Der Durchbruch des Internet als allgegenwärtige Kommunikationsinfrastruktur und damit auch als Kanal für Massenmedien stellt für politische Instanzen in Österreich eine unverkennbare Möglichkeit der direkten Interaktion mit den Bürgern dar. Wie diese mit vernetzen Medien umgehen, welche Relevanz einzelne Kanäle für die politische Kommunikation haben und wie bestimmte Online-Strategien aussehen wird hier näher beleuchtet. „The Gap“ beschäftigte sich bereits 2013 mit eben diesem Thema.
Das Konzept des Framing trägt zum Verständnis politischer Prozesse in modernen demokratischen Gesellschaften bei. Der Begriff beschreibt den Prozess, in dem massenmediale Akteure mit beispielsweise politischer Pressearbeit versuchen eine spezifische Vorstellung von der Realität zu erzeugen. Dabei wird dem Publikum eine bestimmte politische Thematik durch selektive Betonung und Berichterstattung vermittelt. Zu diesem Konzept gehört seit dem Eintreten des hybriden Mediums Internet ein ganzheitlicher Kommunikationsprozess, in dem soziale Netzwerke integriert sind. Social Media nährt die Hoffnung, dass das Internet einen positiven Beitrag für die politische Teilhabe, sowie zur Demokratie leisten kann. Wenn soziale Netzwerke professionell genutzt werden, können Hürden für den Zugang zur politischen Öffentlichkeit und zu Diskussionen gesenkt werden. Damit dienen diese Netzwerke Bürgern und Politikern als Sprachrohr. Die direkte Kommunikation birgt großes Potential für Dialog, Image-Bildung und gezielte politische Ansprache von Bürgern. Gerade für Politiker ist es wichtig mit der Gesellschaft direkt in Kontakt treten und ein besseres Politikverständnis unterstützen zu können. Um das zu gewährleisten ist es essentiell, dass Parteien und deren Mitglieder auf sozialen Netzwerken vertreten sind. Doch wie sattelfest sind Österreichs Politiker im Umgang mit Social Media? Werden Chancen wie Reichweite und Interaktion genutzt um zusätzliche Stimmen über Facebook, Twitter & Co zu gewinnen? Um diese Fragen zu beantworten ist es essentiell mögliche Kommunikationsstrategien von politischen Instanzen aufzuzeigen.
Vernetzte Medien verlangen Kommunikationsstrategien
Die Vernetzung politischer Akteure und Institutionen sollte über sämtliche Kommunikationskanäle erfolgen. Als überwiegendes Ziel soll eine professionelle Präsenz in den sozialen Netzwerken angestrebt werden. Dabei spielen Netzwerkeffekte eine zentrale Rolle. Der Produktnutzen eines einzelnen Users ist abhängig von der gesamten Nutzeranzahl, die eine bestimmte Seite abonnieren. Zur Veranschaulichung wird folgend von einem Social-Media-Auftritt einer Partei im Nationalrat gesprochen. Hierbei wird die User-Mehrheit zum Schlüsselfaktor, zum Erfolg oder Misserfolg politischer Interaktion im Web 2.0. Je mehr Akteure auf der Seite der Partei miteinander in Dialog treten, desto mehr Relevanz hat dieser Auftritt für die Gemeinschaft. In erster Linie ist erkennbar, dass die österreichische Politsphäre die sozialen Netzwerke bereits für ihre Öffentlichkeitsarbeit entdeckt hat. Trotz all der sichtbaren Vorteile werde Social Media zumeist als weiterer Kanal für einseitige Information als Quasi-Massenmedium eingesetzt. Kritiker betonen, dass selten eine regelmäßige und sinnvolle Interaktion mit den Bürgern stattfände. Tatsächlich würden User untereinander zu den geteilten Inhalten via Kommentarfunktion kommunizieren. Dabei bleibe ein großer Teil des Potentials ungenutzt. Um zu erkennen ob Kritiker recht behalten und warum politischen Instanzen diese Art der Kommunikation schwer fällt, muss der Unterschied zwischen vernetzten Medien und traditionellen Massenmedien deutlich gemacht werden. Dabei besteht ein wesentlicher Unterschied in der Produktion von Inhalten, der Verbreitung von Information sowie in der regelmäßigen Interaktion. Anders als bei traditionellen Massenmedien beginnt die eigentliche Kommunikationsarbeit erst nach der Publikation des Contents/der redaktionellen Inhalten. Der Großteil des Erfolgs eines medialen Onlineauftritts bezieht sich auf Kontinuität und Aktualität der Inhalte auf der Plattform. Politiker müssen sich an die unterschiedlichen Gegebenheiten der Mediengattungen anpassen und erkennen, dass Inhalte spezifisch aufbereitet werden müssen.
Des Weiteren gibt es wesentliche, erkennbare Differenzen zwischen den Kriterien nach denen Journalisten den Nachrichtenwert einer Information definieren und den Inhalten die in sozialen Netzwerken publiziert werden. Dort ist die Auswahl des Inhaltes von persönlichen Interessen der Autoren abhängig. Oftmals hat das Ziel von maximaler Reichweite wenig mit qualitativem Informationsgehalt gemein. Das führt dazu, dass Inhalte stark emotionalisieren und genau damit unterscheiden sie sich wesentlich von Nachrichtenseiten.
Wer macht Politik in Social Media?
Immer mehr österreichische Politiker versuchen sich in sozialen Netzwerken zurecht zu finden, um dort ihre Wähler abzuholen. Dass dieses Thema von allgemeinem Interesse und in jedem Fall zukunftsrelevant ist, zeigen österreichische Forschungsvorhaben bzw. Studien: Im Zuge der Studie Twitterpolitik der Universität Wien wurden Konversationen der österreichischen politischen Twittersphäre, der 374 aktivsten NutzerInnen, ein halbes Jahr lang beobachtet. Dabei wurde festgestellt, dass sich auf Twitter in den letzten Jahren ein spezifischer innenpolitischer Kommunikationsraum entwickelt hat. Ein weiteres Forschungsprojekt zum Thema Politik stammt von Niko Alm, Gründer von Super-Fi (jetzt Virtue) und Nationalratsabgeordneter der Neos. Er hat sich darüber Gedanken gemacht wie erfolgreiche Sozial-Media-Präsenzen gemessen werden können. Daraufhin hat er den Politometer entwickelt, der als Messinstrument dienen soll und die Social-Media-Aktivitäten von Parteien und Politikern auswertet. Die angegebenen Werte beziehen sich auf den Zeitpunkt August 2016.
Erfolgreichster Politiker (nach Alm) sei zurzeit Sebastian Kurz mit rund 280.000 Fans auf Facebook und rund 127.000 Follower auf Twitter. Platz zwei erreiche im Moment der Präsidentschaftskandidat der Grünen, Alexander Van der Bellen. HC Strache müsse sich im allgemeinen Ranking mit Platz zwölf zufrieden geben, obwohl er mit fast 390.000 auf Facebook die höchste Fan-Anzahl habe, dafür aber auf Twitter weit weniger erfolgreich sei. Neben der Anzahl der Befürworter ist die Aktivität des Accounts entscheidend für die Bewertung. Im Allgemeinen werden Facebook, Google+, Foursquare und Twitter auf vorab definierte Kriterien untersucht. Dabei geteilte Beiträge von Folgenden, sowie die Anzahl der eigenen Beiträge wichtig. Es werde jedoch auf eine natürliche Aktivität der Accounts geachtet. Wer seine Fans/Follower andauernd mit Postings bombardiert hat keine Chance positiv gerankt zu werden. Das Social-Media-Ranking des Politometers wird einmal pro Woche aktualisiert und ist nach Parteien, Politikern, Nationalratsabgeordnete, NGOs, Bundespräsidentschaftskandidaten und etlichen weiteren Gruppierungen kategorisierbar.
Bereits 2013 wurde die Causa Social Media in der Politik im Rahmen der Medientage diskutiert. Dabei haben Vertreter aus Politik und Wissenschaft über soziale Medien in der Politarena debattiert. Ganz klar kann festgestellt werden, dass Twitter und Facebook, die gängigsten Sozialmedien in Österreich, unterschiedliche Funktionen erfüllen. Die Aussage „Facebook ist der Gemeindebau, Twitter das Café Central“ von Rudi Fussi (Mindworker) und Meinungsforscher Wolfgang Bachmayer bilden eine Metapher für die unterschiedlichen Zielgruppen dieser Netzwerke. Während Facebook den direkten Kontakt zur breiten Masse darstellt und meinungsbildend wirkt, ist Twitter eher ein Kanal der Teilöffentlichkeiten bedient, die in erster Linie aus Politikern, Journalisten, Experten und NGOs besteht.
Die Parteien im Fokus
71 Prozent der Internetnutzer in Österreich nutzen regelmäßig Social Media. Davon fallen fünf Prozent in die Gruppe der sogenannten „Politikfollower“. Laut einer Studie der GfK, sind bemerkenswert viele der „Politikfollower“ Menschen, die der FPÖ folgen. SPÖ und ÖVP sind hingegen eher abgeschlagen. Dieses Ergebnis ist allerdings nicht verwunderlich, da den meisten Parteien eine aussagekräftige Strategie zu fehlen scheint oder für Außenstehende nicht erkannbar sind.
Derzeit sind sechs Parteien im österreichischen Parlament vertreten. Jede dieser Parteien unterhält zumindest einen Facebook-Account und einen Twitter-Account. Zumeist gibt es neben der Hauptparteiseite noch Ablegerseiten die auf Landes- bzw Gemeindeebene sprechen. Viele Politiker betreiben zusätzlich eigene Facebookseiten, um ihre Person ins Licht zu rücken. Diese Parteien werden hier näher betrachtet.
Die SPÖ postet regelmäßig, allerdings ohne genauen Adressaten. Es finden sich einige Fotos mit Zitaten von SPÖ-Politikern oder geteilte Artikel von anderen Medien auf der Facebookpage. Die prominentesten roten Politiker wie beispielsweise Christian Kern, Rudolf Hundstorfer und Heinz Fischer verfügen jeweils über eigene Facebook-Seiten, welche von Social-Media-Teams betreut werden. Katharina Hobiger, die für die Neuen Medien bei der SPÖ Niederösterreich zuständig ist, äußerte sich ebenfalls zu dem Social-Media-Auftritt der Partei. Ihrer Meinung nach versucht die SPÖ „aktuelle, relevante politische Inhalte möglichst Medium-gerecht zu verbreiten, um uns und unsere Positionen bekannter zu machen“. Außerdem ist dem Team auch die Aktualität und Korrektheit, bezüglich der inhaltlichen Richtigkeit der Postings sowie der Bildrechte, der geteilten Beiträge auf inhaltlicher sowie gesetzlicher wichtig. Ebenso setzen sie auf Interaktion mit den Followern, um eine Nähe mit dem Volk zu schaffen.
Die ÖVP berichtet auf ihrer Seite derzeit einiges über Außenminister Sebastian Kurz und über Innenminister Wolfgang Sobotka. Auch hier gibt es einige bekannte Politiker, die eigene Seiten unterhalten wie beispielsweise Sebastian Kurz und Andreas Khol. Keine eigene Seite betreibt hingegen Johanna Mikl-Leitner. Auch die ÖVP erklärte sich bereit, einige Fragen zu ihrer Social-Media-Nutzung zu beantworten. Florian Krumböck beantwortete die Frage zu einer spezifischen Strategie wie folgt: „Auf Twitter sind wir als Pressedienst aktiv. Dort werden zum Beispiel verschiedene, wichtige Pressekonferenzen oder Veranstaltungen begleitet. (..) Unser Fokus liegt aber auf unserer Facebook-Seite, der Volkspartei Niederösterreich. Dort gibt es verschiedenste Materialien zu Schwerpunkt-Themen im Land bzw. zu Aktivitäten unserer Regierungsmitglieder und der Abgeordneten“. Wie schon bei der SPÖ ist auch hier die Aktualität der Postings ein wichtiger Punkt. Um Urheberrechtsprobleme zu vermeiden, wird der Content selbst produziert oder Lizenzen gekauft.
Aus dem Rahmen fällt die FPÖ. Hier gibt es keine Parteiseite, sondern nur die Seite von Parteivorsitzenden Heinz-Christian Strache. Postings auf seiner Seite richten sich hauptsächlich gegen Ausländer. Er hat allerdings den Vorteil, dass seine Posts sehr persönlich wirken. Strache betreibt außerdem noch eine eigene Webseite. Dennoch gibt es viele Ablegerseiten der FPÖ, wie beispielsweise FPÖ-TV. Auch Bundespräsidentenkandidat Norbert Hofer verfügt über ein eigenes Facebookprofil. Leider beantwortete die FPÖ Niederösterreich trotz mehrmaliger Nachfrage keine Interviewfragen. Deshalb muss an dieser Stelle auf eine Stellungnahme des Zuständigen verzichtet werden. Allerdings erschien am 22.7.2016 ein Artikel im Standard, in welchem Herbert Kickl Social Media als „entscheidendes Tool, mit dem wir unsere Anhänger am besten erreichen“ bezeichnet.
Österreichs Grüne möchten mit humorigen Postings wie kurzen Videos oder Bildern sympathisch wirken. Karikaturen kommen im Netz gut an, deshalb werden solche Beiträge oft geliked. Ob das förderlich für die Glaubwürdigkeit der Partei ist, sei dahingestellt.
Klubobfrau Eva Glawischnig, sowie Bundespräsidentenkandidat Alexander van der Bellen sind ebenfalls auf Facebook vertreten. Herr Hikmet Arslan, Landesgeschäftsführer der Grünen in Niederösterreich, sagt zum Thema Social Media: „Wir nutzen Facebook, um auf Veranstaltungen und wichtige Themen hinzuweisen. Facebook als Werbefläche kann man nicht außer Acht lassen. Es ist gerade für Parteien, mit geringeren Budgets eine günstige Möglichkeit, mit wenig Geld viele Menschen zu erreichen.“ Außerdem sind die Grünen seiner Meinung nach sehr vorsichtig was die Nutzung von fremden Content betrifft. Im Gegensatz zu SPÖ und ÖVP spielt die Aktualität der Postings keine große Rolle. Es wird lediglich darauf geachtet, Beiträge zu aktuellen Themen zu bieten.
Für Außenstehende ist bei allen Parteien nicht ersichtlich, wer die Seiten betreut. Es können Einzelpersonen, Teams oder Agenturen dahinter stehen. In den Interviews teilten die Parteien jedoch mit, dass jede Seite von einem Social-Media-Team betreut wird.
Die einzelnen Parteien und Politiker sind nicht nur auf der Plattform Facebook vertreten. Einige Accouns werden ebenfalls auf Twitter und Instagram gefunden. Werner Faymann ist beispielsweise auf Twitter registriert, nutzt sein Profil allerdings nicht. Der Politiker Mitterlehner postet hingegen regelmäßig auf Twitter. Auch Heinz-Christian Strache verwendet sein Twitterprofil in regelmäßigen Abständen. NEOS und Team Stronach sind auf ebenfalls Twitter vertreten. Einzig und allein die Grünen verfügen über keinen Account. Auf Instagram sind außerdem Robert Lugar und Heinz-Christian Strache aktiv. Diese beiden betreiben ihre Kanäle dort jedoch auf sehr unterschiedliche Arten. Während Lugar, der zum Team Stronach gehört, rein politische Bilder auf Instagram teilt, postet Strache überwiegend Einblicke in sein Privatleben.
Tatsächlich ist die mangelnde Vernetzung an sich das Dilemma, mit dem die Politik in den neuen Medien zu kämpfen hat. Die einzelnen Kanäle stehen alleine, es gibt keine übergreifende Strategie. Es ist noch viel mehr Potential vorhanden, als bisher genutzt wird. Auch wird überwiegend „one-way“ kommuniziert, also von den Parteien etwas gepostet aber nicht auf die Kommentare reagiert. Es wird Zeit, dass die nachkommenden Jungpolitiker frischen Wind in das System bringen.
Über die Autorinnen
Katharina Andratsch ist Studentin des Bachelor Studiengangs Medienmanagement an der Fachhochschule St. Pölten. Ihre Ausbildungsschwerpunkte umfassen Strategisches Management und Marketing & Sales. Außerdem konnte sie bereits journalistische Erfahrungen als Redakteurin bei dem regionalen Lifestyle-Magazin District15 sammeln. Durch ein Praktikum im ÖGB Verlag konnte sie ihre Managementkenntnisse erweitern.
Stefanie Wurzer ist Studentin des Bachelor Studiengangs Medienmanagement an der Fachhochschule St. Pölten. Ihre gewählten Ausbildungsschwerpunkte sind sowohl Marketing & Sales als auch Contentmanagement. Nebenberuflich arbeitet sie außerdem als Poledance-Trainerin.
Artikel verfasst im Sommersemester 2016.