Reformbedarf statt Gießkanne: Wie zukunftsfit ist Österreichs Medienförderung?

Sie gilt als intransparent und veraltet: Österreichs Medienförderung für Print und Online-Medien steht spätestens seit der Inseratenaffäre im Jahr 2021 massiv in Kritik. Fördert sie nach etlichen Reformversuchen journalistische Qualität oder stärkt sie vor allem große Boulevardmedien? Daniela Kraus (Presseclub Concordia) und Matthias Karmasin (Universität Klagenfurt) zeigen auf, warum mehr Unabhängigkeit und ein verbessertes Fördersystem nötig sind. 

von FLORIAN EHRNGRUBER

Das erste Missverständnis, und das schwingt überall mit, ist, dass beide Seiten diese Inserate als Medienförderung verstehen. Aber Inserate sind keine Medienförderung!“, so Daniela Kraus. Diese Aussage unterstreicht, dass in Österreichs Medienlandschaft die Trennung zwischen staatlicher Medienförderung und Inseratenschaltungen oft nur bedingt gegeben ist. Der potenzielle politische Einfluss auf die Medienlandschaft in Österreich stand in der Vergangenheit häufig im Fokus kritischer Betrachtung. Besonders die Ibiza-Affäre unter Heinz-Christian Strache offenbarte eindringlich die Risiken, die eine politische Einflussnahme auf die Medien mit sich bringt. Auch Österreichs Medienförderung weist eine lange Historie auf.  Seit 1975 erfolgt die Unterstützung durch eine Presseförderung für Tages- und Wochenzeitungen. Diese beinhaltet Förderungen für den Vertrieb und finanzielle Unterstützungen, um die regionale Medienvielfalt zu stärken. Wer wie viel vom Förderkuchen erhält, wird durch die Kommunikationsbehörde Austria bestimmt. Für die Presseförderung allein wurden 7 Mio. Euro im Jahr 2024 vergeben. Politische Inserate erreichten jedoch in den letzten Jahren beträchtliche Summen und überstiegen deutlich die Presseförderungen des Bundes. Laut einem Bericht des Medienhauses Wien flossen 2022 über die Hälfte der staatlichen Ausgaben für Printinserate – knapp 8 Millionen von 13,6 Millionen Euro – in die drei Boulevardblätter Kronen Zeitung, Heute und Österreich. 

Den Höhepunkt an Inseratenausgaben lieferte jedoch die Regierung unter Sebastian Kurz im Jahr 2020 mit 47 Millionen Euro. Aus einer Studie des Medienhauses Wien geht zudem hervor, dass Sebastian Kurz bei einer parlamentarischen Anfragebeantwortung erstmals offiziell erklärte, dass die Inseratenausgaben der Bundesregierung auch als Printmedienförderung betrachtet wurden. Eine Studie der Uni Wien aus 2023 belegte zudem einen erheblichen Anstieg der Medienpräsenz des ehemaligen österreichischen Bundeskanzlers innerhalb der Medien, die verstärkt finanziell gefördert wurden. Transparenter und unabhängiger Journalismus lässt sich unter solchen Bedingungen nicht vereinbaren. Drei Jahre später wurde im Zuge einer Verschärfung des Medientransparenzgesetzes erstmals ein Umdenken in dieser Angelegenheit angestrebt.  

Ein weiteres Problem ist die unklare Grundlage, auf der die Vergabe der Gelder beruht. Diese Einschätzung teilt auch Medienexpertin Kraus: „Wir wissen zwar im Moment, um wieviel Geld die öffentliche Hand wo Inserate vergibt, aber nicht, warum welche Medien dieses Geld erhalten. Was sind die Ziele der jeweiligen Kampagnen und warum werden aus diesen Kommunikationszielen heraus dann genau dort Inserate geschaltet?“   

Qualitätsförderung: Ein Boulevard-Bonus? 

Neben der Presseförderung ist eines der Hauptkriterien für die Vergabe von Medienförderungen auch der Faktor Qualität. Bis 2023 beinhaltete die Presseförderung auch eine Qualitätsförderungskomponente. Diese wurde 2024 durch eine neu implementierte Qualitätsjournalismus-Förderung ersetzt. Hauptkriterium für die Vergabe dieser Förderung ist die Anzahl journalistischer Arbeitsplätze. So erhalten Tageszeitungen ab einer Mindestanzahl von sechs Redakteur*innen diesen Förderbetrag. Bonuszahlungen gibt es unter anderem für Redaktionsstatute, Fehlermanagement-Systeme, Qualitätssicherungs-Systeme und Frauenförderpläne.  Dass dies jedoch nicht den Kern des Problems löst, belegen die Daten der RTR. Im Spitzenfeld dieser neuen Förderung, mit einem Gesamtpaket von 20 Mio. Euro pro Jahr, liegen mit 2,5 Mio. Euro die „Regionalmedien Austria“, dicht gefolgt von der „Kronen Zeitung“ mit 2,3 Mio. Euro. Inkludiert man „Österreich“/ „oe24“ und „Heute“, gingen nahezu ein Fünftel der Fördersumme an die drei größten Boulevardmedien des Landes. Auf den weiteren Plätzen lag der „Kurier“ mit 1,6 Mio. Euro, der „Standard“ mit 1,2 Mio. sowie die „Presse“ mit 1 Mio. Euro. Die neue Förderung hat somit ihren Zweck nur teilweise erfüllt.  

Verbesserungen – Ein Blick über die Grenzen könnte helfen 

Vergleiche mit skandinavischen Ländern liefern wertvolle Impulse für Veränderungen. Besonders die schwedische Form der Medienförderung ist im Vergleich zu Österreich deutlich stärker auf Transparenz ausgelegt. Ein unabhängiges Expertengremium setzt einen Kriterienkatalog fest, nach dem die Medienförderung ausgelegt wird. Journalistische Inhalte dürfen etwa die demokratischen Grundwerte nicht untergraben. Zudem müssen Freiheit sowie persönliche Würde und Integrität jeder einzelnen Person gewahrt werden. 

Im Unterschied zu Österreich wird plattformunabhängig gefördert, d.h. Online- sowie Print-Medien werden unterstützt.  Kleinere Medienunternehmen erhalten Redaktionsunterstützungen, unter anderem für den Vertrieb von gedruckten Zeitungen. Damit werden Wettbewerbsnachteile gegenüber den Marktführern etwas ausgeglichen. Eine Lösung für die gezieltere Vergabe von Fördermitteln könne es nur mit der Einhaltung professioneller Standards geben, auch von Seiten der Medienhäuser. Darüber sind sich beide Experten*innen einig. Karmasin betont die Vergabe der Mittel nach dem Wettbewerbsprinzip durch eine unabhängige Expertenjury und Achtsamkeit auf die zunehmende Konvergenz der Medien. Dies impliziere eine Aufhebung der Trennung von Presse- und Publizistikförderung, sowie Fördermittel für digitale Angebote und Bereiche wie Wissenschaft oder internationale Berichterstattung. Dabei herrscht Einigkeit, dass ausschließlich Inhalte gefördert werden sollen, die einen demokratiepolitischen Mehrwert bieten. 

In Bezug auf kleinere innovative Medien hält es Medienexpertin Kraus für zielführender, „diese durch die Unterstützung von Infrastrukturen wie einem APA-Zugang oder eine Rechtsabteilung zu fördern, anstatt einfach nur Geld reinzukippen“. Um dem aufgeblähten Inseratenapparat entgegenzuwirken, „wäre es vielleicht auch sinnvoll, ein Inserate-Budget, was die Bundesregierung betrifft, im Parlament beschließen zu lassen, und nicht einfach freihändig zu vergeben.“ Auch qualitative Mindeststandards wie Mitgliedschaft in einem anerkannten System der Selbstkontrolle (Presserat) wären empfehlenswert, meint Karmasin. 

Alternative Förderprogramme  

Dass es auch innerhalb Österreichs vielversprechende und zukunftsorientierte Ansätze gibt, die Medienförderung neu aufzustellen, zeigt das neu ins Leben gerufene Projekt von Martin Kotynek. Der „Media Forward Fund (MFF)“ unterstützt länderübergreifend unabhängige Qualitätsmedien und aufstrebende Geschäftsmodelle im Mediensektor. Eine unabhängige Jury setzt anhand von Kriterien, wie dem Innovationsgrad eines Unternehmens, die Fördermenge fest. Besonders Medien-Start-ups fehlt in ihrer Anfangsphase oft das notwendige Startkapital, um sich am Markt zu etablieren. In diese Förderungslücke versucht der MFF einzugreifen. Daniela Kraus Kotynek äußerte sich erst kürzlich in einem Interview im HORIZONT zu seinem Projekt: „Das Geld soll auch dazu dienen, am Markt mit neuen Geschäftsmodellen zu experimentieren, die vielleicht noch nie jemand ausprobiert hat!“ Kleinere Medienhäuser mit bis zu 30 Mitarbeiter*innen erhalten durch eine Organisationsförderung eine strukturelle finanzielle Unterstützung, um selbst zu bestimmen, wo Fördermittel eingesetzt werden können. Karmasin sieht im MFF „eine wertvolle ergänzende Initiative, die auch den Weg für die Vergabe von staatlichen Förderungen weisen sollte.“ 

Aussicht  

Vieles hat sich in den letzten Jahren bereits zum Positiven entwickelt, jedoch warten auf Österreich noch große Herausforderungen. Ein zukunftsfähiges System muss einen Balanceakt meistern: Zum einen gilt es, die angespannte wirtschaftliche Lage in der Medienbranche zu bewältigen, zum anderen die gezielte Förderung von unabhängigem und qualitativ hochwertigem Journalismus sicherzustellen. „Und ja, das kostet Geld!“, betont Matthias Karmasin und verweist auf die Bereitstellung ausreichender finanzieller Mittel von öffentlicher Seite. Mit einer pauschalen Gießkannenförderung wird das wohl nicht gelingen. 

Daniela Kraus | Copyright: Mathias Zojer – Concordia
Matthias Karmasin |Copyright: Matthias Karmasin