Message Control – Steuerung der Informationspolitik

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Die Politik setzt Wert auf „Instagram“ und das nicht ohne Grund. PolitikerInnen zeigen sich in den sozialen Medien als Menschen – sie stellen inszenierte Bilder von sich ins Netz, um ihr Image zu pflegen. SUMO trat ins Gespräch mit Helge Fahrnberger (Blogger, „kobuk.at“, Unternehmer) Matthias Cremer (Fotograf, „Der Standard“) und Jürg Christandl (Fotograf, „Kurier“), um über die Bildstrategien der Parteien zu diskutieren.  

Ich bin am Weg zum Arzt mit meinem Auto und höre nebenbei, um die Stille zu füllen Radio. Innenpolitische Themen sind seit dem Fall der türkis-blauen Regierung gang und gebe. Nun sitze ich beim Arzt im Warteraum mit vielen anderen Menschen, die sich irgendwie ihre Zeit vertreiben wollen. (Anm.: Artikel wurde im Dezember 2019 verfasst.) Im Raum befindet sich ein Fernseher, es laufen die Nachrichten. Etliche Zeitungen und Magazine sind am Tisch in der Mitte des Raumes aufgelegt. Ich schlage eine Zeitung auf, lese aber nicht zuerst den Artikel, sondern sehe mir das sympathische Bild von Sebastian Kurz an. Erst dann beginne ich zu lesen. Die Zeit vergeht langsam und so packe ich mein Smartphone aus der Tasche. „Instagram“ ist die erste App, die ich öffne. Beiträge von all jenen, denen ich folge. Unter anderem den verschiedenen Parteien, da ich am Laufenden bleiben möchte. Ich sehe Bilder. Bilder von Parteien, die versuchen, Informationen und Themen an mich und andere Follower zu übermitteln. Ich höre meinen Namen, der Arzt ist nun bereit für mich. In meinen Gedanken bin ich aber noch bei den Bildern der Parteien, fasziniert von der schlauen Bildstrategie der Politik.  

Steuerung der Informationspolitik auf allen Ebenen  

Sympathie, Attraktivität oder Überzeugungskraft, diese Wörter beschreiben die Bilder der österreichischen Parteien am besten. Nicht nur mit Worten, sondern auch mit Bildern versuchen Parteien Informationen und Themen an die BürgerInnen zu bringen und vor allem auch dabei ihr Image zu pflegen. Bilder erwecken Emotionen und Gefühle, sie fallen auf und bekommen Aufmerksamkeit. Die „Message Control“ – also selektive Informationssteuerung – unter der vorletzten gewählten Bundesregierung jedoch veranlasste zu Kontroversen bezüglich der Informationspolitik der Regierung, deren Bildstrategie unter Kritik stand.  

Es stellt sich die Frage, ob diese fast „perfekten“ Bilder zur Imagepflege nicht ein verzerrtes Bild einer Regierung zeigen. PR-Bilder der Parteien vermögen schnell den politischen Diskurs zu dominieren. Sebastian Kurz zeigt, wie es geht: auf gänzlich allen seiner Pressebilder und auf seinem „Instagram“-Profil sieht man den Kanzler und ÖVP-Chef zumeist als aktiv und sympathisch. Auch andere Parteien beherrschen das Spiel der Bildstrategie, um BürgerInnen anzuziehen bzw. via Imagetransfer zu überzeugen. 

„Die Medien sind das Problem, nicht die Politik“

Wie weit stellen nun solche Bilder eine verzerrte Realität dar? Wie sehr wird inszeniert? Jürg Christandl arbeitet seit 23 Jahren für den „Kurier“. Er meint, dass Bilder Botschaften verstärken und diese zeigen die PolitikerInnen meist in Aktion bei der Arbeit. Die PR-Fotos werden JournalistInnen zwecks Berichterstattung zur Verfügung gestellt. Ob sie genommen werden, liege aber in der Hand der Medien. Und auch die Botschaften müssten die JournalistInnen selbst hinterfragen. FotografInnen der PolitikerInnen seien sich einig – alle Termine, bei welchen PR-Bilder gemacht werden sind öffentlich. Das bedeute, dass auch PressefotografInnen die Möglichkeit haben, Bilder zu schießen und die Inszenierungen der PolitikerInnen zu durchbrechen. Ein weiteres Problem lässt sich hier feststellen: Einige Medien schicken aus finanziellen Gründen keine eigenen FotografInnen zu öffentlichen Terminen. Geht es um Auslandsreisen, werden nur ein Teil dieser Reisen von der APA besetzt. Bei großen nationalen Terminen vom Bundespräsidenten und von Kurz sei die APA immer mit. Die APA bietet nicht Propaganda-Bilder, sondern sehr gute journalistische Bilder. Oft sei es dann aber so, dass nur der/die Parteifotograf/in bei Veranstaltungen dabei ist und diese/r die Bilder macht. Es sei so ein Problem der Medien, denn diese verwenden das Material, weil man es sich nicht leisten will oder kann, dass man eine/n eigene/n Fotografin/en entsendet. „Man verwendet das zur Verfügung gestellte Material der APA oder von ‚Reuters‘, aber man ist sich dessen bewusst, dass man nicht gleich das Material nimmt, das direkt von Parteien oder vom Ministerium bereitgestellt wird“, so Christandl im SUMO-Interview.

Medienkompetenz

PolitikerInnen würden schlussendlich nur einfach ihren Job machen. Medien müssten sich auf politische Inszenierungen einstellen und diese hinterfragen und beleuchten, sozusagen aufdecken. Das sei keine einfache Aufgabe, und da sei auch noch Luft nach oben. Eine weitere Aufgabe hätten wir alle, und das sei die Medienkompetenz. Das bedeute, Inszenierungen sowie Ablenkungsmanöver selbst erkennen zu können. Allein, dass Message Control in der Öffentlichkeit diskutiert wird, führe zu mehr Medienkompetenz vieler MedienrezipientInnen. „Unsere Aufgabe ist es, uns zu fragen was gerade passiert und ob das vermittelte Bild Zufall oder Absicht ist“, verweist Fahrnberger auf die Wichtigkeit kompetenter Mediennutzung.

Bilder in Zeitungen müssen gekennzeichnet werden, woher sie stammen. Aber die klaren Kennzeichnungen bei den Bildern sind nicht in jeder Zeitung gleich. So komme es auf die Zeitung selbst an, wie klar und genau die Bildinformationen angeführt werden. „Manche schreiben nur ‚APA‘, manche schreiben den Namen des Fotografen oder der Fotografin dazu und manche schreiben zusätzlich, dass das Bild von Parteien zur Verfügung gestellt worden ist. Da gibt es Abstufungen – je genauer man das nimmt, desto genauer auch die Kennzeichnung bei den Bildern“, sagt Cremer im SUMO-Gespräch.

Die eigene Handschrift auf „Instagram“ und Co.  

PolitikerInnen nutzen die Plattformen als attraktive Werkzeuge, um sich selbst zu inszenieren. Pamela Rendi-Wagner, Sebastian Kurz, Norbert Hofer oder Werner Kogler – sie alle posten Bilder von sich in perfekt kontrollierten, sympathischen Szenen, um BürgerInnen ein virtuelles Ebenbild von sich selbst zu zeigen im Sinne eines Leitbildes und Bedeutungsrahmens. Gerade via „Instagram“ erreichen sie damit vor allem die jüngere Gesellschaft. Wenn wir auf das Profil von Kurz blicken, finden wir Bilder, in welchen er mit BürgerInnen posiert oder einen Hund streichelt. Bei Fotos mit Familien zielt die Inszenierung in erster Linie darauf ab, dass Sebastian Kurz als sozialer, sympathischer und sorgender Mann für Österreich dargestellt wird. Die Bildsprache ist zu einem nicht mehr wegzudenkenden Instrument in der Politik geworden. Die Politik braucht ihre inszenierten Bilder, um den BürgerInnen, die sie wählen sollen, zu zeigen, was sie sonst nirgends sehen. Was ist nun zu beachten beim Auftritt im Web mit Bildern? Wichtig ist der Hintergedanke, wie sie auf der Plattform erscheinen wollen und wie ihr Image aussehen soll. PolitikerInnen müssen wissen, was sie ihren Followern erzählen wollen und ihre Profile so aufbauen, dass sie als authentisch ankommen. 

Umgehen des „Gate Keepings“ als Vorteil  

Innerhalb der Medien gibt es einen gewissen Konsens darüber, was gut und was schlecht ist. „Gate Keeping“ (Schleusenwärterschaft) bedeutet, dass man bestimmte Themen in sein Medium aufnimmt und andere nicht. Diese können auch politischer Natur sein – ein redaktioneller Prozess des Abwiegens. „Instagram“ und Co. bieten PolitikerInnen die Möglichkeit, das Gate Keeping zu umgehen, indem sie ihre eigenen Beiträge zu Themen posten, die nicht überwiegend in Medienberichterstattungen gefunden werden können. Und man kann sich journalistische Faktenprüfung und Kritik ersparen. So etwa wehrte sich der Presseclub Concordia im Mai 2019 dagegen, bloße „Staffage“ und „Publikum für eine Inszenierung“ zu sein, wenn auf Pressekonferenzen keine Fragen mehr erlaubt seien. Aufseiten der Politik jedoch besteht ein weiterer Vorteil: die enorme Reichweite der Social Networks und die Bildkonzentrierung.  

Bewusstsein der RedakteurInnen

Christandl erklärt, dass auch RedakteurInnen oft nicht bewusst sei, welche Macht Regierungsbilder haben bzw. dass sie überhaupt solche in ihre Medienberichterstattung einfließen lassen. Die SPÖ und auch die ÖVP bzw. ihre Ministerien haben recht rasch erkannt, dass sie ihre Bilder auch an Medien direkt bzw. über die APA liefern können. Unter Ex-Kanzler Christian Kern habe die Professionalisierung des Bildmarketings so richtig begonnen. Die Parteien und Ministerien selbst haben eigene, sehr gute FotografInnen organisiert und Bilder über die APA und „Reuters“ ausgespielt. Nicht nur die SPÖ, sondern auch die ÖVP mache das genauso. Zu früheren Zeiten waren PR-Bilder der Parteien bzw. der Ministerien oder des Bundeskanzleramts, die über die APA in den Redaktionen landeten schlecht gekennzeichnet. Der Bildinformation wurde zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt und dadurch wurden diese Bilder oft in Redaktionen fälschlicherweise für journalistische gehalten. So hätten RedakteurInnen mit mangelnden Bildbewusstsein, oft ohne es zu wissen, PR-Bilder von Ministerien und Parteien verwendet. Mittlerweile habe sich dieses Bewusstsein aber leicht verbessert.  

Die Bilder der PolitikerInnen sind schlussendlich gut für das perfekte Image, aber die Realität bleibt dabei oft ausgeschlossen. Reality bites – ist aber nicht immer wahlentscheidend. 

von Lisa Mühleder