KI als Singer und Songwriter

Von Katharina Woisetschläger

Copyright: Katharina Woisetschläger

Die guten, wie die schlechten Seiten der Künstlichen Intelligenz machen auch vor dem Musikbusiness nicht Halt. Von Fake-Kreativität bis zum Verlust von Arbeitsplätzen – wie sieht die Zukunft der Musikbranche aus?

„I got my heart on my sleeve with a knife in my back” – so singt die KI-imitierte Stimme des kanadischen Rappers Drake im Song Heart on My Sleeve. Diese Textzeile könnte durchaus metaphorisch verstanden werden. Dieser Song wurde vom TikTok-User ghostwriter977 im April 2023 veröffentlicht. In der zweiten Strophe erkennt man die Stimme des Sängers The Weeknd. In wenigen Tagen erlangte der KI-erstellte Song etwa 600.000 Streams auf Spotify und mehrere Millionen Aufrufe auf TikTok, YouTube und Twitter, bevor dieser wieder von den Plattformen entfernt wurde – rechtliche Grundlagen zur Nutzung von KI in der Musik auf Streamingplattformen gibt es nämlich noch keine. Ghostwriter977 schrieb auf TikTok „Vibing to this before the lawsuit”. Immer öfter haben auch sogenannte AI-Covers auf TikTok und anderen Social-Media-Plattformen hunderttausende Likes. Stimmen populärer Künstler*innen singen mit Einsatz von KI andere populäre Songs. Auf YouTube lässt sich beispielsweise eine Version von Michael Jacksons Thriller, gesungen von Freddie Mercury, hören. Es werden Kommentare wie „This is terrifyingly good“ unter dem Video hinterlassen.

Komponieren mit Hilfe von KI

Lässt sich nun Musik ausschließlich mit Hilfe von KI komponieren? Günter Loibl, der CEO von Rebeat Digital, erklärt: „So ziemlich für jeden Teilbereich des Komponier- und Produktions-Prozesses gibt es bereits passende Tools.“ Für die Erstellung eines Songtextes können beispielsweise Tools wie These Lyrics Do Not Exist, Amadeus Code, Audoir und SongStarter herangezogen werden. Man gibt an, nach welcher Stimmung, welchem Thema und welchem Genre sich der Text anhören soll und kann so immer weiter mit der Künstlichen Intelligenz zusammen einen passenden Songtext erstellen.

Mit KI-Tools wie Soundful, Amper Music, AIVA und Ecrett Music lassen sich Melodien und Soundtracks erstellen. Solche Tools arbeiten mit Musik und Samples, die alle in irgendeiner Form schon existieren. Diese werden sozusagen wie der neu zusammengewürfelt und in unterschiedlichem Tempo, mit unterschiedlichen Instrumenten und anderen Tonarten zu einem neuen Musikstück zusammengefügt. Solche Tools können beispielsweise hilfreich sein, um ohne viel Mühe lizenzfreie Hintergrundmusik und Soundtracks zu erstellen. Auch fix fertige Songs lassen sich durch Anwendungen wie Boomy, Open-AI-MuseNet und Melodrive erstellen. So lassen sich mit ein paar Mausklicks gesamte Songkreationen erstellen – diese kann man entweder speichern oder verwerfen. So erstellt die KI ein Muster und macht immer wieder neue Songs, die sich immer mehr der Vorstellung des Erstellers annähern. Das heißt: Ohne eigenen Input geht es dann doch nicht.

KI als DJ für Streaming und Radio

Auch für nicht Musikprofis rückt der Begriff KI in der alltäglichen Musik- und Mediennutzung immer mehr in den Vordergrund. So wurde zuletzt von die Streaming Plattform Spotify ein AI-DJ für User in den USA vorgestellt. Da Personalisierung und das Annähern an den Musikgeschmacks des Users ein großes Asset des Streamingservices ist, wagt dieser nun den nächsten Schritt. Je mehr man den persönlichen DJ nutzt, desto besser versteht dieser die persönlichen Vorlieben und es wird eine Art persönliche Radioshow erstellt. Zwischen den verschiedenen Songs spricht der DJ mit dem*der Zuhörer*in und gibt Empfehlungen und Begründungen für Songauswahlen.

Laut Thomas Korponay-Pfeifer, dem Programmdirektor des Radiosenders 88.6, der eine technische Reichweite von 3,2 Millionen Hörer*innen hat, gibt es auf dem Radiomarkt große Entwicklungen und Trends betreffend KI. Im englischsprachigen Raum gibt es den Sender RadioGPT, bei dem sämtliche sonst von Menschen übernommen Tätigkeiten von einer KI abgedeckt werden. KI generierte Moderator*innenstimmen, künstliche Programmierungsmöglichkeiten etc. – im Mai wird die deutschsprachige Demoversion von RadioGPT erscheinen. Das Ende für umjubelte Radiopräsentator*innen?

Megastar dank KI?

Song-Symbiosen aus KI und „Selfmade“ machen es schwierig, die Unterschiede zu erkennen, was nun menschen- und was maschinengemacht ist. Loibl ist ein großer Befürworter unterstützender Technologien. Jedoch warnt er, dass Personen, die versuchen, aus rein gewinnorientierten Motiven KI-Musik zu machen: „Ohne ein gewisses Musik-Grundverständnis und Gefühl für Musikerstellung wird auch mit Hilfe KI nur unwahrscheinlich ein Nummer-Eins-Hit entstehen“, meint er. „Personen, die sowohl KI als auch Kreativität einsetzen, werden umso erfolgreicher sein und für Personen, die dies nicht tun, könnte es im Business zukünftig zu Problemen kommen.“

Jobs, die einfache und technisch aufwendige Tätigkeiten erledigen, könnten im Bereich des Musikbusiness bald durch Künstliche Intelligenz ersetzt werden, glauben Loibl und Korponay-Pfeifer. Anders sieht es bei kreativen Tätigkeiten aus: Hier sollte es weiterhin „menscheln“. Und es ist nicht auszuschließen, dass die Kreativen in diesem Bereich in Zukunft besser honoriert werden. Loibl nutzt in seinem Unternehmen bereits eine Vertriebssoftware mit einer AI-Forecasting Funktion. Korponay-Pfeifer hat bei seinem Radiosender noch keine Künstliche Intelligenz im Einsatz: „Mir ist bewusst, dass es zwar einen ökonomischen Vorteil bringen könnte, beispielsweise die Verkehrsmoderation durch KI machen zu lassen. Wir sehen aber die Authentizität beim Thema Musik und Musikjournalismus als USP, den wir beim Radiosender 88.6 beibehalten möchten.

Trend oder Zukunft?

Wie stark wird das Megathema KI den Musikbereich langfristig beeinflussen? Korponay-Pfeifer, der schon seit 30 Jahren in den Medien bzw. beim Radio tätig ist, schätzt die Situation folgendermaßen ein: „KI funktioniert als Hilfsmittel, aber nicht als Ersatz des Menschen. Schon immer sehnen sich Menschen nach etwas Haptischem und suchen in gewisser Weise die Emotion in der Musik, wie man beispielsweise auch beim Comeback der Schallplatte erkennen kann.“ So gibt es beispielsweise auch schon KI-Künstler*innen, also Star-Persönlichkeiten, die keine echten Menschen sind – doch so ganz ohne persönliche Ebene scheint das Musikstar-Phänomen nicht zu funktionieren. Gewisse Jobs werden aussterben und es wird immer schwieriger zu erkennen sein, was nun mit Herzblut und was mit einem Mausklick erstellt wurde. Korponay-Pfeifer erzählt von einer Aussage des Mitbegründers von RadioGPT: „Menschen werden nicht durch KI ersetzt aber Menschen werden durch Menschen ersetzt, die KI benutzen.“

Katharina Woisetschläger | Copyright: Nikolas Rode