Der Videospielkonsolenmarkt galt lange Zeit als starker Wachstumsmarkt. Mobile Games sollten diese Rolle mit innovativen Erlösmodellen übernehmen. Bis die großen Publisher die Ideen vom Smartphone auf die Konsolen übersetzten.
Der Videospielmarkt wächst und wächst. Man spricht jährlich von einem Wachstum von bis zu 10% und spätestens seit dem Aufkommen von Smartphones erreichen Videospiele nicht nur die PC- und Konsolenzocker. In Österreich spielten 2017 bereits 4,9 Millionen Menschen Videospiele – Tendenz steigend.
Wachstumsträger Mobile Gaming
Grund dafür sind längst nicht mehr Konsole und PC, sondern Mobile Gaming. 2018 war der weltweite Markt für mobile Spiele erstmals größer als der Markt für PC- und Konsolenspiele gemeinsam – mit einem jährlichen Wachstum von 25% verglichen zu 2% bzw. 4% in den abgehängten Sektoren.
Mobile Games von Publishern wie Epic Games oder King werden von einem Millionenpublikum gezockt
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Die kometenhafte Entwicklung von mobilen Spielen geht mit dem Ansatz einher, dass Videospiele auf dem Smartphone wesentlich mehr Gesellschaftsschichten erreichen, eine niedrigere Spielintensität und einen niedrigeren Zeitaufwand als klassische Plattformen erfordern. Zudem ist das Mobiltelefon im Gegensatz zu PC und Konsole unterwegs immer dabei, ist ein sogenanntes Handheld-Gerät. Ein solches fördert den Gelegenheitsfaktor und lässt kurze Spieldauern bei Wartezeiten zu. Diesen Handheld-Markt hat das Smartphone aber nicht erschaffen, es hat ihn sich einverleibt und erweitert. Wo seit mittlerweile 30 Jahren Nintendos Geräte, wie der Game Boy oder der Nintendo DS, oder Sonys PSP und PS Vita die Gamer abholten, konnten in wenigen Jahren Mobile Apps die Massen zu sich ziehen. Dies zeigt sich in den Verkaufszahlen der Handhelds. Während der Nintendo DS, erschienen 2004, über 150 Millionen Stück absetzen konnte, kommt der 2001 nachfolgende Nintendo 3DS auf etwa die Hälfte der verkauften Stückzahlen. Nintendo musste feststellen, dass Adaptionen der hausinternen Klassiker wie Pokémon für Smartphones das neue Erfolgsmodell sind.
Der Nintendo 3DS konnte seinem Vorgänger nicht gerecht werden – trotz zahlreicher Pokémon Titel
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Revolutionäres Umsatzmodell
Ein großer Unterschied findet sich auch in der Preispolitik. Während klassische PC- und Konsolentitel einen Vollpreis von 70€ mit sich schleppen, sind die meisten Mobile Games gratis. Sie fordern einen nicht auf etwas zu zahlen, sondern sie bieten lediglich Kaufoptionen, sogenannte „In-App-Käufe“ an. Meist sind dies kosmetische Inhalte, Erweiterungen oder Hilfsmittel, um im Spiel schneller voranzukommen. So hat das kostenlose Spiel „Candy Crush Saga“ als einer der Vorreiter dieser Spiele bereits 2014 über eine Milliarde Dollar durch In-App Käufe erzielt. Der Battle-Royal Shooter „Fortnite“ zählt 2018 und auch 2019 zu den größten Spielen dieser Preispolitik. So konnte sich der Publisher Epic Games alleine im Mai 2019 über 200 Millionen Dollar Umsatz freuen – mit einem kostenlosen Spiel. Das Geheimnis dahinter ist ein schier endloses Spiel. Ein Spiel, das ständig mit neuen Inhalten gefüttert wird. Ein Spiel, das den Rezipienten am liebsten nie wieder von sich gehen lässt. Ein „Game as a Service“, kurz “GaaS”.
Warum Games as a Service?
Videospiele waren seit ihrem ersten Auftritt fertige Produkte, vergleichbar mit anderen Medienprodukten wie Zeitschriften. Der Kunde kauft basierend auf seinen Erfahrungen mit vorherigen Titeln und seinem Vertrauen zur Spielereihe oder dem Publisher ein fertiges Spiel zum Vollpreis. Die Hersteller konnten ihre Kosten mit einer gewissen Anzahl an verkauften Spielen zu einem bestimmten Preis decken.
Die Digitalisierung sollte auch in der Gaming-Branche für schier endlose neue Erlösmodelle sorgen. Anstatt dem Spieler ein fertiges Produkt zu verkaufen und zu hoffen, dass er das nächste wiederkauft, wird bei GaaS regelmäßigmit neuen Inhalten über Online-Updates versucht, den Spieler so lange wie möglich an ein Spiel zu binden. Dies sorgt einerseits dafür, dass Entwickler länger an einer Idee und einem Konzept arbeiten und dieses stetig verändern können, andererseits sind bei einem solchen Modell die Kunden oft bereit, laufend Geld in ein sich stetig verbesserndes Spiel zu investieren. Viele große Publisher haben dieses Modell bereits implementiert, wie Ubisoft unter anderem mit „Rainbow Six Siege“, Square Enix mit „Final Fantasy 15“ oder EA mit „Fifa Ultimate Team“.
FIFA Ultimate Team gilt als einer der lukrativsten Spielmodi der letzten Jahre
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Ursprung am PC, Aufstieg am Smartphone, Zukunft auf der Konsole
Das erste GaaS-Modell hat Blizzard für sich entdeckt, als man Anfang der 2000er-Jahre bei dem PC-Game „World of Warcraft“ auf ein Abonnement-Modell mit regelmäßigen Zahlungen setzte. Mit der Einführung der Mobile Games entwickelte sich ein neuer Markt der schnell zeigte, dass kurzlebige Spiele für 80 Cent keine gewinnbringende Lösung für Entwickler darstellten. Das Free-to-Play-Modell mit Mikrotransaktionen stellte sich schnell als Standard ein und sorgt seit Jahren für den größten Marktzuwachs in der Gaming-Branche. Zwischenzeitlich war der Mobile Markt gemessen am Gesamtumsatz sogar größer als der PC- und Konsolenmarkt, jedoch haben die großen Publisher das neue Erfolgsrezept für sich gewonnen. Vor allem der Konsolenmarkt soll im Bereich der servicebasierten Spiele noch enormes Marktwachstumspotenzial haben. Dieses Potenzial beschert der Konsolen-Sparte eine Wachstumsprognose für 2019 von über 13% und liegt damit über der Prognose für Mobile Gaming.
Kritik von Community und Politik
Wem also nun ein Spiel gefällt, der hat die Möglichkeit weitere spielerische oder kosmetische Inhalte oder Boni gegenüber anderen Spielern zu erwerben. Wem das nicht gefällt, der kann das Spielerlebnis in den meisten Modellen auf die gleiche Weise wie zuvor weiterführen. Was zunächst nach einem fairen Modell klingt, kann schnell zu einem unausgeglichenen Spiel zugunsten der Zahlenden werden. Dabei bedienen sich viele Publisher psychologischen Schwachstellen der Menschen. So wird beispielsweise der Schwierigkeitsgrad ab einem gewissen Punkt zu hoch, um ohne finanzielles Beisteuern noch Spaß zu haben. Nach all der investierten Zeit möchte man den bereits errungenen Fortschritt nicht aufgeben und zahlt noch einmal drauf, um mitzuhalten.
Das gegenwärtig kontroverseste Modell zeigt sich in Loot-Boxen. Loot-Boxen sind eine verkleidete Form des Glückspiels und sind mittlerweile allen großen Publishern ans Herz gewachsen. Durch den Kauf einer Loot-Box erhält der Spieler zufällige Gegenstände, die ihm entweder im Spiel weiterhelfen oder kosmetischer Natur sind. Der Anreiz dabei ist die Möglichkeit, bereits mit dem ersten Versuch seltene oder die besten Gegenstände zu erhalten, oftmals für hunderte von Euro.
Das Problem ist, dass bei dieser Art des Glückspiels nicht vor Kindern und Jugendlichen Halt gemacht wird. Einige Staaten wie Großbritannien begegnen diesem Problem auf politischer Ebene und fordern das Verbot von Loot-Boxen für Kinder. Das Spiel „Star Wars Battlefront 2“ von Publisher EA sorgte kurz vor seiner Veröffentlichung 2017 für eine bis heute unerreichte Resonanz auf dieses Modell. Da das Freischalten eines einzelnen Charakters, auch wenn dieser der allmächtige Darth Vader ist, etwa 70€ kostet, also dem Vollpreis für ein Videospiel entspricht, wurde viel Kritik von Gamern und Politikern ausgeübt. Die Antwort von EA auf der Plattform Reddit führte zum Rekord für die meisten negativen Bewertungen in der Geschichte von Reddit. Aufgrund des großen Drucks entschied sich EA kurzerhand zum Start des Spiels komplett auf Mikrotransaktionen zu verzichten, um weitere negative Resonanz ausschließen zu können.
Gute Umsetzung hat Zukunft
Trotz vieler Beispiele kundenverachtender Umsetzung zeigt sich, dass der richtige Einsatz von Mikrotransaktionen in Zusammenhang mit einem GaaS-Modell wahre Wunder bewirken kann. Das beste Beispiel ist zweifelsfrei der Titel „Fortnite“ von Epic Games. Mit täglichen inhaltlichen Neuerungen und verlockenden, aber nicht gameplay-verändernden Premiuminhalten wie dem Battlepass, Skins oder anderen kosmetischen Änderungen hat sich der Battle-Royal-Shooter zum neuen Pausenhofkönig der jungen Gamer entwickelt. Neben dem berüchtigten Battle-Royal-Modus bietet „Fortnite“ auch noch andere Modi, die entweder kompetitiver, kreativer oder abenteuerlicher Natur sind und schnappt sich so möglichst viele Spieler auf einmal, mittlerweile über 125 Millionen.
„Fortnite“ gilt als die eierlegende Wollmilchsau unter den Spielen, sowohl für Spieler als auch für Publisher. Genau so sollte ein Game as a Service aussehen, denn wo es keine Verlierer gibt, gibt es nur Gewinner.
Über den Autor
Jan Müllner studiert seit 2017 den Bachelorstudiengang Medienmanagement an der Fachhochschule in St Pölten. Nach der Matura 2016 lebte er im Zuge eines Work & Travel Programmes in England, wo er seine Leidenschaft zu Medien, Fußball, Basketball und Videospielen entdeckte.