Der Weg, Bücher an die Öffentlichkeit zu bringen, hat sich in den letzten Jahren stark verändert. Jenseits von Verlagsmodellen, schaffen viele ambitionierte Schriftsteller*innen Erfolg durch Self-Publishing. Um die Demokratisierung der Publikationsprozesse und den modernen Buchmarkt zu bewerten, trifft sich das SUMO-Magazin mit Hannes Steiner, Gründer von Story.One und mit den Autorinnen Emily Bold und Nicole Richter, die unterschiedliche Wege, der Buchveröffentlichungen beschritten haben.
Von SOPHIE MANTLER
Ein weiteres Kapitel ist fertig, 300 Seiten vollgepackt mit Geschichten, Anekdoten, Metaphern und Charakteren, die du allein in deinem Zimmer nach der Schule geschrieben hast – um Gefühle und Gedanken zu sortieren. Wenig später findet sich eine Plattform: „Cool, mit nur 39 Euro das Buch online in 6.000 Buchhandlungen veröffentlichen.“ Impulsiv wird auf Veröffentlichen gedrückt. Du arbeitest lange daran, entwirfst ein Cover, deine Freund*innen helfen dir. Nach der ISBN-Vergabe stehen die ersten Exemplare wenig später vor der eigenen Haustür. Durch eine Instagram-Story erreichst du deine 200 Follower, vierzig von denen schreiben zurück, zwanzig von ihnen kaufen dein Buch. Das erste Geld, das du durch dein eigenes Buch verdienst. Du fühlst dich wie Jane Austen. Bis du siehst, dass du auf Seite zwanzig die falsche Präposition benutzt hast und schon etliche Gleichgesinnte ihre Bücher professioneller und kreativer veröffentlichen. Braucht es mehr, um Bestsellerautor*in zu werden?
Jenseits der Verlagswelt
Der größte deutsche Self-Publishing Anbieter Books On Demand präsentiert in einer Umfrage aus 2023, dass 49,1% der Deutschen davon träumen, ein eigenes Buch zu schreiben. „Warum sollte sich nicht jeder ein Stück vom Kuchen abschneiden können?“, denkt sich Emily Bold. Die deutsche Autorin begann ihre Karriere 2011 über Self-Publishing, indem sie ihre ersten Geschichten auf der Kindle Direct Publishing Plattform veröffentlicht und somit als E-Book auf Amazon angeboten hat. Seit ihrem Debüt mit dem selbstveröffentlichten Buch Gefährliche Intrigen hat die Autorin ganze Jugendbuchreihen verfasst. Ihre Werke wurden in verschiedene Sprachen übersetzt und sogar als Hörbücher adaptiert – angefangen hat es mit der eigenen Idee und dem eigenen Handeln. Es entstanden über die Zeit zusätzliche Self-Publishing Plattformen, die Menschen denselben Traum erfüllen sollen, ihr eigenes Buch zu veröffentlichen. Nachdem vergeblich an Verlagstüren geklopft wird, entscheiden sich immer mehr Menschen für alternative Formen ein Buch zu publizieren. Bei Self-Publishing Plattformen liegt die absolute Kontrolle des Buchlayouts, der Preisgestaltung, des Inhalts sowie die Vermarktung bei den Autor*innen. Dabei müssen sie wenig, bis gar keine Vorabkosten liefern, da viele Plattformen einen Teil der Verkaufserlöse als Gebühr behalten. Self-Publishing ist in der Form jedoch keine neue Erfindung, die erst mit den Technologien unserer Zeit ermöglicht wurde, sogar in den Biografien von Friedrich Schiller wird erwähnt, dass er damals schon sein Vermögen in die Veröffentlichung seiner ersten Werke investiert hat. Heutzutage geht es einfacher und kostengünstiger denn je, eigene Texte zu veröffentlichen. Schnell kannst du in der U-Bahn noch ein Gedicht auf Instagram hochladen oder einen Blogeintrag vor dem Schlafengehen veröffentlichen. Trotz des schnellen Postens in den sozialen Medien, hat das Veröffentlichen von traditionellen Büchern noch immer einen bedeutenden Wert.
Story.One: Von der Geschichte zum Bestseller
„Bücher sind nicht vergänglich, sie haben etwas Ewiges. Alle schreiben Bücher, wenn es wirklich wichtig ist“, sagt Hannes Steiner und erwähnt, dass das Buch noch immer als etwas Wahres und für Diktaturen sogar als etwas Gefährliches angesehen wird. Hannes Steiner, der ehemalige Gründer und Verleger von Ecowin, trifft täglich auf die Magie die Bücher in sich tragen. Seiner Meinung nach, sollten auch alle die Chance bekommen, mit ihren Geschichten zu der Magie beizutragen.„Es ist etwas total Frustrierendes Menschen zu sagen, dass sie etwas nicht machen sollen, auch wenn sie es großartig machen.“ Daher verließ er die traditionelle Arbeit im Verlagshaus und gründete die Plattform Story.One. Während bei Verlagen viele Manuskripte abgelehnt werden, soll hier jeder seine Möglichkeit haben sich dem Schreiben zu widmen. Momentan sind schon fast 14.000 Bücher durch Story.One entstanden. Der Ansatz der Plattform ist aber nicht genau derselbe wie der von Self-Publishing, denn der Kreativität der Menschen wird ein fixer Rahmen gegeben und die Seitenanzahl sowie das Cover der Bücher sind von der Plattform vorgegeben. Alle Aufgaben, die sich nicht mit dem Herstellen des Inhalts beschäftigen, werden von dieser neuen Verlagsform übernommen. Im Rahmen eines bestimmten Layouts, können Menschen ohne Hürden Kurzgeschichten auf die Plattform stellen. Dies geschieht barrierefrei, kostenlos, ist für alle zugänglich – und auch in gedruckter Form möglich. Mit Wettbewerben wie dem Young Storyteller Award, der von Thalia unterstützt wird und Buchchallenges auf der Plattform bekommen Autor*innen Chancen, mit ihren Büchern eine große Leserschaft zu erreichen. Manchmal reicht auch ein TikTok, um die Aufmerksamkeit der Massen zu erhalten. Hannes Steiner schildert, wie ein davor unbekannter Teilnehmer am Young Storyteller Award mit einem Social Media Post über sein Buch plötzlich 200.000 Aufrufe erhielt.
Self-Publishing: Ein neues Kapitel in der Buchbranche
Abgesehen von dem leichten Erreichen möglicher Leser*innen, bietet Self-Publishing viele andere Vorteile. Autorin Emily Bold teilt mit, dass sie davon profitiert keine Abgabefristen oder Vorgaben zu ihren Werken zu haben. „Die Freiheit schreiben zu können, was man möchte, ist unbezahlbar.“, meint die deutsche Schriftstellerin. Viele große Namen finden ebenso Gefallen an dieser Veröffentlichungsform. Stephen King, um nur einen zu nennen, begann nach seiner schon erfolgreichen Karriere seine Bücher in seinem eigenen Verlagshaus zu publizieren. Denn Autor*innen haben es nach ihrer schon langen Karriere nicht mehr notwendig, mit Verlagen zu verhandeln oder das Geld für ihre Werke zu teilen. Zusätzlich liegt das Urheberrecht ihrer Bücher somit voll und ganz bei ihnen. Auch beginnende Autor*innen müssen nicht auf das „Go“ der Großen warten, denn mit Self-Publishing nimmt man es selbst in die Hand. Hannes Steiner ist der Meinung, dass man sich nicht auf das Auswahlverfahren der Verlage verlassen muss. Viele träumen davon entdeckt zu werden, aber es zeigt sich, dass die großen Autor*innen es nicht zufällig geschafft haben, sondern viel Arbeit und anderes Können in ihre Karriere reingesteckt haben. Während sich damit bei Verlagen ein ganzes Team beschäftigt, verkörpert all diese notwendigen Berufe, um einen Bestseller zu erreichen, bei Self-Publishing eine einzige Person. Die Vorstellung, dass Self-Publishing durch das alleinige Arbeiten amateurhaft und wertloser als Verlagswerke sei, ist veraltet und entspricht nicht der Wahrheit. Emily Bold hebt hervor, wie selbst veröffentlichte Werke mit enormem Einsatz und dem Anwenden der unterschiedlichen Kompetenzen durchaus professionell erarbeitet und in guter Qualität abliefert werden.
Viele Konsument*innen beklagen sich jedoch darüber, dass Self-Publishing Produkte nicht lektoriert sind und daher viele Fehler aufweisen. Durch eine schlechte Erfahrung mit einem Self-Publishing Buch lehnen viele Leser*innen das Kaufen dieser Bücher komplett ab. Für die Leserschaft bedarf es daher einer qualitativen Prüfung der Orthografie und der Grammatik, die oft von einer einzelnen Person schwer erledigt werden kann. Nicole Richter, die jahrelang im Styria Verlag tätig war und selbst Autorin und Bloggerin ist, berichtet, dass es sich, im Vergleich mit Self-Publishing, bei einem Verlag, um ein professionelles Netzwerk handelt, das die Autor*innen bei allen Aspekten der Buchpublikation unterstützt. Somit können sich die Schriftsteller*innen mehr auf die kreativen Aspekte fokussieren.
Die Verlagsarbeit ist auch mit Kompromissen über geschriebene Inhalte verbunden, die jedoch mitunter häufig mit besseren Verkaufszahlen belohnt werden. „Vom Lektorat über die Grafik, Werbung bis zu dem Vertrieb“, zählt die Autorin auf, „bei all diesen Bereichen hat man einen professionellen Partner an der Seite.“. Trotzdem betont Frau Richter, dass beide Parteien arbeiten müssen und die Schriftsteller*innen noch immer die große Verantwortung tragen. Vor allem die Selbstvermarktung wird für Autor*innen in allen Verlagsmodellen selten abgegeben. Hannes Steiner beobachtet, dass es derzeit kaum erfolgreiche Autor*innen gibt, die nicht über ein großes Netzwerk verfügen und dies auch nutzen, um mit ihrer Leserschaft zu kommunizieren. Für diese Kommunikation sind die sozialen Medien ein wichtiges und oft eingesetztes Werkzeug, wie man es schon an dem Hashtag BookTok sieht. Dieses beliebte Hashtag auf TikTok hat über 200 Millionen Aufrufe.
Das Thema Buch bleibt somit auch im digitalen Bereich ein wichtiges Medium. Für Self-Publisher, die sich schon um alles andere kümmern müssen, ist es auch eine Herausforderung, sich eine Reichweite aufzubauen. Emily Bold blickt auf ihre Karriere zurück und merkt selbst, dass Sichtbarkeit erlangen und diese auch zu behalten mit viel Arbeit verbunden ist. „Man kann sich nicht darauf verlassen, dass die Leser*innen zurückkommen, denn digitales Lesen ist trotz allem auch digitales Vergessen.“ Außerdem darf man sich wiederum nicht auf die romantische Vorstellung verlassen, dass ein Buch veröffentlicht wird und aus dem Nichts Bekanntheit findet. Nicole Richter untermauert, dass Autor*innen alle Möglichkeiten nutzen müssen, sei es online auf Social-Media-Kanälen oder offline durch Lesungen, um sich in der Branche sowie bei Leser*innen einen Namen zu machen.
Viele Wege führen zum Buch
„Ich bin im Selbstverlag groß geworden und fand es immer wunderschön, aber es war ein erhebendes Gefühl als mein erstes Hardcover Jugendbuch tatsächlich dann im Buchladen stand“, sagt Emily Bold und hebt zusätzlich hervor, dass ein Verlagsmodell das andere nicht ausschließt. Signieraktionen von Buchläden geschehen einem im Self-Publishing wohl kaum, dennoch wird eine kreative Freiheit und schnelle Realisierung der Bücher geboten, die im Verlagswesen nicht möglich ist. Emily Bold ist froh, dass sie beides machen kann und als Autorin somit etliche Möglichkeiten hat, ihre Geschichten zu erzählen. „In der Literatur gibt es auch so etwas wie Fast Food, das auf einem E-Book Reader für 3,99 perfekt wegkonsumiert werden kann.“ Die Deutsche meint, dass dafür kein Verlag nötig sei, der diesen Preis gar nicht halten kann. Als Autor*in kann man daher auf alle Veröffentlichungsoptionen zurückgreifen. Hannes Steiner bringt es auf den Punkt, indem er sagt: „Ein anderes Wort für Autor*innen heutzutage ist das Wort Content Creator und da ist es egal, ob ich ein Video mache, einen Text schreibe oder wie ich etwas publiziere. Es geht um die Geschichten“.
Die Vielfalt zum Erfolg
Wie wird man nun ein*e Bestsellerautor*in? Self-Publishing bietet jeder/jedem Autor*in die Möglichkeit, den eigenen Erfolg individuell zu definieren und zu verfolgen. Für manche mag der Traum darin bestehen, ihr Werk im Buchladen zu sehen und damit eine gewisse Berühmtheit zu erlangen. Für andere ist allein der Abschluss ihres Buchprojekts bereits ein Triumph. Diese Vielfalt in den Zielen und Definitionen des Erfolgs zeigt, dass Self-Publishing eine facettenreiche Landschaft ist, in der jeder seinen Platz finden kann. In dieser Dynamik des Self-Publishings spiegelt sich der Wandel in der Buchbranche wider. Die traditionellen Barrieren sind gesunken und die Vielfalt in den Bücherregalen hat zugenommen. Es ist ein Modell, das nicht nur den Zugang zur Veröffentlichung erleichtert, sondern auch die kreative Freiheit fördert und die Grenzen der Literatur erweitert.
