Man könnte meinen, digitale Piraterie sei im Zeitalter von Streaming-Plattformen und Mediatheken längst Vergangenheit. Doch illegales Streaming und Downloads sind nach wie vor allgegenwärtig und gefährden nicht nur wirtschaftliche Strukturen, sondern auch den kulturellen Wert von Kreativwerken. SUMO sprach mit Monique Goeschl vom Fachverband der Film- und Musikwirtschaft (FAMA) und dem Rechtsanwalt Nikolaus Kraft über Herausforderungen und Lösungsansätze im Kampf gegen digitale Piraterie.
von PIA HLADOVSKY
Ein Angriff auf Wirtschaft und Kultur
Digitale Piraterie bleibt ein ernsthaftes Problem für die Medienbranche, insbesondere für die Filmindustrie, die auf hohe Budgets und jahrelange Produktionszeiten und Recoupmentphasen angewiesen ist. Monique Goeschl erklärt, dass Filme gerade zu Beginn ihrer Veröffentlichung anfällig für finanzielle Einbußen sind: „Kurz nach dem Kinostart befinden sich Produktionen oft noch tief in den roten Zahlen. Wenn der Film zu diesem Zeitpunkt auf illegalem Weg im Netz landet, entgehen den Unternehmen die wichtigsten Einnahmen.“
Schätzungen zufolge verlieren Medienunternehmen durch Piraterie bis zu 30 % ihrer Einnahmen. Geld, das für neue Projekte und die Unterstützung der Kreativwirtschaft dringend benötigt wird. Diese Verluste betreffen nicht nur große Studios, sondern auch kleinere Unternehmen entlang der gesamten Wertschöpfungskette, wie PR-Agenturen, Kinos oder Marketingfirmen.
Auch der kulturelle Schaden ist erheblich. Diese Haltung ist problematisch, da sie die grundlegende Wertschätzung für Kunst und Kultur untergräbt. „Es ist eine Entwertung der Arbeit einer anderen Person, wenn Inhalte ohne Bezahlung konsumiert werden,“ so Goeschl. Manche Konsument*innen behaupten, dass illegale Downloads eine Form von „kostenloser Werbung“ für junge Kreative seien. Dabei übersehen sie jedoch, wie wichtig ein respektvoller Umgang mit dem geistigen Eigentum ist.
Gefährliches Streaming: Risiken für Konsument*innen
Neben dem Schaden für die Branche birgt illegales Streaming auch Gefahren für Nutzer*innen. Viele Plattformen locken mit vermeintlich günstigen Angeboten, hinter denen oft Datenphishing oder betrügerische Abomodelle stecken. „Was zunächst wie ein Schnäppchen aussieht, entpuppt sich oft als Köder, um persönliche Daten zu stehlen oder Konsument*innen finanziell auszunutzen,“ erklärt Goeschl.
Das Europäische Verbraucherzentrum Österreich warnt vor betrügerischen Inkassoforderungen, die bei der Nutzung illegaler Plattformen auftreten können. Viele dieser Seiten finanzieren sich durch aggressive Werbemodelle, die Nutzerdaten gewinnbringend verwerten.
Laut Rechtsanwalt Nikolaus Kraft verlieren Anbieter, die wissentlich urheberrechtsverletzende Inhalte verbreiten, nach der geltenden Rechtslage jegliche Möglichkeit, sich auf ein Haftungsprivileg zu berufen. Vielmehr noch werden sie rechtlich wie der*die unmittelbare Täter*in behandelt.
Plattformen wie YouTube dagegen unterliegen in der EU speziellen Regelungen: Sie gelten als direkte Inhaltsanbieter und müssen sicherstellen, dass unlizenzierte Inhalte nicht veröffentlicht werden. Urheberrechtlich geschütztes Material muss nach einer Meldung sofort entfernt und künftig blockiert werden, erläutert Kraft. Dieser Prozess erfolgt über das sogenannte Notice-and-Takedown-Verfahren.
Technik im Kampf gegen Piraterie
Die Film- und Musikwirtschaft setzt auf eine Vielzahl von Maßnahmen, um digitale Piraterie einzudämmen. Technische Lösungen wie digitale Wasserzeichen und DRM (Digital Rights Management) ermöglichen es, illegale Kopien zurückzuverfolgen. Goeschl erläutert, dass dank individualisierter Wasserzeichen die Quelle einer illegalen Kopie oft exakt bestimmt werden kann: „Man kann genau identifizieren, woher eine Kopie stammt – das ist ein wichtiger Schritt, um die Verbreitung einzudämmen.“
Nach der Einschätzung von Kraft sind solche technischen Maßnahmen rechtlich gut abgesichert. Allerdings sieht er Potenzial für Verbesserungen, insbesondere bei der Umsetzung von Zugangssperren. Länder wie Dänemark bieten hier Vorbilder, da dort Zugangssperren wesentlich schneller und effizienter implementiert werden können. Die Vereinfachung solcher Prozesse seien auch für Österreich eine große Chance im Kampf gegen Piraterie.
Eine Frage der Ermittlung
Kraft zufolge sei die strafrechtliche Verfolgung hierzulande stark eingeschränkt. Warum? In den dafür vorgesehenen „Privatanklageverfahren“ fehle es oft an einer ausreichenden Grundlage für effektive Ermittlungsverfahren. Im Unterschied zu Fällen, in denen Kriminalbeamt*innen zusammen mit Staatsanwält*innen ermitteln und über entsprechende Ermittlungsinstrumente verfügen. Unabhängigen Produktionsfirmen und kleineren Verleihern stehen diese eben nicht zur Verfügung und daher sei es oft schwierig, die Übeltäter*innen auszuforschen. Der Rechtsanwalt befürwortet deshalb eine deutliche Erweiterung der diesbezüglichen Ermittlungsmöglichkeiten zur Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen.
Weiters wäre es wichtig, wenn die verwaltungsrechtlichen Verfahren vor der Telekom-Control-Kommission (TKK) nach der zivilrechtlichen Aufforderung und der Umsetzung von Zugangssperren effizienter und mit weniger Aufwand abgewickelt werden könnten. „In Österreich verzögern langwierige Prüfverfahren der Telekommunikationsbehörde die Umsetzung von Zugangssperren erheblich. Obwohl es sich um eindeutig strukturell rechtsverletzende Internetseiten handelt, wird jede Sperrmaßnahme auf ihre Netzneutralitätskonformität geprüft, was extrem ressourcenintensiv ist“, bestätigt auch Goeschl. Dies sei selbst für die Rechteinhaber*innen, die über ausreichende finanzielle und zeitliche Ressourcen verfügen, oft langwierig und belastend. Rechtsanwalt Kraft ortet Verbesserungspotenzial, wenn europäische Regelungen harmonisiert und grenzüberschreitende Bekämpfung von Piraterie erfolgen würde.
Die richtige Kommunikation kann helfen
Maßnahmen könnten freilich auch auf der Plattformebene erfolgen: „Die „breite Masse“ der Konsument*innen von Filmpiratenseiten lässt sich durch Zugangssperren vom Zugriff auf diese strukturell rechtsverletzenden Angebote abhalten“, so Kraft. Indirekt werde dadurch auch die Attraktivität für Werbepartner solcher Plattformen reduziert, was finanzielle Einbußen für die Betreiber*innen nach sich ziehe.
Neben technischen und rechtlichen Maßnahmen bleibt die Aufklärung der Konsument*innen. Goeschl betont, dass direkte Ansprache durch Kreative oft mehr Wirkung zeigt als abstrakte Kampagnen: „Wenn Künstler*innen und Produzent*innen persönlich erklären, wie Piraterie ihre Arbeit schadet, erreicht das die Menschen oft direkter.“
Kraft sieht zudem Potenzial in der Einführung digitaler Hinweise, die Nutzer*innen illegaler Plattformen auf legale Alternativen aufmerksam machen könnten. Diese sogenannten „Stop-Schilder“ seien in anderen Ländern bereits erfolgreich im Einsatz.
Ideen für den Kampf gegen digitale Piraterie gibt es viele: Das Handeln auf mehreren Ebenen, vor allem aber Entschlossenheit, sind dafür erforderlich.

