Der „gute“ Klimajournalismus und die Jugend

Junge Menschen sind mit schlechten Klima-Nachrichten überfordert, sagt Lisa Ladstätter vom Projekt „klimareporter.in“. Der Journalismus sei in der Verantwortung, Themen besser und konstruktiver aufzubereiten.

von SABIR ANSARI

Die Bandbreite des Klimajournalismus ist groß. Bei dem Projekt „klimareporter.in“ arbeiten junge Menschen für ein Informationsangebot, das vor allem auf ihre Altersgruppe zugeschnitten ist. Welche Hürden in ihrer Arbeit bestehen und welche Aspekte beachtet werden müssen, damit nachhaltig guter Klimajournalismus produziert werden kann, erzählt Lisa Ladstätter, Co-Leiterin von „klimareporter.in“.

SUMO: Warum ist denn die Berichterstattung über das Thema Klima so polarisierend?

Lisa Ladstätter: Das liegt ein bisschen in der Natur der Klimakrise an sich. Auf der einen Seite ist sie wahnsinnig präsent. Aber es ist kein Thema, das sich medienmäßig gut für Aufmacher eignet. Außer wenn es dann einmal ein Extremereignis gibt, zum Beispiel ein Hochwasser, dann hat man die Katastrophe als das Bild der Klimakrise. Aber an sich ist es schwer, denn die Krise hat keinen Neuheitswert. Daraus entstehen dann auch diese unterschiedlichen Erfassungen der Klimakrise, weil verschiedene Player etwas anderes daraus machen und dann für ihre Zwecke und Diskussionen instrumentalisieren.

Welche Player sind das denn zum Beispiel?

Ladstätter: Ich sehe hier die Medien immens in der Verantwortung, das Thema nicht zu überemotionalisieren. Wenn es zum Beispiel um die verschiedenen Protestformen geht, bei denen sich dann bestimmte Journalist:innen bemüßigt fühlen seitenweise darüber zu schreiben. Das ist alles Platz, wo es vermeintlich um die Klimakrise geht, sie dann aber eigentlich letzten Endes doch gar keinen Platz hat.

Gibt es einen Grund, warum Medien dieses Thema so überemotionalisieren?

Ladstätter: Ein Aspekt ist sicher der, dass sich viele darauf eingeschossen haben. Es ist ein Thema, das sich auch deswegen selbst verstärkt, weil eben schon so viel so emotional berichtet worden ist. Dabei bräuchte es diese Emotionalität gar nicht, um das Thema wichtig und groß zu machen. Aber polarisierende Überschriften verkaufen sich besser. Es ist eine sehr einfache Maßnahme, um eben Aufmerksamkeit für das eigene Medium zu erzeugen.

Welche Rolle haben junge Menschen beim Thema Klimakrise und Klimaberichterstattung?

Ladstätter: Ich würde sagen eine ganz wichtige, weil es die junge Generation ist, die die Krise am meisten betrifft und betreffen wird. Und deswegen ist die Klimaberichterstattung unter Jugendlichen eben ein ganz großes Thema und wird dementsprechend auch sicher zunehmen.

Sorgen junge Menschen grundsätzlich dafür, dass das Thema Klima präsenter wird?

Ladstätter: Auf alle Fälle ja. Schon alleine wegen den jahrelangen Freitagsprotesten. Diese gehen zum überwiegenden Teil auf die jungen Leute zurück, die sagen: „Hey, das ist wichtig.“ Das macht auf jeden Fall Hoffnung. Denn schlechte Klimanachrichten lassen einen selbst mit einem immensen Ohnmachtsgefühl zurück. Speziell für junge Leute auf Social Media, wo man ja dauernd mit schlechten Nachrichten konfrontiert wird. Deswegen sagen auch viele, sie rezipieren bewusst weniger Nachrichten, um sich dem nicht ständig auszusetzen.

Was lässt sich Ihrer Meinung nach dagegen machen?

Ladstätter: Ich sehe jene, die im Journalismus und speziell im Klimajournalismus tätig sind, in der Verantwortung, die Themen besser und konstruktiver aufzubereiten. Dass ich nach einem Artikel, in dem zwar faktisch alles stimmt, mir dann nicht denken muss: „Boah, also es schaut ziemlich schlecht aus und irgendwie kann ich nichts machen.“

Wie sieht denn guter, konstruktiver Klimajournalismus aus?

Ladstätter: Das ist unsere Bemühung bei „klimareporter.in“, dass wir konstruktiven Journalismus betreiben. Und da finde ich es ganz wichtig, immer Lösungswege aufzeigen und nie mit der Horrornachricht aufhören. Natürlich bringe ich zwar die unangenehmen Fakten, aber gleichzeitig zeige ich auf, wo etwas verändert werden kann. Ganz wichtig ist, dass es im lokalen Bereich oft eigentlich schon Lösungen gibt, diese müssen dann eben aufgezeig werden.

Gibt es noch andere Punkte, die beachtet werden müssen?

Ladstätter: Ich finde es auch wichtig, die Klimakrise in jedem Artikel übergreifend mitzudenken. Die Klimakrise soll nicht immer das Hauptthema sein, sondern ein Aspekt in anderen Themenbereichen. Guter Journalismus hat eine Klimadimension.

Social Media bringt im Vergleich zu traditionelleren Medien noch den Faktor von Algorithmen ins Spiel. Welchen Einfluss hat das beim Klimajournalismus?

Ladstätter: Social Media ist für uns bei „klimareporter.in“ ein schwieriges Thema. Wir sind nämlich eine Online-Plattform und arbeiten deswegen viel auf Social Media, zum Beispiel auf Instagram. Dort haben wir damit zu kämpfen, dass wir keine konstante Reichweite besitzen. Auch Meldungen, dass uns die Schaltung von Werbung untersagt wird, sind uns nicht fremd. Leider ist uns unklar, was genau das Problem ist. Der große Vorteil ist dafür die Niederschwelligkeit.

Soziale Netzwerke stehen im Moment aber vor allem wegen der einfachen Verbreitung von Fake News unter Kritik.

Ladstätter: In Bezug auf Fake News passiert ja schon viel. Die fiesen Posts sind jene, die wahrheitsverzerrend sind, nicht die einfachen Lügen. Jene, die subtiler sind, verharmlosen und auf den ersten Blick nicht direkt erkennbar sind. Twitter (Anm.: mittlerweile „X“) ist ein Beispiel dafür, dass leider auch Rückschritte gemacht werden. Grundsätzlich besteht ein Bewusstsein, die Plattformen in die Verantwortung zu nehmen. Ich wünsche mir, dass das auch stärker in die Tat umgesetzt wird.

Bei wem liegt denn die Verantwortung, wenn es um Klimajournalismus geht?

Ladstätter: Die Verantwortung liegt natürlich schon bei den Journalist:innen, aber auf alle Fälle nicht nur bei ihnen. Viel Verantwortung tragen meiner Meinung nach die Ausbildungsinstitutionen, in denen Journalist:innen ausgebildet werden. Dort muss das Thema Klima bzw. der Klimajournalismus einfließen. Wenn es um die Unterbringung der Artikel geht, sind aber nicht nur Journalist:innen verantwortlich, sondern auch Medienunternehmen, damit jene Artikel Platz finden und veröffentlicht werden. Ein bisschen sehe ich die Verantwortung auch bei den Konsument:innen. Die Verantwortung kann aber nicht auf eine einzelne Gruppe abgewälzt werden. Freilich spielen alle eine Rolle und sind daran beteiligt.

Wie muss sich die Berichterstattung im Klimajournalismus verbessern?

Ladstätter: Wir leben in einer Zeit der multiplen Krisen. Es gibt ganz viele wichtige Themen und die Klimakrise ist eine davon. Andere Krisen werden in den Vordergrund kommen, und das ist auch ganz normal so. Wichtig ist nur, sich dann nicht einfach voll auf ein Thema zu stürzen, sondern die anderen Krisen, unter anderem auch die Klimakrise, nicht aus den Augen zu verlieren.

Die Klimakrise soll sich also die Berichterstattung mit anderen Krisenthemen teilen?

Ladstätter: Die Klimakrise soll neben den anderen Krisen mitgedacht werden. Zum Beispiel wurde während der Corona-Pandemie berichtet, wie sich der fehlende Verkehr auf Städte, die Umwelt und das Klima ausgewirkt hat. Dann ist es nicht nur einfacher zu verdauen, sondern auch einfacher zu begreifen. Die Klimakrise ist nämlich sehr abstrakt. Durch das Verknüpfen mit anderen Themen wird sie greifbarer und leichter vorstellbarer. Und damit können wir ihren Einfluss in allen anderen Themengebieten aufzeigen.

Sabir Ansari | Copyright: Julius Nagel