In einer Zeit, in der traditionelle Medien mit sinkenden Werbeeinnahmen und steigendem politischen Druck konfrontiert sind, gewinnen Organisationen, die unabhängigen Journalismus fördern, zunehmend an Bedeutung. SUMO führte hierzu Gespräche mit Maribel Königer, Direktorin für Kommunikation, Medien und Journalismus der „Erste Stiftung“, und Carina Trafoier, Mitarbeiterin im „Team Kreativwirtschaft und Medien“ der „Medieninitiative der Wirtschaftsagentur Wien“, um herauszufinden, welche Strategien hinter diesen Bemühungen stehen.
von VIKTORIA GRUBER
Stiftungen im Medienbereich in Österreich seien vor allem als gemeinnützige Familien -Privatstiftungen zu finden, um stabile Eigentümerverhältnisse zu gewährleisten. Das betont Maribel Königer im Gespräch und kann durch den Blick auf die Besitzverhältnisse österreichischer Medienhäuser nur bestätigt werden: Die „Styria Media Group“ befindet sich anteilsmäßig im Katholischen Medienverein Privatstiftung, „Russmedia“ ist über Stiftungen im Besitz der Familie Russ, die „Wimmer Holding“ gehört größtenteils über eine Familienstiftung der Familie Cuturi, und „Der Standard“ ist zu 85,64 % im Besitz der Bronner Familien-Stiftung. Die „Heute“-Gruppe steht unter anderem im Eigentum der Periodika-Privatstiftung. Gemeinnützige Stiftungen, die Medien als schützenswerte Infrastruktur betrachten, sind in Österreich ein neues Phänomen.
Einst lukrative Einnahmequelle, jetzt Rettung für Qualitätsjournalismus?
Noch vor einigen Jahren galten erfolgreiche Medien als lukrativ und der Markt als stabil. Doch in den letzten zehn Jahren haben sich die Rahmenbedingungen geändert. Königer beschreibt die aktuelle Situation so: „Erst eine Schieflage des Marktes hat dafür gesorgt, dass eine Zukunft ohne journalistisch recherchierte Medien droht.“ Die Dimensionen dieser Schieflage verdeutlichen Berechnungen von Harald Fidler auf seiner Website „diemedien“. Demnach übersteigen seit 2023 die Werbeausgaben an Digitalkonzerne jene an österreichische Medienhäuser. Der Werbekuchen wird also anders verteilt. Gleichzeitig sind die Mediennutzer*innen es gewohnt, digitale Inhalte kostenlos zu erhalten. Also auch die Erlöse durch Nutzer*innen sinken. In diesem Umfeld setzt sich die „Erste Stiftung“ für unabhängigen Journalismus und eine vielfältige Medienlandschaft ein.
Die Förderung unabhängiger Medien ist für die Organisation Teil ihres Engagements für demokratische Strukturen. Königer erklärt: „Die Erste Stiftung hat den Erhalt funktionierender Demokratien im Blick, wenn sie Journalismus und Medien fördert.“ Der Ansatz der Stiftung ist dreigeteilt: In Mittel- und Osteuropa investiert sie durch den „Fonds Pluralis“ in große Medienunternehmen mit breiter Reichweite, um Übernahmen durch interessengeleitete Akteure zu verhindern. Königer dazu: „Redaktionelle Freiheit bedeutet hier also, dass es einen Mehrheitseigentümer gibt, der keine anderen Ziele verfolgt, als guten Journalismus zu unterstützen.“ Als dritte Säule beschreibt sie schließlich die Investition in Menschen. Seit knapp 20 Jahren werden Stipendien für Investigativjournalist*innen in Osteuropa vergeben.
In Österreich verfolgt die Stiftung einen anderen Ansatz und fördert den „Media Forward Fund“ (MFF) für die DACH-Region. Der MFF setzt sich für die Medienvielfalt im deutschsprachigen Raum ein und unterstützt journalistische Projekte. Geschäftsführer Martin Kotynek, zuvor sechs Jahre lang Chefredakteur bei der österreichischen Tageszeitung „Der Standard“, engagiert sich in der aktuellen Medienkrise für tragfähige Geschäftsmodelle im Journalismus. Gegründet wurde der „Media Forward Fund“ unter anderem auf Initiative der „Schöpflin Stiftung“, der „Rudolf Augstein Stiftung“ und der“ ZEIT-Stiftung Ebelin und Gerd Bucerius“ aus Deutschland sowie der Stiftung „Mercator Schweiz“ und der „Volkart Stiftung“ aus der Schweiz. Während das Stiftungswesen für Medien in Deutschland und der Schweiz bereits länger etabliert ist, hat Österreich diesbezüglich also eine recht junge Geschichte.
Wer zahlt, schafft an?
Damit stellt sich für SUMO die Frage: Inwieweit wirkt die „Erste Stiftung“ auf die Vergabe der Förderungen ein? Dazu betont Königer, dass die Stiftung bei der Förderung von Medienprojekten bewusst Distanz bewahre, um die redaktionelle Unabhängigkeit zu gewährleisten: „Wir unterstützen keine Medien direkt. Das ist einer der Gründe, warum wir uns gemeinwohlorientierten Pooled Funds anschließen.“ Diese Fonds haben klare Kriterien, die festlegen, welche Medienprojekte förderfähig seien. Ein faktenbasierter Journalismus sei dabei entscheidend, während die politische Ausrichtung keine Rolle spielt. Königer erläutert: „Bestimmte ‚Blattlinien‘ oder weltanschauliche Ausrichtungen sind für uns kein Kriterium. Wir wollen Vielfalt erhalten und Fakten können natürlich unterschiedlich interpretiert werden.“
Ein weiterer Mechanismus zur Wahrung der Unabhängigkeit bestehe darin, dass Geldgebende keinen Einfluss auf die Auswahl der geförderten Projekte haben. Königer erklärt: „Beim ,Media Forward Fund‘ erfahren die Geldgeber beispielsweise erst nach der Entscheidung der Jury, wer sich überhaupt beworben hat.“
Unabhängige Medien für Wien
Eine bedeutende und relativ neue Fördermaßnahme für Medien hat die „Wirtschaftsagentur Wien“ 2020 ins Leben gerufen. Die „Wiener Medieninitiative“ unterstützt innovative Projekte im Medienbereich und hat sich als Ziel gesetzt, „dass wir den Wirtschaftsstandort Wien entwickeln und dadurch Impulse setzen wollen, damit sich Unternehmen entwickeln können“, sagt Trafoier im Interview. Die Initiative ist in die Struktur der „Wirtschaftsagentur Wien“ eingebettet, deren Aufgaben von der Beratung über Immobilienentwicklung bis zur Förderung von Unternehmen reichen. Finanziert durch Mittel der Stadt Wien, wird die Initiative von einer internationalen Fachjury bestehend aus internationale Forscher*innen wie Praktiker*innen begleitet. Diese trifft die Auswahl der Projekte anhand klarer und transparenter Kriterien wie Innovationsgrad, redaktioneller Unabhängigkeit und wirtschaftlicher Nachhaltigkeit.
Jährlich gehen – so Trafoier – etwa 80 bis 90 Anträge ein, bei einem Budget von 2,4 Millionen Euro. Die genaue Förderquote ist nicht ganz klar zu bestimmen, da diese oft schwankt. Die geförderten Formate sind vielfältig und reichen von Print – so etwa das Printmagazin „Zimt. Das Magazin für die Psyche“ über digitale Plattformen von „Anderseits“ bis hin zu audiovisuellen Medien wie „Bauertothepeople“. Man beschränkt sich also bewusst nicht auf Schwerpunkt und ist für alle Formate offen.
Auch Initiativen haben Grenzen
Beide Expertinnen sehen die Förderung unabhängiger Medien als entscheidenden Hebel zur Stärkung der Demokratie, betonen jedoch die Grenzen ihrer Möglichkeiten. „Stiftungen können nicht die ganze Branche mit ihrem Geld ‚retten‘. Dafür ist es zu wenig und die Probleme zu groß“, sagt Königer offen. Der Mediensektor befindet sich in einem Strukturwandel, und ohne innovative Ansätze wird die Branche den Wandel nicht überstehen. Hier benötigt es gut eingesetzte Digitalisierung, innovative Bezahlmodelle, neue Wege, um Erlöse jenseits des Kerngeschäfts der Medien zu erzielen.“ Auch die „Wiener Medieninitiative“ sieht Herausforderungen, insbesondere bei der Finanzierung unabhängiger Projekte durch freie Journalisten*innen. Mit der Förderung unterstützt man diese dabei, in einem sehr gesättigten Markt auf sich aufmerksam zu machen. Als eine weitere Schwierigkeit der Fördergeber*innen, erweist sich die Beurteilung der Anträge und die Einteilung der Ressourcen auf die jeweiligen Projekte, da die wirkliche Umsetzung oft anders abläuft als die Planung.
Trotz dieser Hürden verweisen beide auf Erfolge: Die Stiftung ist zufrieden mit den sichtbaren Ergebnissen ihres Engagements. Sie verweist auf ein slowakisches Nachrichtenmedium, das dank der Unterstützung des „Pluralis“-Fonds seine Unabhängigkeit von politischen Einflüssen wahren konnte, und auf ein österreichisches Medium, das durch die Förderung des Media Forward Fund seine finanzielle Basis stabilisieren konnte. Für die Medieninitiative sind Projekte wie das inklusive Magazin „Andererseits“, von Journalist*innen mit und ohne Behinderung, besonders herausragend. Oder die Plattform „Wechselweise“, die Themen aufgreift, die in der öffentlichen Wahrnehmung oft unterrepräsentiert sind, wie zum Beispiel jene rund um die Wechseljahre.
Der Konsens ist klar: Unabhängige Medien sind essenziell für den gesellschaftlichen Diskurs und die Demokratie. Doch der Weg dahin erfordert nicht nur finanzielle Mittel, sondern auch Mut zur Innovation und neue Geschäftsmodelle, die die Branche zukunftsfähig machen.

