Tagtäglich stehen wir Menschen im Wechselspiel zwischen online und offline, so auch unsere Persönlichkeit und unser Sozialleben. Influencerin und Buchautorin Hannah Maylou und die pädagogische Leiterin für die Fachbereiche Medien, Digital und Gender Magdalena Mangl vom Verein für Wiener Jugendzentren setzen sich im Interview mit SUMO mit den Konsequenzen dieser Parallelität auseinander.
Von NICOLE SIEBENHANDL
Online-Chats, geteilte Storys und Bilder, Likes und Kommentare, aber auch reale Treffen und gemeinsame Aktivitäten: Jugendliches Leben bedeutet heute ein ständiges Hin und Her zwischen der virtuellen und der realen Welt. Die beiden Sphären existieren oft nebeneinanderher, manchmal sogar getrennt. Inmitten dieser Dualität manifestieren sich Beziehungen, entwickeln sich aber auch Selbstkonzepte. Jugendliche nutzen heute Inhalte in sozialen Medien, produzieren aber auch Content. Diese beiden Aspekte – Usage und Produktion – tragen zur Bildung der eigenen Persönlichkeit bei. „Jugendkultur findet sehr viel online statt“, meint auch Magdalena Mangl, Bereichsleitern vom Verein für Wiener Jugendzentren. Egal ob Musik, Kleidung oder Autos – Trends werden online geschaffen, verbreitet und dann ins echte Leben übertragen.
Die hohe Aktivität von Jugendlichen in den sozialen Medien bestätigen auch die Befunde des aktuellen Jugend-Internet-Monitor, der von saferinternet.at erhoben wird. Die drei meistgenutzten Plattformen der Jugendlichen in Österreich sind WhatsApp, Instagram und YouTube. Bei einigen Plattformen ist die Zahl der Nutzer*innen im Vergleich zum Jahr 2023 zurückgegangen, während andere Netzwerke wiederrum neue dazugewinnen konnten. WhatsApp belegt zum Beispiel immer noch den ersten Platz, verzeichnet im Jahresvergleich aber ein Minus von 20 Prozentpunkten und damit die meisten Rückgänge an Nutzer*innen. Demgegenüber hatte die Plattform BeReal, eine Applikation, die für mehr Authentizität und Spontanität im Leben sorgen soll, im Vergleichszeitraum mit einem Plus von 13 Prozentpunkten die meisten Neuzugänge. Erkennbar sind auch geschlechterspezifische Unterschiede bei der Mediennutzung: Mädchen nutzen soziale Plattformen eher, um mit anderen Jugendlichen in Kontakt zu treten, während Burschen Plattformen im Gaming-Bereich wie Discord oder Twitch nutzen. Diesen geschlechterspezifischen Unterschied bemerkt auch Magdalena Mangl vom Verein für Wiener Jugendzentren.
Online- vs. Offline-Freundschaften
Eine Freundschaft ist eine emotionale Beziehung zwischen Menschen, die auf gegenseitigem Vertrauen, Respekt, Unterstützung und der Freude an der Gesellschaft des anderen basiert. Online-Freundschaften bieten eine einzigartige Möglichkeit, Verbindungen zu knüpfen und gemeinsame Interessen über räumliche Grenzen hinweg zu teilen. Plattformen wie WhatsApp, Instagram und YouTube fungieren deshalb als Treffpunkte, an denen Jugendliche ihre Gemeinschaften aufbauen und pflegen. Die Möglichkeit, Inhalte zu teilen und an Diskussionen teilzunehmen, trägt zur Stärkung von Bindungen bei und fördert den Austausch von Ideen und Erfahrungen. Online-Freundschaften können wertvoll sein, bieten aber dennoch oft nicht die gleiche Tiefe und Intimität wie persönliche Interaktionen. Denn Offline-Freundschaften, die durch direkte Kommunikation und gemeinsame Erlebnisse geprägt sind, ermöglichen eine tiefere Verbundenheit und ein besseres Verständnis füreinander.
Zu diesem Befund kommt auch die Freundschaftsforschung, der Tillman Prüfer in einem Artikel im ZEITmagazin Ausgabe 24 auf den Grund geht: Demnach fördern qualitativ hochwertige Freundschaften, die durch tiefe emotionale Bindungen geprägt sind, das Wohlbefinden stärker als viele oberflächliche Kontakte. Belegt wird auch, dass Jugendliche mit wenigen engen Freundschaften mehr Empathie zeigen und langfristig zufriedener sind. Trotz der Vernetzungsmöglichkeiten durch digitale Medien hat die Anzahl der Freundschaften nicht zugenommen. Prüfer leitet auch ab, dass der Begriff „Freund“ heute oft inflationär gebraucht wird, was zu einer verzerrten Vorstellung von großen Freundeskreisen führt. Entscheidend für das persönliche Wohlbefinden ist aber die Qualität der Beziehungen, nicht die Anzahl der Kontakte. Dennoch sollte man die Qualität von Online-Beziehungen nicht unterschätzen. Die Studie von María José Vidales und Charo Sádaba „Connected Teens: Measuring the Impact of Mobile Phones on Social Relationships through Social Capital“, zeigt, dass die Anzahl der Kontakte und Beziehungen zu Personen aus breiteren Umgebungen das soziale Kapital sowohl online als auch offline positiv beeinflussen. Dieser Studie zufolge haben die Jugendlichen nicht nur Überschneidungen in ihren Online- und Offline-Freundesnetzwerken, sondern pflegen auch Kontakte zu Personen aus anderen Umfeldern wie Schule oder Nachbarschaft. Das wirkt sich förderlich auf ihr soziales Kapital aus.
Herausforderungen und Probleme bei der Online-Offline-Balance
Besonders zu Corona-Zeiten standen viele Heranwachsende einigen Herausforderungen bezüglich der Balance zwischen online und offline gegenüber. Mit Homeschooling sowie dem Scrollen in den sozialen Medien in der schulfreien Zeit gestaltete sich die Trennung zwischen online und offline äußert schwierig. „Am Anfang fanden es die Jugendlichen super von zu Hause aus am Unterricht teilzunehmen, aber nach einiger Zeit war es anstrengend“, so Mangl. Durch die Pandemie haben die Jugendlichen die Funktion einer Gruppendynamik verlernt. Die Einschränkungen des sozialen Lebens führten zu einer verstärkten Abhängigkeit von digitalen Kommunikationsmitteln, während gleichzeitig das Bedürfnis nach persönlicher Nähe und physischen Treffen zunahm. Jugendliche mussten lernen, wie sie die Balance zwischen virtuellen und realen Beziehungen aufrechterhalten können, um sich nicht von der digitalen Isolation überwältigen zu lassen.
Nicht nur Privatpersonen, sondern auch Personen des öffentlichen Lebens fordert der Wechsel von online und offline heraus. Influencer*innen wie Hannah Maylou leben zwei Leben gleichzeitig, nämlich ein Privates und ein Berufliches in den Medien. Bei Hate-Kommentaren fällt es der gebürtigen Wienerin schwer, diese nicht allzu persönlich zu nehmen. Maylou ist sich jedoch bewusst, dass in diesen Fällen nicht ihre private, sondern ihre berufliche Persönlichkeit kritisiert wird. Da auf ihrem Profil persönliche Themen behandelt werden, ist dennoch eine Abgrenzung ihrer Arbeit von ihrer Person nicht möglich. Allerdings kann die junge Frau selbst entscheiden, zu welchen Themen sie Posts oder Reels auf ihrem Account öffentlich macht. Familiäre Angelegenheiten spricht sie nicht an. Zudem respektiert sie ihre Freund*innen und achtet darauf, dass diese bei Stories nicht gesehen werden, falls diese es nicht möchten.
Digital Detox – wichtig und richtig
Das Gesundheitsmagazin eucell definiert „Digital Detox“ als das bewusste Beiseitelegen von digitalen Geräten wie Smartphone, Tablet, Laptop und Co. sowie das Entkoppeln von sozialen Medien. Digital Detox hat das Ziel, die Entspannung des Geistes, den Abbau von Stress und ein gesundes Gleichgewicht zwischen Online- und Offline-Zeit zu fördern. Es geht nicht darum, Technologie vollständig zu vermeiden, sondern vielmehr sie gezielt und unter Kontrolle zu halten. Denn digitale Medien können zu ständigem Vergleichen und Unzufriedenheit mit dem eigenen Leben führen, während die ständige Nutzung digitaler Geräte Schlafstörungen, Angstzustände und Konzentrationsproblemen zur Folge haben kann. Zudem nimmt bei hoher Online-Präsenz die Wahrnehmung von Realität und Fake ab. Um energiereich und ohne Überforderung in den Tag zu starten ist es hilfreich, das Smartphone nach dem Aufstehen nicht sofort in die Hand zu nehmen. Das Gleiche kann auch vor dem Schlafengehen vorgenommen werden. Influencerin Maylou hat vor einiger Zeit beschlossen das Smartphone wochentags ab 18 Uhr sowie am Wochenende bewusst zur Seite zu legen. Bei Treffen mit Freund*innen tut sie dies bereits, um die Zeit noch mehr genießen zu können. „So habe ich auch das Gefühl, dass ich da auch wirklich eine Privatperson bin und die Arbeit ist irgendwo weg“, so die Influencerin. Auch Mangl beobachtet im Jugendzentrum, dass sich die Jugendlichen mitunter bewusst dafür entscheiden, das Smartphone für gewisse Zeiträume wegzulegen. Der Grund? Die ständige Berichterstattung zu den wirtschaftlichen Folgen der Pandemie belasten die jungen Menschen. Stattdessen versucht sie die Jugendlichen zu Aktivitäten draußen bzw. in Gemeinschaft zu bewegen.
Tipps für eine Ausgewogenheit in Online- und Offline-Freundschaften
Eine ausgewogene Balance zwischen Online- und Offline-Freundschaften ist – so zeigt auch die Forschung – essenziell. Welche Empfehlungen zur praktischen Umsetzung von guter Beziehungspflege sowohl online als auch offline gibt es? Ein offenes Gespräch mit Freunden darüber, wie man gemeinsam die Zeit online und offline verbringen möchte, hilft Missverständnisse zu vermeiden und die Bedürfnisse aller Beteiligten zu berücksichtigen. Zudem ist es laut dem Gesundheitsmagazin eucell ratsam, sowohl online als auch offline positive Einflüsse zu suchen und sich von Menschen umgeben, die einem guttun und unterstützen. Das Festlegen von Bildschirmzeiten und das bewusste Entwickeln von Offline-Aktivitäten können ebenfalls dazu beitragen, eine gesunde Balance zu finden. Schließlich ist es wichtig, sich regelmäßig Zeit für persönliche Treffen zu nehmen. Denn Bindung ist mehr als bloße Verbindung im digitalen Raum.
Hotlines, an die du dich bei Problemen wenden kannst. Anonym und kostenfrei.
- 147 – Rat auf Draht: Anlaufstelle für Probleme, Krisen und Fragen für Kinder und Jugendliche (anonym und kostenfrei)
- 0800 234 123 Kids-Line: täglich von 13.00 – 21.00 Uhr
- 0800 222 555 Frauen-Helpline: Hotline auch für Kinder und Jugendliche, täglich rund um die Uhr