Klima im Wandel: Macht und Machtlosigkeit der sozialen Medien

Social Media als „Schlachtfeld“ für die Verbreitung von Nachrichten über den Klimawandel: Doch welchen Einfluss üben Plattformen wie Facebook, X (vormals Twitter) und Co. auf unsere Wahrnehmung der Klimakrise aus? SUMO hat mit Mathias Neumayr, Digital Campaigner bei Greenpeace, sowie Fabian Bergner, Social Media-Experte und Gründer der Digital-Marketingfirma „Lux Fux“ über die Chancen und Risiken von sozialen Medien gesprochen.

von NICOLE BOKUVKA

Ein Leben ohne Smartphone und ohne Plattformen wie Instagram, Facebook oder TikTok? Für viele Menschen heutzutage unvorstellbar. Im Jahr 2023 lag der Anteil der Menschen, die Nachrichten über Facebook rezipieren, weltweit bei rund 28 Prozent – was die Plattform zum führenden Kanal für die Nachrichtenrezeption macht. Allerdings gewinnen neuere soziale Medien wie Instagram und TikTok rapide an Bedeutung. Der Reuters Institute Digital News Report 2023 ergab, dass bereits 14 Prozent der Befragten wöchentlich Nachrichten über Instagram rezipieren, das ebenfalls zum Meta-Konzern von Mark Zuckerberg gehört. Und TikTok holt gerade in der jungen Zielgruppe massiv auf.

„Social Media hat viele andere Medien ersetzt, die früher eine One-Way Kommunikation betrieben haben. Mit sozialen Plattformen kann man direkt mit Medienmacher:innen in Interaktion treten. Das war früher – etwa in einer Zeitung – nicht möglich, da hat man vielleicht einen Leserbrief schreiben können, aber das war‘s“, erzählt Fabian Bergner, Gründer des österreichischen Digitalmarketing-Unternehmens „Lux Fux“.

Auch für den Klimajournalismus bietet dies neue Möglichkeiten. Durch Social Media ist es möglich, ein deutlich größeres Publikum zu erreichen und dieses über das Thema Klimawandel zu informieren und zu sensibilisieren. „Gerade ein aufgeladenes Thema wie Klimajournalismus sorgt auch für Diskussion. Ich finde es gut, dass dieser Austausch zwischen Social Media-Nutzer:innen ermöglicht wird – Für und Wider, man sieht unterschiedliche Seiten. Das macht das Thema präsent,“ schätzt Bergner die Social Media-Kommunikation hier klar als Vorteil ein. Die sozialen Medien könnten auch dabei helfen, komplexe Themen verständlicher darzustellen. Es würden neue, kreative Ansätze geschaffen, wie beispielsweise Videos, Reels oder Infografiken, welche den Klimajournalist:innen gute Möglichkeiten bieten, das Thema anschaulich und nachvollziehbar darzustellen.

Erfolgreiche Klima-Kampagnen

Einer, der das aus der täglichen Praxis kennt, ist Mathias Neumayr, bei Greenpeace Österreich für die digitalen Inhalte zuständig. Er sagt: „Wir haben verschiedene Methoden, beispielsweise versuchen wir durch Infografiken, Informationen besser zu visualisieren. Ein anderes Beispiel sind Memes, die den Zynismus oder die Widersprüchlichkeit in einem Thema darstellen.“ So sei es möglich, eine jüngere Zielgruppe anzusprechen und deren Bewusstsein für das Thema Klimawandel zu schärfen.
Für Organisationen wie Greenpeace bieten die sozialen Medien also neue Möglichkeiten, das Bewusstsein der Menschen für den Klimawandel zu schärfen und diese zu eigenem Engagement zu motivieren. Durch Beiträge und Appelle in den sozialen Medien schaffen es NGOs, eine deutlich größere Menge an Personen zu erreichen, als es noch vor ein paar Jahren der Fall war. Speziell in der jungen Zielgruppe hat sich durch Bewegungen wie „Fridays for Future“ eine Klima-Community gebildet, welche stark auf Social Media vertreten ist und gegen den Klimawandel ankämpfen möchte. Neumayr gibt ein Beispiel dafür: „Greenpeace hat als erste Organisation in Österreich im Jahr 2019 eine Verfassungsbeschwerde beim Verfassungsgerichthof eingereicht, wo es um die Ungleichbehandlung der Kerosinbesteuerung gegangen ist.“ Bei dieser Sammelklage hätten sich Greenpeace über 8.000 Menschen angeschlossen. Aus seiner Sicht war die begleitende Social-Media-Kampagne – trotz letztlicher Ablehnung der Klage aus formalen Gründen – ein Erfolg.

Die Kehrseite der Medaille

Klingt doch alles ziemlich positiv. Doch auch soziale Medien haben ihre Schattenseite. Davor warnt Mathias Neumayr: „Dass es keinen Gatekeeper gibt, ist genauso Nachteil wie Vorteil. Es gab noch nie so viele Informationen wie jetzt. Es war noch nie so leicht, Falschinformationen zu verbreiten und sie wirken zu lassen, als wären sie echte Fakten. Und es bilden sich extreme Blasen und Echokammern, die sich gegenseitig aufbauschen.“ Das alles wird durch Algorithmen verstärkt, die es ermöglichen, die bevorzugten Themen und Beiträge der Nutzer:innen auf Social Media zu erkennen und dementsprechend die weiteren Inhalte, die der Person angezeigt werden, daran anzupassen. „Wir alle wissen, dass unser Gehirn auf negative und schockierende Nachrichten stärker reagiert als auf positive Nachrichten. Insofern ist es ein Risiko, dass Algorithmen eine bestimmte Richtung oder Tendenz verstärken,“ betont Marketingexperte Bergner.

Ist man durch Algorithmen erst einmal in einer Blase gefangen, ist es oftmals schwer, die Realität von Falschnachrichten zu unterscheiden. In den Echokammern gibt es meist nur eine Meinung, und durch Algorithmen wird man mehr und mehr in dieser bestärkt. Dadurch bilden sich oft Verschwörungstheorien oder – im konkreten Fall – Gruppen von Klimaleugner:innen. Diese sind dann meist nur mehr schwer von den wissenschaftlich belegten Fakten zu überzeugen: Was in der Blase verbreitet wird, wird als „Wahrheit“ angesehen.

Der richtige Umgang mit Social Media

In einer Welt der digitalen Nachrichtenüberflutung wird es entsprechend immer wichtiger, einen bewussten und wachsamen Umgang mit Meldungen auf Social Media zu schaffen. „Man sollte sich selbst im kritischen Denken und Reflektieren üben. Man muss sich klar darüber sein, dass man alles, auch wenn es noch so sehr die eigenen Werte und Vorstellungen bestätigt, hinterfragen sollte,“ so Bergner. Von Bedeutung sei demnach auch, dass man nichts weiterverbreite, was man nicht selbst überprüft habe. Wenn man etwa nur eine Quelle zu einem Thema finde, sei die Gefahr groß, dass diese nicht stimme. Matthias Neumayr hat dafür einen Tipp parat: Man sollte bewusst auch nach dem Gegenteil einer These googeln, um zu wissenschaftlich belegten Fakten zu gelangen. Und: Auch der Journalismus sollte die Transparenz seiner Arbeitsweise erhöhen. Fabian Bergner dazu: „Was man als Journalist tun kann, um eine bessere Transparenz zu schaffen, ist, die Quellen offenzulegen: Wie ist man zu der Info gekommen und wie wurde sie verarbeitet? Auch sollte man mit einer gewissen Kritik an der eigenen Meldung arbeiten, bedeutet also, dass man nicht alles unreflektiert veröffentlichen sollte.“ Für beide Seiten gilt es also, mehr Verantwortung zu übernehmen. Sowohl Rezipient:innen als auch Medienmachende müssen sich an der Nase nehmen und auf Qualitätskriterien achten.

Noch machtvollere Plattformen?

Neue Technologien wie die Künstliche Intelligenz haben sich in enormer Geschwindigkeit entwickelt und werden sicherlich auch in Zukunft die Art, wie wir Social Media verwenden, verändern. „Ich glaube, dass in Zukunft noch schwieriger zu erkennen sein wird, was echt ist und was nicht. Gerade diese Entwicklungen im Machine Learning werden uns generell weiterbringen, aber man muss natürlich wie bei jeder Technologie schauen, dass es sich in die richtige Richtung entwickelt,“ meint Mathias Neumayr. Auch Fabian Bergner blickt sowohl mit einem optimistischen als auch einem kritischen Auge in die Zukunft: „Die Nachrichtenflut wird sicher stärker werden. Ich glaube, dass die Plattformen- und Algorithmen-Macht zunehmen wird, weil aufgrund eben dieser Nachrichtenflut mehr gefiltert werden muss. Wir selbst haben ja nur eine geringe Aufmerksamkeitsspanne.“

Nicole Bokuvka | Copyright: Julius Nagel