die Angebotsvielfalt gesteigert werden. Zudem muss man sich in diesem Kontext die Frage stellen, wer überhaupt zur Sprache kommt, da die mediale Darstellung immer mit dem Hintergrund des Mediums oder der Meinung der Produzent*innen zusammenhängt. 

In Community Medien kommen insbesondere jene Personen zu Wort, die von bestimmten Situationen direkt betroffen sind und über die in den kommerziell orientierten Medien vorwiegend aus zweiter Hand berichtet wird. Dabei haben beispielsweise obdachlose Menschen die Gelegenheit, selbst Inhalte zu produzieren, um ihre persönliche Perspektive beizusteuern. Zudem hält Peissl fest: „Durch diese Logik der Nicht-Kommerzialität und des offenen Zugangs stellen sich fast automatisch Themen ein, die eben ergänzend sind zu den großen anderen Medien“. Diesen Aspekt greift auch Jungwirth auf, indem er auf den hohen Migrationsanteil in der Bevölkerung Wiens hinweist. In anderen Mediensektoren werden die Bedürfnisse dieser Communities nur unzureichend bedient. Im nichtkommerziellen Rundfunk achtet man, so Jungwirth, deshalb gezielt darauf: „Was gibt es in den Bereichen der Programmlandschaft, der öffentlich-rechtlichen und privatkommerziellen nicht, auch bezüglich entsprechender Zielgruppen dahinter.“ Somit ist OKTO bei sozialen Randgruppen besonders reichweitenstark, da es so gut wie keine Konkurrenz aus anderen Mediensektoren gibt. 

Community Medien vs. Soziale Medien 

Eine Assoziation, die häufig entsteht, wenn von Partizipation und Interaktion die Rede ist, ist das Internet und in weiterer Folge die sozialen Medien. Ähnlich wie in den nichtkommerziellen Medien werden auch in diesem Bereich die Rezipient*innen zu den Produzent*innen. Aber werden Community Medien dadurch nicht überflüssig? 

Um diese Frage zu beantworten, weist Peissl besonders auf die wirtschaftlichen Unterschiede der beiden Medienfelder hin. Bei Social Media Plattformen handelt es sich vorrangig um kommerzielle Unternehmen, die Inhalte als Mittel zum Zweck verwenden, um Reichweite für Werbekund*innen zu generieren. Zudem kommunizieren die Menschen hauptsächlich als Individuen und der soziale Rahmen, wie er bei Community Medien vorhanden ist, fehlt. Das wirkt sich auch auf das Verständnis der ethischen und rechtlichen Regelungen aus und wie diese im Unternehmen gelebt werden. 

Als Bedrohung für den nichtkommerziellen Rundfunk sieht Peissl die sozialen Medien deshalb nicht. Man hat zwar zeitweise über die Unterschiede zwischen Community Medien und sozialen Medien aufklären müssen, aber mittlerweile ist die Abgrenzung deutlicher. Zudem werden die sozialen Medien auch von nichtkommerziellen Medienunternehmen, wie beispielsweise dem Community TV Sender OKTO, verwendet, um Inhalte zu verbreiten. Diesbezüglich spricht Christian Jungwirth den möglichen Konflikt an, der entstehen kann, wenn ein nichtkommerzielles Medium Inhalte auf einer kommerziell orientierten Plattform publiziert. Auf der einen Seite würden stark ideologiegetriebene Community Medien dieses Konzept mit der Begründung des „bösen Kapitals“, das im Hintergrund stehe, ablehnen. Auf der anderen Seite hat man jedoch erkannt, dass die eigenen Möglichkeiten ohne diese Verbreitungsoptionen deutlich eingeschränkt sind. Besonders eine jüngere Zielgruppe kann über soziale Netzwerke erreichbar gemacht werden.  

Jungwirth selbst vertritt allerdings die dritte Strategie. Er rät, sich in „die Höhle des Löwen“, also in die sozialen Medien, zu begeben, um Talente, Trends und Entwicklungen zu erkennen und die Plattformen auf eine professionelle und angemessene Weise zu nutzen. Als Beispiel führt er den Faktencheck-Kanal Bait an, der in Kooperation mit OKTO steht. Die Media Literacy Organisation konzentriert sich auf das Aufdecken von Fake News, sowie die Durchführung von journalistischen Faktenchecks. Ihre Besonderheit ist, dass sie ihre Inhalte über die Hochburg der Fake News veröffentlicht: TikTok. Jungwirth meint dazu: „Und das sind die Sachen, wo ich schon immer überzeugt war, man muss den Stier bei den Hörnern packen, man muss dorthin, wo das Problem besteht.“ 

Die Bedeutung für die Gesellschaft 

Nichtkommerzielle Medien sind also anders. Anders als der öffentlich-rechtliche Rundfunk. Anders als die kommerziellen Sender. Anders als die sozialen Medien. Aber was macht sie eigentlich wichtig? Warum sind sie für die Öffentlichkeit und die Demokratie relevant, ja vielleicht sogar unabdingbar? 

Zum einen lässt sich der Vorteil der Praxiserfahrung nicht abstreiten. Helmut Peissl beschreibt es mit den Worten: „Wir haben vor acht Jahren die Chance gehabt hier einmal eine kleine Studie zu machen. Es war höchst spannend zu sehen, dass sich die Leute hier eine breite Palette von Kompetenzen aneignen. All das, ohne mit dem Vorsatz, etwas zu lernen in diese Tätigkeit hineinzugehen. Man lernt es beim Tun.“ Die Menschen erhalten nicht nur die Möglichkeit, Inhalte für ein breites Publikum zu kreieren, sondern sie erlernen im Zuge ihrer Arbeit auch die notwendigen Kompetenzen für die Medienproduktion. 

Ergänzend zur Kompetenz bei der Medienproduktion spricht Jungwirth auch die Medienkompetenz an. Genauer gesagt die Vermittlung von Medienkompetenz. Man muss bei den Menschen ein Bewusstsein für Fake News und gestellte Inhalte schaffen, sodass sie diese auch erkennen können. Laut Jungwirth, besteht durchaus ein starkes Interesse an Angeboten und Workshops, die sich mit diesen Themen beschäftigen. 

Peissl spricht zudem die Wichtigkeit von kollegialem Feedback und einer funktionierenden Fehlerkultur an. Denn aus Fehlern lernt man. Und nichtkommerzielle Sender stellen das perfekte Umfeld dar, um Fähigkeiten auszuprobieren und Ideen zu verwirklichen. 

Doch den größten Vorteil sieht Peissl in der sozialen Komponente. Die Covid-19 Pandemie hat gezeigt, dass Community Sender ein physischer Ort der Zusammenkunft und des Austauschs sind, welche nicht durch virtuelle Räume ersetzt werden können. Peissl betont hierbei: „Wir sind soziale Wesen und wir sind auch analoge Wesen. Also die Idee, dass sich alles digitalisieren lässt, sehe ich sehr skeptisch.“ 

Melanie Nebenführ | Copyright: Max Peternell