Informationsquelle: Facebook

Facebook als Beschützer vor dem Information-Overload, oder: wie uns der Facebook-Algorithmus in eine Filterblase drängt.

Für alle, die den Film „The Social Network“ (1) nicht gesehen haben: ursprünglich (2) wurde Facebook von Harvard-Studenten, allen voran Mark Zuckerberg als eine Art „digitales Jahrbuch“ entwickelt. Mit einem Profil sei es möglich, sich auch in der virtuellen Welt mit Freunden zu vernetzen. Ohne auf sonstige Art mit ihnen kommunizieren zu müssen, hielte man sie durch regelmäßige Posts und Statusupdates auf dem Laufenden über aktuelle persönliche Ereignisse und Gemütszustände. Die eigentliche Idee hinter Facebook war also, die ganze Welt unabhängig von Grenzen zu vernetzen. Die ideale Plattform für Jugendliche auf ihrer Entdeckungsreise durch die Welt.

Bis heute hat sich in diesem sozialen Netzwerk viel verändert. Ein wesentlicher Treiber war die Einführung von Fanseiten (3) im Jahr 2007. Ab diesen Zeitpunkt war Facebook nicht mehr nur auf persönliche Beziehungen zu Freunden, sondern auch auf Interessen bezogen (4). Jede Fanseite, über deren Inhalte man ständig informiert werden möchte, wird mit einem Like versehen und schon wird die Timeline mit Inhalten befüllt die nicht von den Freunden kommen, sondern von den Betreibern der Fanseiten. Diese sind mittlerweile so vielfältig, dass sich Facebook von einem sozialen Kommunikationsmedium in eine hybride Unterhaltungs- und Informationsplattform verwandelt hat. Von Seiten, die lustige Memes (5) und Videos posten, bis hin zu Qualitätsmedien, die kurze Artikel teilen – Facebook ist weit über das digitale Jahrbuch hinausgewachsen. Die Timeline beinhaltet nun augenscheinlich alles, worüber der User informiert werden will. Um bei der Suche nach neuen Informationsquellen zu helfen, hat Facebook einen Algorithmus entwickelt, der neue Seiten und Freunde vorschlägt, die zu dem passen, was einem bereits gefällt. Ein Algorithmus (6) ist eine Reihe an definierten Anweisungen, die, im Fall von Facebook, als Ergebnis alle Daten auswerfen, die für den einzelnen User als relevant berechnet werden. Facebook weiß also offensichtlich auch, worüber man informiert werden will. Und das reicht den meisten Leuten. Wozu noch auf anderen Wegen redaktionell aufbereitete Informationen beschaffen, wenn man alles bequem, gratis und auf einem Blick über Facebook rezipieren kann? Je weniger Aufwand und benötigte Zeit, desto besser.

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Quelle: Screenshot Facebook

Nicht ausreichend informiert

Die Anforderung der User an Facebook ist in erster Line schnelle und leichte Unterhaltung. Niemand scrollt wahrscheinlich in der Timeline bis ganz nach unten, um wirklich alles gesehen zu haben und niemand klickt, so ist zu vermuten, auf jeden Link, um die dahinter verborgenen Artikel zu lesen. Auch Facebook will die Informationen seicht halten und die Gemüter keinesfalls aufregen. Um dies zu ermöglichen, wurde der Algorithmus „Edgerank“ (7) entwickelt. Er gibt dem User automatisch nur das zu lesen, was ihm gefällt. Die Timeline wird nie alle Informationen aller Freunde und aller gelikten Seiten anzeigen, sondern nur diese, die als für diesen einzelnen User relevant berechnet werden. Von „Freunden“, mit denen kaum gechattet und deren Posts selten gelikt werden, wird im Facebook Feed wenig zu finden sein. Aktuelle Posts, die bereits viele Likes, Shares und Kommentare (am besten noch von vielen Freunden) haben, werden beim Durchscrollen eher aufscheinen. Durch dieses System entsteht rund um jedes Facebook-Profil eine Filterblase (8).Nur noch das, mit dem der individuelle User am meisten interagiert, und das somit am relevantesten für ihn scheint, wird ihm angezeigt. Da die größte Interaktion meist mit Freunden und Seiten, die die eigene Meinung vertreten, stattfindet, sortiert der Algorithmus automatisch diejenigen Beiträge aus, die eine andere Ansicht enthalten. Die Timeline ist also auch eine Echokammer (9), die die eigene Meinung wiederhallt und andere aus der Blase ausschließt. Dadurch wird die eigene Meinung so immens gestärkt und bestätigt, dass man sie für die der breiten Öffentlichkeit hält, und keine anderen Denkweisen mehr zu existieren scheinen.

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Quelle: Eigene Darstellung

Ich und meine Filterblase – alles was ich brauche

Die Timeline auf Facebook zeigt dem User also alles, das ihn interessieren könnte und lässt die Dinge, die er vermutlich unbeachtet überscrollen würde, unsichtbar. Genau das macht Facebook als Informationsquelle so attraktiv. Nur Themen und Meinungen, die einen auch interessieren werden angezeigt. Über alles, worüber man hören möchte, wird man augenscheinlich informiert und den Rest möchte man gar nicht hören. Andere Medien scheinen somit obsolet. Wozu noch Geld für eine Zeitung ausgeben, wenn einen die Hälfte der Artikel gar nicht interessieren und man die News durch „Gefällt-mir“ der Fanseite genau derselben Zeitung auch auf Facebook bekommt?

Besonders in der politischen Berichterstattung auf Facebook wird diese Faulheit stark ausgenützt. User liken direkt die Seiten diverser Politiker und Parteien und verzichten möglicherweise auf weitere Quellenrecherchen. Dass objektive Informationen gerade im gesellschaftspolitischen Bereich wichtig ist, kann übersehen werden. Ebenso wie das Vertrauen auf Aussagen der viel zu oft geschönten Postings von Politkern und manipulativen, oft sogar hetzerischen Online-Medien, die sich die Fakten so zurechtlegen, um ihr Weltbild aufrecht zu erhalten. Mit der Unterstützung von Edgerank tauchen diese User in ihre Filterblase ein und sehen die Welt nur aus einer einzigen Perspektive und mit Scheuklappen. Jeder Artikel von Zeitungen, der ihnen angezeigt wird, und jedes Posting gibt die Sicht aus genau diesem Blickwinkel wieder. Dass auch einige ihrer Freunde anderer Ansicht sind, enthält Facebook ihnen vor.

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Quelle: Screenshot Facebook

Alles liken, wenig lesen, nichts denken

„Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen“ (10), diesen Satz sagte Immanuel Kant (11) bereits 1784 und doch ist er so aktuell wie nie. Als Begründer der Aufklärung versuchte er, die Menschen zu motivieren, sich nicht leiten zu lassen, sondern selbst zu denken und eine eigene Meinung zu haben. Er erkannte auch schon, dass nur Faulheit und Feigheit dahinterstecken, wenn ein erwachsener Mensch unmündig bleibt und nicht selbstständig denkt.

In der Zeit der digitalen Kommunikationswelt kann es durchaus ein Problem darstellen, die Informationsbeschaffung nicht Menschen, sondern einer Facebooksoftware zu überlassen, um alle Informationen aus verschiedenen Perspektiven zusammenzutragen. Der Algorithmus macht den User unmündig und verleitet ihn zu glauben, er sei vollständig informiert, wenn er seine Timeline durchscrollt. Deutlich wird wiederum der hybride Charakter der Kommunikationsplattform Facebook, die einerseits versucht, analoges soziales Verhalten von Menschen digital zu spiegeln und andererseits Schaufenster des Journalismus zu sein. Doch die Trennung von Journalismus und sozialem Umfeld gilt es besonders hervorzuheben und nicht zu vermischen. Denn wie viele von Euch und Ihnen, liebe Leser, zählen Redakteure großer Medienhäuser zu ihren engsten Freunden?

Kritisches Denken ist unentbehrlich, gerade in der Zeit von Fake News, User-Generated Content (12) und Extremismus. Die Medienvielfalt und unabhängige und objektive Berichterstattung sollen helfen, die eigene Meinung zu bilden. Da diese Faktoren im Netz nicht gegeben sind, sollten trotz der allwissenden Plattform Facebook die herkömmlichen zuverlässigen Quellen objektiver Information, also Zeitungen, Rundfunk-Nachrichtensendungen und so weiter, nicht vernachlässigt werden. Sapere aude! (13)

 

 

ÜBER DIE AUTORIN

Larissa Schreiber studiert Medienmanagement an der FH St. Pölten mit Schwerpunkt auf Mediennutzung im Online-Bereich. Im Journalismus erprobt sie sich bereits seit ihrer Schulzeit durch Mitarbeit an der Schülerzeitung. Neben dem Studium arbeitet sie als Verfasserin von redaktionellen Werbeartikeln und sammelt Medienerfahrung durch Praktika.

 

Quelle Titelbild: pixabay