19.6.2025 eigene Redaktion, media society
Vanesa Pavel & Bernhard Sonn

abo.derstandard.at – Bild: derstandard.at
In einer zunehmend digitalen Medienlandschaft spielt die Glaubwürdigkeit von Social Media eine zentrale Rolle. Der Begriff „Social Media Credibility“ gewinnt dabei immer mehr an Bedeutung. Was darunter verstanden wird und wie und ob Der Standard diesem Begriff gerecht werden kann, wird in diesem Artikel näher beleuchtet.
Der komplexe Begriff Social Media Credibility
Adam Wierzbicki, Professor für Informationstechnologien an der polnisch-japanischen Akademie der Informationstechnologien in Warschau, hat in seinem Werk „Credibility of Social Media“ versucht, den Begriff einzuordnen:
“Media credibility is depicted as the capability of media to win public trust in their relationship with the public and whether or not information about source credibility is enough”.
Oder einfacher: Medienglaubwürdigkeit wird als die Fähigkeit der Medien verstanden, das Vertrauen der Öffentlichkeit zu gewinnen – wobei sich die Frage stellt, ob allein Angaben zur Vertrauenswürdigkeit der Quelle dafür ausreichend sind. Die an der „University of Economics in Katowice“ arbeitenden Przemyslaw Majercak und Artur Strzelecki, beschreiben den Begriff als “wahrgenommene Vertrauenswürdigkeit und Zuverlässigkeit von Informationen, die über soziale Medien verbreitet werden“. Beide Definitionen sprechen von einer „Vertrauenswürdigkeit“, die hergestellt werden muss. Dass diese, nach Majercak und Strzelecki, „wahrgenommen“ ist, zeigt, dass Glaubwürdigkeit einer Wahrnehmung und keiner absoluten Wahrheit folgt. Diese Wahrnehmung kann sich jedoch durch objektive Fakten und Darstellungen verändern, wie das Beispiel der Zeitung Der Standard zeigt.
Strategien der Tageszeitung Der Standard zur Steigerung der Glaubwürdigkeit auf Social Media
Der Standard setzt in seiner Darstellung auf Social Media vor allem auf seinen Instagram-Channel. Dieser ist bunt und ansprechend gestaltet und an eine junge Zielgruppe gerichtet. Der Instagram-Kanal der Tageszeitung Der Standard präsentiert sich mit dem Slogan ‚Der Haltung gewidmet‘. Damit signalisiert das Medium, dass es nicht nur Informationen vermittelt, sondern auch eine bewusste inhaltliche Position einnimmt – ein Ansatz, der zwischen klassischem Journalismus und Positionierung als Marke angesiedelt ist. Daneben ein Zeitungsemoji. Haltung und Qualität in Print- und Onlinemedien – Damit wirbt Der Standard. Ob er diese Behauptungen auch unterstützt, zeigt ein Blick auf die weiteren Informationen in der Kanalbeschreibung: Der Standard verweist in eben jener Account-Beschreibung mit Links zu seinen Stories, seinem WhatsApp-Kanal, seinem Impressum, der abgegebenen Datenschutzerklärung und einer Möglichkeit, das Unternehmen finanziell zu unterstützen. Elemente wie das Impressum, die Datenschutzerklärung und jährliche Moderationsberichte sollen die Glaubwürdigkeit der Tageszeitung Der Standard im digitalen Raum stärken. Im Impressum findet sich etwa eine Kontaktmöglichkeit für Anregungen sowie eine eigene Kontaktstelle gemäß Art. 11 und 12 der EU-VO. Auch die Datenschutzerklärung gibt Auskunft über die Verwendung von Nutzerdaten und verweist auf das geltende Medienprivileg. Diese Maßnahmen vermitteln den Eindruck von Transparenz und Verantwortung – zugleich sind sie jedoch auch Teil einer strategischen Außendarstellung, die gezielt Vertrauen erzeugen soll. Andere hochfrequentierte Medienangebote, wie die Boulevardmedien Kronen Zeitung, Heute und Österreich verzichten etwa auf öffentlich zugängige jährliche Moderationsberichte der eigenen Arbeit. Während die Kronen Zeitung in einem publizierten Artikel zumindest vage formuliert, wie sie arbeitet, ist das bei den anderen beiden Medien nicht der Fall. Die transparente Darstellung von Moderationsstunden, Regelsetzungsprozessen und Forenstatistiken hebt hier die Tageszeitung Der Standard von den genannten Boulevardmedien ab. Inwieweit diese Formaltransparenz tatsächlich zu einer kritisch-reflexiven Auseinandersetzung mit der eigenen journalistischen Praxis führt, bleibt offen. Ein Problem im digitalen Raum, mit dem auch die Tageszeitung Der Standard umzugehen hat, ist, dass redaktionelle und nicht-redaktionelle Beiträge zunehmend gleichwertig wahrgenommen werden. Der Unterschied zwischen journalistisch geprüften Meldungen und parteiischer Kommunikation – etwa durch politische PR-Agenturen, fragwürdige NGOs oder anonyme Memepages – verschwimmt. Dies untergräbt die Informationsqualität und erschwert es Nutzern, verlässliche Quellen zu erkennen. Das Medium Der Standard positioniert sich in sozialen Medien oft deutlich – insbesondere bei Themen wie Klimakrise, Antifeminismus, Desinformation oder Rechtsextremismus. Das kann als „Haltung zeigen“ gewertet werden – oder als politische Positionierung.
Herausforderungen und zukünftige Entwicklungen
Fragwürdig ist der Umgang der Tageszeitung mit Kommentaren auf Instagram. Teilweise werden Kommentare ohne Angabe von Gründen gelöscht, die der Linie der Zeitung widersprechen, oder sie werden zumindest kritisch kommentiert. Durch Community-Richtlinien und sichtbare Eingriffe bei Desinformation oder Hassrede vermittelt der Standard eine aktive Haltung gegen – aus der Sicht der Redaktion – problematische Inhalte. Damit positioniert sich das Medium nach eigenem Dafürhalten als glaubwürdiger Akteur im digitalen Raum. In einem Beitrag auf r/Austria beklagte sich beispielsweise ein Nutzer im April 2024 darüber, dass seine sachliche Kritik zu Themen wie Krieg oder Menschenrechtsverletzungen in Kommentaren bei Der Standard automatisch gelöscht wurde – offenbar ohne Erklärung und völlig unabhängig vom Inhalt.
Soziale Netzwerke wie Instagram oder Facebook leben vom Verkauf von Werbeflächen. Um möglichst viele Menschen möglichst lange auf der Plattform zu halten, werden Inhalte bevorzugt, die Emotionen wecken – etwa durch Zuspitzung, Empörung oder starke Meinungen. Was Aufmerksamkeit erzeugt, wird algorithmisch verstärkt. Genau das bringt journalistische Inhalte unter Druck: Sie müssen auffallen, ohne ihre Standards zu verlieren. Studien zeigen, dass Nutzer:innen häufig Schwierigkeiten haben, zwischen vertrauenswürdigen und zweifelhaften Inhalten zu unterscheiden.
Gleichzeitig wächst die Verantwortung der Medienmarken, durch Markenführung und Kommunikation Vertrauen zu schaffen. Wie Ghorbani und Westermann betonen, ist integrierte Markenführung im digitalen Zeitalter ein entscheidender Faktor, um Mediennutzer:innen langfristig zu binden. Gleichzeitig stehen Medienmarken stärker in der Pflicht, Vertrauen aufzubauen – nicht nur durch Inhalte, sondern auch durch den Umgang mit ihrer Community. Wer glaubwürdig sein will, muss transparent kommunizieren, Haltung zeigen und sich ansprechbar machen. Das gilt besonders in digitalen Räumen, wo Nähe zur Zielgruppe immer wichtiger wird.
Zukünftig wird entscheidend sein, wie journalistische Inhalte auch auf neuen Plattformen wie TikTok oder Threads seriös vermittelt werden können. Dabei geht es nicht nur um neue Formate, sondern auch um bestehende Probleme: Der Flut an Desinformation muss begegnet werden. Die Relevanz für die junge Zielgruppe muss dabei aufrecht gehalten werden. Und Medienkompetenz und kritisches Denken muss auch jenseits der redaktionellen Arbeit gefördert werden.
Die Glaubwürdigkeit von Nachrichten in sozialen Medien ist für die Zukunft des Journalismus entscheidend. Der Standard zeigt, wie ein Medium mit gezielten Maßnahmen auf Social Media das Vertrauen seiner Community stärken kann. Für das eigene Stammpublikum mag das funktionieren – ob dieser Ansatz aber auch breitere Glaubwürdigkeit erzeugt, bleibt fraglich.
Über die Autorinnen/Autoren

Copyright: Vanesa Pavel
Vanesa Pavel ist 20 Jahre alt und studiert im 4. Fachsemester Medienmanagement an der FH St. Pölten. Sie ist in Griechenland aufgewachsen und hat Interesse an Musik und Videografie.
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Kontaktoption: mm231038@fhstp.ac.at

Copyright: Bernhard Sonn
Bernhard Sonn ist 22 Jahre alt und studiert im 4. Fachsemester Medienmanagement an der FH St. Pölten. Er kommt aus Wien und interessiert sich für die Thematiken Fußball und Politik.
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Tags/Schlagwörter: Social Media, Online-Credibility, Der Standard, Media Society, Transparenz
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