Kostendruck und Publikum: österreichischer Journalismus abseits des ORF

Geld, Zeitung und Laptop Bild | Anna Weissenbach

In einem Überlebenskampf zwischen Monetarisierungskrisen, Digitalisierungsdruck und der Macht der öffentlich-rechtlichen Medien müssen österreichische Medienunternehmen bewerten, wie viel ihnen ihr Journalismus wert ist. Für einen Weg müssen sie sich entscheiden – und das beeinflusst nicht nur ihr Image.

Während sich der Österreichische Rundfunk (ORF) durch eine gesicherte Finanzierung von Haushaltsabgaben und Förderungen keine Sorgen um sein Überleben machen muss, bangen private Medienunternehmen um Ansehen und Existenz. Es gilt die Balance zu finden zwischen wirtschaftlichem Überleben und dem Auftrag zur öffentlichen Meinungsbildung. Und hier beginnt seriöser Journalismus. Durch Digitalisierung, gesetzlich verankertem dualem Mediensystem, sich rasch wandelnden Nutzungsgewohnheiten des Publikums und Abwanderung der Werbekunden auf Plattformen stellt sich die Kernfrage, wie sich hochwertiger Journalismus finanzieren lässt, wenn traditionelle Geschäftsmodelle versagen und ein öffentlich-rechtlicher Konkurrent permanent präsent ist, oder ob Abstriche bei der journalistischen Qualität der unvermeidliche Preis für das wirtschaftliche Überleben sind.

Was ist Qualität im Journalismus?

Journalismus ist das Zusammenkommen von struktureller, individueller und formaler Perspektive und wird oft als vierte Säule der Demokratie angesehen. Journalismus soll Meinungsbildung fördern und Orientierung in der Welt unterstützen. Abhängig davon und anderen Faktoren, wie beispielsweise des Ehrenkodex für die österreichische Presse oder Schreibstil, Layout oder Fotos, Nachricht oder Kommentar kann jedoch definiert werden, ob es sich um Journalismus oder Werbekommunikation, ungeübtes Meinungsspektakel handelt. Qualität wird oft dann angezweifelt, wenn eine mangelnde Distanz zum Berichteten oder zu der Finanzierung der Inhalte vorliegt. Und hier beginnt das Dilemma.

Finanzdruck statt Nachrichtenwert

Früher stammte mehr als die Hälfte der Einnahmen der Medienunternehmen aus Einzel- oder Abverkäufen. Das Geschäft finanzierte sich durch journalistische Arbeit und der Nachrichtenwert stand im Mittelpunkt. Heute hingegen möchten Medien größtmögliche Reichweite generieren, denn Erlöse werden primär durch Werbung erzielt. Die Bildschirmzeit der Menschen wird ver- und gekauft und die Abhängigkeit von Anzeigenkunden somit immer größer. Nur, auch dieser Erlösstrang ist in Turbulenzen geraten. Nicht nur eine schwache Zahlungsbereitschaft des Publikums für Nachrichten, sondern auch die Attraktivität von Plattformen für Werbekunden sind Faktoren der Gegenwart. Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für private Medienunternehmen sind also nicht gerade aussichtsvoll, wenn sie nicht performen. Anders als der ORF mit seinen gesicherten Pflichtabgaben müssen private Radio- und TV-Sender ohne vergleichbare Basisfinanzierung auskommen. Ihr Überleben hängt von alternativen Strategien ab.

Journalist vor PC und Geld erstellt mit dem KI-Bilderstellungstool „Midjourney“ am 20.05.2025, 13:21 | Prompt: „journalist in front of pc, money on the table and his notebook in front of him“

Digitale Revolution – kostenlose Inhalte, teure Folgen

Doch mit der Digitalisierung in den 2000er Jahren veränderte sich die Medienlandschaft grundlegend. Besonders im digitalen Bereich sind Nutzer*innen daran gewöhnt, ihre Inhalte gratis nutzen zu können. Laut Digital News Report 2024 bezahlen nur 14% der Nutzer für digitale Nachrichten. Gleichzeitig fließen laut der MOMENTUM Spendigstudie 2024 & Prognose 2025 die größten Online-Werbebudgets nicht etwa an journalistische Medien, sondern an Technologiekonzerne wie Meta, Alphabet, Bytedance, Amazon und Microsoft.

Nun stellt sich die Frage, was das mit Journalismus zu tun hat.  Irgendwo müssen private Medienunternehmen Maßnahmen setzen, um nicht in der Einnahmen-Reichweiten-Qualitätsspirale verloren zu gehen. Sie sehen sich gezwungen, zwischen wirtschaftlichem Überleben und journalistischem Anspruch abzuwägen. Während Positionen wie Produktion oder Distribution konstante Positionen im Unternehmen darstellen, müssen zwangsläufig dort Veränderungen stattfinden, wo es ohnehin keine klaren Richtlinien und Regeln gibt, wo Bewegungsfreiheit herrscht: in der Berichterstattung und der Redaktion.

So kommt es dann, dass die Zahl der Journalist*innen kontinuierlich sinkt, während immer mehr PR-Fachleute beschäftigt werden. Laut dem Journalisten-Report 2023 verfügt Österreich zwar über 5.350 Journalist*innen (um ein Viertel weniger als noch im Jahr 2006), davon sind jedoch 56% in Wien tätig. Darüber hinaus konkurrieren Journalist*innen im Wettbewerb um Aufmerksamkeit nicht nur gegeneinander, sondern auch mit User-generierten Inhalten auf Social Media, emotionalen Posts und Boulevardmedien und KI-produzierten Texten.

Zahlung für Online Nachrichten | DNR 2024

Zwischen Anspruch und Überlebenskampf

In einer Welt, die zu wenig Journalist*innen mit berufsbildadäquater Recherche hat, in der Inhalte unzureichend veröffentlicht werden können, kann Unabhängigkeit und Qualität zunehmend zu einer Floskel werden, die der Selbstdarstellung dient, statt eines Leitbilds, an dem man sich ausrichtet. In einer Welt, in der nüchterner, faktenbasierter Journalismus um Leseraufmerksamkeit buhlt (weil er sich aktuell nur so finanzieren kann), wird es immer schwieriger mit kampagnisierter, emotionalisierter Veröffentlichung mitzuhalten.

„Demokratie braucht Qualitätsjournalismus. Qualitätsjournalismus braucht eine nachhaltige finanzielle Absicherung zum Erhalt der Medienvielfalt, der Arbeitsplätze und Arbeitsbedingungen, die unabhänigigen Journalismus garantieren.“ – Ute Gross, Vorsitzende der Journalist*innengewerkschaft in der GPA in einem Bericht der GPA

Weg zum unabhängigen Journalismus

Der Verband Österreichischer Zeitungen (VÖZ) und die Journalist*innengewerkschaft plädieren daher für eine Aufstockung der Medienförderung unter gleichzeitiger Schärfung des Qualitätsbegriffs. Sie fordern zudem eine Zustell- und Infrastrukturförderung für Tages- und Wochenzeitungen sowie Magazine und möchten, dass der Bezug eines Abonnements pro Haushalt steuerlich absetzbar wird.

Aktuell stehen für die Journalismus-Förderung durch RTR und KommAustria in Österreich 15 Millionen Euro zur Verfügung. Allerdings müssen Medien einige Qualitätskriterien nachweisen, um diese Förderungen zu erhalten – erneut ein Kreis, bei dem man erst den Anfang finden muss.

Ob der österreichische Journalismus in privaten Medien einer Rettung bedarf oder welche Form diese annehmen könnte, entzieht sich einer definitiven Antwort, da Qualität stets im Kontext des gegebenen Umfelds und durch die subjektive Linse des Betrachters bewertet wird. Auf jeden Fall wird die Zukunft des Journalismus davon abhängen, inwieweit es den privaten Medienunternehmen gelingt, neue, nachhaltige Geschäftsmodelle und Diversifizierungen, Kostenkontrolle ohne Qualitätsverlust zu entwickeln und gleichzeitig ihre journalistische Integrität zu bewahren.

Über die Autorin

Anna Weissenbach ist 21 Jahre alt und studiert im 5. Fachsemester Medienmanagement an der FH St. Pölten. In ihrer Freizeit spielt sie gerne Klavier und liest.

Bildrechte: Anna Weissenbach

Kontakt: LinkedIn Anna Maria Weissenbach | Instagram anna.mariah

Disclaimer: Für den Fall der Weiterverarbeitung durch Dritte wird darum gebeten, Autorenschaft und Ort der Erstveröffentlichung zu übernehmen und kenntlich zu machen.