Aktivist Maximilian Schoissengeyer im Portrait – und darüber, warum er an Protesten der
„Letzte Generation“ nicht mehr aktiv teilnimmt.
von AURELIA AEYCHOUH
„Ich würde mir wünschen, dass das Problem endlich wie ein Problem behandelt wird,“ betont Max Schoissengeyer, ein 26-jähriger Mathematikstudent aus dem Bezirk Vöcklabruck, Oberösterreich. Der Aktivist klebt sich nicht nur auf Straßen fest, sondern setzt sich aktiv für Bewusstseinsbildung und politischen Druck ein und stellt sich damit der Klimakrise entgegen.
Schon lange bevor sich Max der Letzten Generation anschloss, interessierte er sich für den Klimaschutz und überlegte, wie er etwas dazu beitragen könnte. Seine Überlegungen darüber, wie sein Leben in 50 Jahren aussehen könnte, wenn keine Maßnahmen ergriffen werden, trieben ihn dazu, Vorlesungen an der Universität Wien und an der Universität für Bodenkultur zu besuchen. Dort hat er mitgenommen, dass man die Prognosen genau kennt, sowie die Maßnahmen, die getroffen werden müssten, um diese in eine andere Richtung zu lenken. Er sieht die Klimakatastrophe als eine bedrohliche Realität, die nicht ignoriert werden kann. Allerdings wird laut Max das Thema sehr schnell weggeschoben, da die Bevölkerung und die Politik sich nicht damit befassen müssen, wenn sie es nicht wollen. „Dann habe ich für mich beschlossen, dass man immer wieder an die Thematik erinnern muss, auch wenn die Leute nicht daran erinnert werden wollen,“ so der Student.
Ein Informationsabend der Letzten Generation und die Schüttaktion bei dem Klimt-Gemälde „Tod und Leben“ im Leopold Museum gaben ihm den entscheidenden Push, sich der Protestbewegung anzuschließen. Vor allem die polarisierenden Aktionen faszinierten ihn, da sie endlich eine Diskussion in Österreich starteten. Seit Februar 2023 war Max dann aktives Mitglied der Letzten Generation, einer Gruppe von Klimaaktivist:innen, die unter anderem in Wien auf unkonventionelle Weise auf die Dringlichkeit des Klimaschutzes aufmerksam macht und um eine bessere Klimapolitik kämpft.
„Die Sprache verschlagen …“
Nach einem Protesttraining begann sein Aktivismus mit dem Festkleben auf Straßen. Die Nervosität ließ auch nach mehr als 25 Protesten nicht nach. Seine erste Klebeaktion fand vor der Wiener Secession statt, wo die Polizist:innen bereits auf die Aktivist:innen warteten. Max spricht darüber, dass er die Nacht davor nur sehr wenig schlief und es ihm kurz vor der Aktion die Sprache verschlug. Relativ schnell begann Max damit, Gesprächsabende, vor allem in Oberösterreich, zu leiten und damit die Forderungen und Hintergründe der „Letzten Generation“ weiter zu verbreiten. Dem Aktivisten bereiten vor allem die kritischen Diskussionsrunden eine große Freude: „Das Bild, das vor allem in Boulevardmedien über uns verbreitet wird, ist ein eindeutiges. Dem möchten wir durch diese Gespräche entgegenwirken und den Menschen erklären, wieso wir das überhaupt tun und was wir uns dabei denken.“
Max‘ Motivation ist klar: Er möchte die Dringlichkeit der Klimakrise ins Bewusstsein der Menschen rücken. Seine Forderungen an die Regierung, darunter eine Tempobegrenzung auf Autobahnen auf 100 km/h und ein Stopp neuer Öl- und Gasbohrungen in Österreich, sind klare Schritte in Richtung Klimaschutz. Diese „Minimalforderungen“ sollen Druck auf die Regierung ausüben, ohne deren Umsetzung möchte die „Letzte Generation“ ihre Proteste nicht beenden. Unübersehbare Proteste zu wählen, damit ein Diskurs stattfindet, ist eine wichtige Strategie der „Letzten Generation“. Tabuthemen, wie Schüttaktionen auf Gemälde, sollen das erzeugen, was jede Protestbewegung nötig hat: Aufmerksamkeit. Denn der Kampf um das Kima ist mittlerweile längst auch ein Kampf um Aufmerksamkeit.
„Arbeitslose Faulenzer“
Grundsätzlich wünscht sich Max eine qualitative Berichterstattung über die Klimakrise. Die Leser:innen sollen weitgehend über die Wichtigkeit des Themas aufgeklärt und darüber informiert werden, wie sie sich engagieren können und welche Forderungen an die Politik gestellt werden. Max ist kritisch gegenüber der Art und Weise, wie die „Letzte Generation“ in manchen Medien dargestellt wird. Er hebt jedoch hervor, dass Qualitätsmedien wie ORF, „Die Presse“ und „Der Standard“ eine reflektierte Berichterstattung bieten, während Boulevardmedien oft ein verzerrtes Bild zeichnen. Vor allem Leserbriefe über die Aktivist:innen seien oft sehr negativ und schüren das Bild von „arbeitslosen Faulenzern“, die die eigene Bevölkerung attackieren. Der 26-Jährige erklärt, er habe mittlerweile eine dicke Haut bekommen und könnte Beschimpfungen größtenteils ignorieren. „Wir machen alles, um niemanden zu gefährden, wir sind keine Terroristen“, erklärt er und betont, dass ihm negative Berichterstattung nichts ausmacht, solange es auch positive gibt.
Sich mitten auf der Kreuzung hinsetzen und sich festkleben. Warten, bis die Polizei kommt. Die Wut der Autofahrer:innen zu spüren bekommen. Sich ablösen und wegtragen lassen. Doch auch danach ist der Weg des Aktivisten noch nicht zu Ende. Wenn die Autohupen verstummt sind und die Handys aus sind, geht es im Gerichtssaal um die eigene Freiheit und Zukunft. Mit dem Vorhaben, das österreichische Rechtssystem herauszufordern, ist sich auch Max der rechtlichen und persönlichen Risiken bewusst, die sein Engagement mit sich bringt. Bereits mehrere Gerichtsverhandlungen musste er durchlaufen und betont die zeitliche und finanzielle Belastung. Dennoch sieht er die Notwendigkeit, persönliche Konsequenzen in Kauf zu nehmen.
Persönlicher Druck
Max betont, dass konstruktive Kritik stets willkommen sei, jedoch stelle der Umgang mit Vorurteilen und der Stigmati sierung von Klimaaktivist:innen eine besondere Herausforderung dar. Auf der Straße bei den Protesten bekommt man als Aktivist:in viel Kritik zu spüren. Besonders belastend sind jedoch Ablehnungen im persönlichen Umfeld. Stolz erzählt der junge Mann allerdings, dass bereits einige seiner Freunde und sogar seine Familienmitglieder bei solchen Protesten dabei waren und sich für das Klima auf die Straße klebten.Trotz all seines Engagements, fühlt sich der Aktivist, als würde er nicht genug für das Klima tun: „Warum studiere ich überhaupt? Wie kann ich mein Leben normal weiterleben, wenn ich weiß, was mit unserem Planeten geschehen wird? Eigentlich sollte ich 40 Stunden jede Woche dafür arbeiten“, betont er. Er macht darauf aufmerksam, wie der Aktivismus sein ganzes Leben einnimmt. Er könne es einfach nicht mit seinem Gewissen vereinbaren und möchte die Warnung vor der Klimakatastrophe so laut es geht an die Bevölkerung bringen. Und genau diese Verantwortung, alles in seiner Macht Stehende zu tun, um die Katastrophe zu verhindern, führen zu persönlichem Druck.
Besonders frustrierend ist für den 26-Jährigen die politische Lage. „Wir haben seit über 1.000 Tagen kein Klimaschutzgesetz und das liegt an unserer Politik.“ Mittlerweile ist auch klar, dass die Minimalforderungen nicht umgesetzt werden. Max macht darauf aufmerksam, dass die 100 km/h-Grenze auf Autobahnen für viel mehr gestanden wäre als nur das halbe Prozent an CO2-Einsparung.
Aktionen sind verpufft
Heute ist Max nicht mehr Teil des aktiven Protests der „Letzten Generation“. Hauptgrund dafür ist, dass er seinen Fokus wieder voll und ganz auf sein Studium legen möchte. Seinen Rückzug begründet er auch damit, dass sich das Potenzial, das er in der Protestbewegung anfangs sah, leider nicht erfüllt hat. Die Aktionen führen zu immer weniger Debatten und bewegen nicht genügend Menschen zu einem Umdenken. „Radfahren, vegetarisch sein und nicht mehr fliegen – das ist heutzutage einfach nicht mehr genug, um der Krise zu entkommen“, so Max.
Die Zukunftswünsche des Studenten sind geprägt von der Hoffnung auf gesellschaftlichen Wandel und einen verantwortungsbewussten Umgang mit der Klimakrise. Auch erhofft er sich eine neue Protestbewegung, die noch schwerer zu ignorieren ist und die große Bürgerbeteiligung erreicht. Da würde er wieder mitmachen, um weiter einen wichtigen Beitrag zu einer lebenswerten Zukunft zu leisten.