Was vorgestern noch Plakate und Flugblätter waren sind heute Instagram-Posts und -Stories. Die politische Kommunikation hat sich im Zeitalter der Digitalisierung und des Medienwandels stark verändert.
Von Tina Hanreich
Politische Kommunikation
Das Internet hat unsere Welt maßgeblich verändert. So auch die Welt der politischen Kommunikation. Durch den mit der Erfindung des World Wide Web entstehenden technischen Medienwandel entstand bis heute eine sogenannte „Plattformisierung“. Sie bringt wesentliche sozio-kulturelle als auch sozio-politische Folgen: es entstanden neue Akteure, neue Prozesse und auch neue Strukturen der Öffentlichkeit. Eine wesentliche Auswirkung für die Gesellschaft ist, dass es zu einer weitgehend selbstbestimmten Beschaffung von Informationen kam. Jedes Individuum mit Internetzugang hat die Möglichkeit die Öffentlichkeit zu erreichen und – ein Aspekt, der besonders bei PolitikerInnen im Zentrum steht – für eigene Anliegen direkt Öffentlichkeit herzustellen. Der „Umweg“ über klassische Medien ist demnach nicht mehr zwingend nötig. Diese direkte Kommunikation bringt großes Potential mit sich, da es direkte Dialoge ermöglicht und auch die Image-Bildung wurde stark vereinfacht. Für Parteien ist eine solche Kommunikation die Chance, ihr Theaterstück dem Publikum Face-to-Face zu präsentieren. Durch die sozialen Medien entstanden kommunikative Machtoptionen und man kann von einer fundamentalen Neuinstitutionalisierung, so Otfried Jarren 2021, da es sich um ein neues, globales netzbasiertes gesellschaftliches Informations- und Kommunikationssystem handelt, dem Infrastruktureigenschaften zukommen. Ein wichtiger Begriff, der bei dieser Thematik aufkommt, ist das „Framing“. Framing beschreibt das Phänomen, dass bei der Berichterstattung bestimmte Vorstellungen von der Realität erzeugt werden, indem beispielsweise Themen nur selektiv betont werden. Instagram ist für Framing die gemachte Bühne, gleichzusetzten mit einem Scheinwerfer, der den Fokus des Publikums auf ein konkretes Geschehen lenkt, andere Ecken der Bühne jedoch in der Dunkelheit verharren lässt.
Politiker oder Influencer?
Das Gebiet der politischen Kommunikation auf Social Media wurde schon weitläufig erforscht. So auch in Österreich. Die Grayling Group beispielsweise analysierte das Social Media Verhalten von Ministerinnen und Ministern auf Social Media. Laut dieser Analyse sind Ministerinnen und Minister mit etwa 300 Beiträgen pro Person auf Social Media vertreten. Dies liegt im europäischen Mittelfeld – Spaniens MinisterInnen sind hier die Vorreiter. Eine spannende Erkenntnis, die die genannte Analyse brachte ist dazu, dass Publikationen von PolitikerInnen mehr Engagement mit sich bringen als bei „klassischen“ Influencern. BürgerInnen werden offensichtlich bei politischen Inhalten mehr zur Meinungsäußerung angeregt als dies bei Lifestyle Content der Fall ist. Hierbei verhalten sie sich eher passiv, so Arnold 2021.
Soziale Medien bringen ein enormes Potential für politische Kommunikation mit sich. Wie gehen nun österreichische PolitikerInnen mit der digitalen Welt um? Wie präsentieren sie sich selbst und welche Kulisse des Landes schaffen sie durch gezieltes Framing?
Vorhang auf für die österreichischen MinisterInnen auf Instagram:
Name | Ministerium | Follower | Beiträge |
Karl Nehammer, Msc. | Bundeskanzler | 41,9K | 910 |
Mag. Werner Kogler | Vizekanzler, Bundesminister für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport | 29,5K | 1.081 |
Dr. Magnus Brunner, LL.M. | Finanzen | 3,921K | 382 |
Mag.a Karoline Edtstadler | EU und Verfassung im Bundeskanzleramt | 18,4K | 899 |
Leonore Gewessler, BA | Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie | 13,8K | 826 |
Mag. Gerhard Karner | Inneres | – | – |
Univ.-Prof. Mag. Dr. Martin Kocher | Arbeit und Wirtschaft | 5,5K | 537 |
Ao. Univ.-Prof. Dr. Martin Polaschek | Bildung, Wissenschaft und Forschung | 2,2K | 145 |
MMag.a Dr.in Susanne Raab | Frauen, Familie, Integration und Medien im Bundeskanzleramt | 7,8K | 604 |
Johannes Rauch | Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz | 1,3K | 59 |
Mag. Alexander Schallenberg, LL.M. | europäische und internationale Angelegenheiten | 576 | 0 |
Mag.a Klaudia Tanner | Landesverteidigung | 6K | 600 |
Mag. Norbert Totschnig, MSc | Land- und Forstwirtschaft, Regionen und Wasserwirtschaft | 1,6K | 107 |
Dr.in Alma Zadić, LL.M. | Justiz | 32,5K | 479 |
Die Recherche zeigt: Österreichische MinisterInnen scheinen das Potential von Instagram wahrzunehmen und zu nutzen. Die Anzahl der Posts pro Profil liegt überwiegend im dreistelligen Bereich, Werner Kogler liegt sogar bei über 1000 Beiträgen. Die einzigen Instagram-Verweigerer scheinen hierbei Alexander Schallenberg zu sein, der keine Beiträge auf seinem Profil publiziert hat und Innenminister Gerhard Karner ohne öffentliches Profil unter seinem Namen.
Die Bühne der Klimaministerin
Um einen etwas tieferen Einblick in das politische Geschehen auf Instagram zu bekommen wird in Folge das Profil von Leonore Gewessler betrachtet.
Die etwa 800 Beiträge der Ministerin zeigen ein Abbild der Karriere der Ministerin und umfassen die verschiedensten Themen der vergangenen drei Jahre.
Gewesslers erster noch ersichtlicher Beitrag entstand am 7. Juni 2019 und zeigt sie selbst als 2. Listenplatz der Grünen für die Nationalratswahl 2019. Der weitere Feed-Verlauf zeigt anfänglich viele Selfies und Schnappschüsse – auch aus einem privaten Kontext. Sie präsentiert sich authentisch, ohne ersichtliche Bildbearbeitungen und ohne Corporate Design. Dieser Stil ändert sich jedoch im Wechsel der Bühnenbilder schnell. Die ersten Posts mit einem Design, das bei der Grünen Partei kanalübergreifend verwendet wird, zeigen die Wahlplakate der Nationalratswahl 2019. Zu den am Anfang in grün gehaltenen Schriftzügen, wird ein grelles Pink implementiert und Sprüche, die offenbar im Kopf hängen bleiben sollen dominieren das Instagram Feed der sich im Wahlkampf befindenden Kandidatin. Mit dem Fortschreiten des Wahlkampes werden die Beiträge immer professioneller. In beinahe jedem Posting wird der Klimaschutz aufgegriffen und Themen wie der Ausbau von erneuerbarer Energie oder des ÖPNV-Netzes werden angesprochen. Erfolge wie beispielsweise das laut eigenen Angaben „grünste Budget aller Zeiten“ werden mit mehreren Fotos und auch Videoclips im Rampenlicht präsentiert. Gewessler und ihr Team legen jedoch den Fokus nicht ausschließlich auf die eigenen Wahlerfolge, es werden auch internationale Ereignisse und Gedenktage thematisiert und Haltung gezeigt. Der Instagram-Account von Gewessler wird auch gezielt als Werbetool des Klimatickets oder später der Kampagne „Mission 11“ genutzt. Fotos aus dem privaten Kontext weichen in den Hintergrund und einheitliche Schriftzüge und professionell gestaltete Graphiken überwiegen. Im Herbst 2022 dominiert auf dem Instagram-Kanal vor allem ein Thema: die Gaskrise. Hier wird kommuniziert, dass die Versorgung der Haushalte gesichert sei und es wird ein sehr positives Bild des Energiestandorts Österreich vermittelt. Die Abhängigkeit von Importen und die mögliche Versorgungsknappheit bleiben außerhalb des Scheinwerferlichts. Erfolge in Richtung Unabhängigkeit von russischem Erdgas werden präsentiert und es wird kommuniziert, dass Österreich die Energiekrise „…mit Sonne, Wind und Wasserkraft die Energieversorgung selbst in die Hand“ nehme.
Generell lässt sich schließen, dass Framing gezielt genutzt wird, um Aufmerksamkeit für die Themen des spezifischen Ministeriums zu schaffen. Themen, die andere Ressorts betreffen werden kaum bis gar nicht aufgegriffen. Das Bühnenlicht strahlt die Klimakrise und die Erfolge des Klimaministeriums an. Durch die Person Leonore Gewessler wird – wie auch bei allen anderen Instagram-Kanälen der MinisterInnen Idenity Politics betrieben. Es wird eine höhere Anerkennung der Regierungsarbeit und der grünen Partei im jeweiligen Ressort angestrebt sowie die Verbesserung der gesellschaftlichen Funktion und auch die Stärkung des Rückhalts in der Bevölkerung und somit der Machterhalt. Vorhang.
Über die Autorin
Tina Hanreich studiert Medienmanagement an der FH St. Pölten. Sie ist in Wien aufgewachsen und wohnt auch bis heute im 4. Gemeindebezirk. Neben ihrer Begeisterung für das Reisen und Tanzen hat sie großes Interesse für politische Themen. Derzeit absolviert sie ein Praktikum beim ORF im Bereich Social Media.