Kinder heutzutage wachsen in einer Welt auf, in der Medien allgegenwärtig sind – meist als scheinbar kostenlose Inhalte, wo dahinterstehende Mechanismen zur Monetarisierung des Contents oft verborgen bleiben. SUMO ging der Frage nach, wie Kinder ihre Medienkompetenz in Hinblick auf die Kosten von und für Medien entwickeln können. Wir sprachen dazu mit Barbara Buchegger, der pädagogischen Leitung von Safer Internet, Andreas Riepl, dem Leiter von eEducation Austria, und dem 11-jährigen Jonathan.
von EMMA KARNER
Wofür zahlen Kinder?
„Am meisten kaufe ich mir im Spiel drin. Also das wünsche ich mir dann zu Weihnachten oder zum Geburtstag.“ Jonathan erklärt, dass er vor allem für In-Game-Käufe, also dem Erwerb von virtuellen Leistungen oder Gütern innerhalb von Computerspielen, Geld ausgibt.
Dass sich die Wunschlisten vieler Kinder verändert haben, kann auch Barbara Buchegger bestätigen: Statt Spielzeug oder Büchern stünden heute oft digitale Güter und Erlebnisse im Vordergrund. Vor Weihnachten zeige sich dies besonders stark: In-Game-Käufe, Roblox-Geschenkkarten oder Fortnite-Bezahlkarten seien die Weihnachtswünsche der heutigen Generation.
Auch Studien, wie die „Insert Coin to Continue“-Erhebung der Universität Graz (2023), bestätigen diesen Trend. Für die Studie wurden Kinder und Jugendliche im Alter von 10 bis 25 Jahren zu ihren Ausgaben für In-Game-Käufe befragt. Sie zeigt, wie weit verbreitet Geldausgaben in Videospielen inzwischen sind. 55 % der Befragten haben bereits Geld für Videospiele ausgegeben und die durchschnittliche Höhe der Geldausgaben der Befragten beträgt 170€ im Jahr. Influencer*innen dienen als Vorbilder für In-Game-Käufe, indem sie in ihren Streams zum Beispiel Lootboxen öffnen und so die Zuschauer*innen motivieren, ähnliche digitale Inhalte zu kaufen.
Werbung – die (un)sichtbare Finanzierung
Auf die Frage, ob ihm schon einmal Werbung bei Influencer*innen untergekommen ist, antwortet Jonathan mit „Ja, die Youtuber*innen machen für so ziemlich alles Werbung.“ Er findet diese Tatsache auch sehr offensichtlich, da der Content mit Werbung ja auch gekennzeichnet werden muss. Doch geht es allen so?
Die Studie „Kinder im Visier von Influencer*innen Marketing“ der Arbeiterkammer (2018) zeigt, dass Kinder im Vor- und Volksschulalter oft Schwierigkeiten haben, Werbung von redaktionellen Inhalten zu unterscheiden. Sie verstehen noch nicht genau, was Werbung ist, und welche Ziele dahinterstecken. Kinder nehmen die Empfehlungen von Influencer*innen oft wie die von Freund*innen wahr, was es schwer macht, die Werbung als solche wahrzunehmen. Auch besonders in Spiele-Apps, wo Werbung interaktiv und spielerisch gestaltet ist, falle es ihnen den Studienergebnissen zufolge schwer, diese zu erkennen. Selbst wenn die Kinder wissen, dass es sich um Werbung handelt, führt die ansprechende Gestaltung oft dazu, dass dieses Wissen in den Hintergrund rückt und sie weniger kritisch reagieren.
Wissen Kinder vom Wert der Medien?
Neben der Schwierigkeit, Werbung zu erkennen, stellt sich auch die Frage, wie gut Kinder den Wert und die Qualität von digitalen Inhalten verstehen.
„Mich stört die Werbung schon, aber so schlimm ist es jetzt auch nicht, dass ich mir extra die Premium Version davon kaufen würde“, sagt Jonathan zum Thema „YouTube Premium“.
Sie wachsen in einer Welt auf, in der fast alles online gratis zugänglich ist. Sind sie dennoch in der Lage, den Wert der Medien zu erkennen?
Barbara Buchegger ist diesbezüglich optimistisch: „Ich glaube, es passiert sehr früh, dass die Kinder in der Lage sind, ein Gefühl für Qualitätsmedien zu entwickeln.“ Ihr zufolge sei die „Insert Coin to Continue“-Studie der Beweis dafür, dass Kinder bereit seien, für Medien zu bezahlen. Sie betont, dass die heutige Generation genauso viel Frustration erlebe, wenn nicht sogar mehr als die Älteren, wenn die Gratis-Versionen an ihre Grenzen stoßen. Sei es durch ihre Lieblingsspiele, wenn sie für das neue Level plötzlich zahlen müssen oder bei den neuen KI-Tools, wo es kaum gute kostenlose Versionen gibt. Also ja, die Kinder wachsen – so Buchegger – in einer Welt auf, in der alles gratis ist. Aber sie wachsen auch in einer Welt auf, in der man ständig erinnert wird, dass das Bessere, das Qualitätvollere, kostet.
Mehr als nur Nutzer*in sein
Das Verständnis für die Qualität von digitalen Inhalten ist zwar ein erster Schritt, doch es reicht nicht aus, sich nur über den Wert von Medien bewusst zu sein. Medienkompetenz bedeutet, diese Inhalte auch kritisch zu hinterfragen und zu wissen, wie man verantwortungsvoll mit ihnen umgeht.
Andreas Riepl ist Leiter des Bundeskompetenzzentrums eEducation Austria. Das Ziel von eEducation Austria ist es, digitale und informatische Kompetenzen in allen Schulen Österreichs zu fördern. Es gilt, Kompetenzen zu erwerben, um Technologien bewusst und produktiv für die eigene Weiterentwicklung einzusetzen.
Riepl weist darauf hin, dass die heutige Generation, obwohl sie in der digitalen Welt aufwächst, nicht automatisch eine hohe Medienkompetenz habe. „Weil man die Apps bedienen kann und das vielleicht schneller als Ältere tut, ist das per se keine Kompetenz“. Kompetenz bedeutet nicht nur Wissen, sondern vor allem die Fähigkeit, dieses Wissen angemessen anzuwenden, es auf andere Bereiche zu übertragen und somit reflektiert zu handeln. Kinder wissen vielleicht, dass sie für Inhalte zahlen oder dass viele Spiele mit Zusatzkäufen locken – doch wie gehen sie mit diesem Wissen um? Das ist die eigentliche Herausforderung, wenn es um die Entwicklung von Medienkompetenz geht.
Wie kann man Kinder also nachhaltig über Medienfinanzierung aufklären?
Barbara Buchegger betont, wie wichtig es sei, dass Kinder aktiv mit Medien arbeiten, um ein besseres Verständnis für Funktionsweise und Mechanismen zu entwickeln. Sie führt das Beispiel einer Mutter an, die ihrem Sohn das Computerspielen nur unter der Voraussetzung erlaubt, dass er selbst Spiele programmiert. Dieses Prinzip, aktiv zu lernen und sich mit der Medienproduktion auseinanderzusetzen, sei ein wichtiger Schritt, um Kinder zu befähigen, Medienkompetenz zu entwickeln.
Nach Andreas Riepl braucht es auch Bewusstseinsbildung in Bezug auf die Dominanz der amerikanischen Tech-Giganten auf Social Media. Der Ansatz bestehe darin, Lehrkräfte so umfassend aufzuklären, dass sie ein Verständnis für das Thema entwickeln und es so in den Unterricht integrieren können. Auch er hebt hervor, wie wichtig die praxisorientierte Auseinandersetzung mit Medien ist, um ein tieferes Verständnis für ihre Funktionsweise zu entwickeln. Im Rahmen der Initiative DigCompEdu der EU werde Augenmerk darauf gelegt, dass Lehrkräfte Lernende zu Content-Produzent*innen machen sollen. Wenn Kinder Dinge selbst gestalten, stoßen sie schnell an ihre Grenzen und beginnen sich zu fragen: „Warum können andere das und ich nicht?“ Dies führt wiederum oft zu der Frage: „Wie finanzieren sie das?“.
Ein gutes Gefühl für Güte und Kosten von Medieninhalten lässt sich laut Buchegger durch Spiele fördern: „Wenn ich ein Verständnis für Qualität erzeugen will, muss ich das mit Dingen erzeugen, die Kinder beschäftigen. Und das sind Spiele.“ Vor allem die Jüngsten begreifen die Funktionsweisen der digitalen Welt und eben auch ihrer Finanzierungsmechanismen auf diesem Weg sehr gut. Safer Internet bietet zum Beispiel eine Schnitzeljagd zu Werbung und Influencer*innen an oder ein Quiz zu In-Game-Käufen. Auch für die ganz Kleinen gibt es schon Angebote, sich mit den Kosten auseinanderzusetzen: Im Kindergartenhandbuch gibt es Übungsblätter zum Thema Kostenfallen.
In einer Welt, in der Medien nicht nur konsumiert, sondern auch finanziert werden müssen, ist die richtige Bildung der Schlüssel, um die nächste Generation auf Herausforderungen vorzubereiten. Barbara Buchegger hebt zum Schluss noch einmal hervor: „Kinder sind sehr unterschiedlich, aber Kinder sind viel gescheiter, als für was wir sie oft halten.“ – Ein Hinweis darauf, wie wichtig es ist, ihr Potenzial frühzeitig zu fördern.
Diese Erkenntnis spiegelte sich auch in den Worten des 11-jährigen Jonathans wider, der zum Ende des Gesprächs fragte: „Aber eine Frage noch: Bekommst du dafür auch Geld?“

