Kaum eine Branche ist so sehr vom technologischen Wandel betroffen, wie die der Medien. Dieser Prozess betrifft nicht nur die redaktionellen Mitarbeiter*innen, sondern lässt sich auch am Marketing erkennen.
SUMO sprach mit Daniel Kupka, Head of Marketing & Communications bei „FM4“, und Judith Zingerle, Marketing-Leiterin bei „DER STANDARD“, über das Berufsbild, Veränderungen und Zukunftsaussichten.
Wo „damals“ noch Info-Flyer verschickt wurden, finden sich heute „Instagram“ Werbespots. Das Wort „Damals“ steht hier bewusst unter Anführungszeichen, denn eigentlich galt diese Realität noch in den frühen 2000er-Jahren. Bei Medienmarketing handelt es sich um eine Sonderform des Marketings, denn das Medium an sich ist das Produkt, das es zu promoten gilt. Anders als im klassischen Marketing geht es nicht um Dienstleistungen oder materiell fassbare Gegenstände, deren Verkauf leicht messbar und bezifferbar ist, sondern es geht um die Services und inhaltlichen Angebote eines Medienunternehmens. Doch auch wenn Medienunternehmen eine besondere Position in der Marketingwelt einnehmen, ist das Ziel des Marketings analog zu anderen Unternehmen: Es gilt die Bekanntheit der Marke zu steigern. Wie Daniel Kupka als Head of Marketing & Communications bei „FM4“ betont, gebe es keine reguläre „Kaufentscheidung“ für ein Produkt, sondern die Zeit jedes einzelnen Kunden und jeder Kundin sei der zu vermarktende Faktor. Ein ähnlich wichtiger Aspekt wird auch von Judith Zingerle, Leiterin des Marketings der Tageszeitung „DER STANDARD“, zum Ausdruck gebracht: die Wissensvermittlung als Kernaufgabe der Zeitung und Treiber des Marketings. Diese werde etwa bei wichtigen gesellschaftlichen Ereignissen oder Wahlen umso relevanter, so Zingerle.
Die Debatte um die Sozialen Medien
Auch der Auftritt auf digitalen Plattformen ist zu einer Herausforderung geworden. Vor etwa 15 Jahren bestand die Aufgabe darin, den Hauptkanal des Radiosenders und eine radioeigene Website mit Sendeinhalten und Programmübersichten zu bespielen. Doch mittlerweile, so beschreibt es Kupka, müsse man sich als Medienunternehmen des 21. Jahrhunderts positionieren und vielfältige digitale Kanäle miteinbeziehen. „FM4“ habe nach Kupka einen gut besuchten Auftritt in Sozialen Medien, insbesondere auf „Instagram“ und „Facebook“ eine hohe Durchdringung in der jungen Zielgruppe des Jugendkultursenders, vornehmlich auch im Vergleich zur Größe des Senders respektive im Reichweitenvergleich. Laut Radiotest 2021 wird der Sender von 3,4% der Hörer*innen täglich rezipiert, wohingegen sein „Instagram“-Kanal 93.000 Follower*innen zu verzeichnen hat. Judith Zingerle spricht in diesem Zusammenhang auch davon, offen für die vielfältigen Möglichkeiten der digitalen Medien zu sein und Veränderungen zuzulassen. Ob und inwiefern digitale Kanäle für ein Medienunternehmen funktionieren, könne nur durch Ausprobieren herausgefunden werden.
Dennoch gibt es auch eine Kehrseite der Medaille: Wenn Informationen lediglich über „Instagram“ abgerufen werden, leben die Nutzer*innen in einer „Informationsblase“, verweist Zingerle. Medienimmanent erlauben Soziale Medien kompakte, komplexitätsreduzierte und speziell auf „Instagram“ bildlastige Informationen. Ergänzende Fakten und Facetten sind erst im genuinen Online-„STANDARD“ abrufbar. Wer nicht weiterklickt und dort nachliest, bleibt auch beim „Instagram“-Auftritt der „Zeitung für Leser“ oberflächlich informiert. Das Marketing der Medienhäuser kann auf Basis der Clickrates, der Verbleibdauer auf der Site sowie der demografischen Analysen die Zielgruppe kennenlernen und die Inhalte – nutzerorientiert passend – aufbereiten. Das Nutzungsverhalten online und in Sozialen Medien ist deutlich präziser messbar als jenes der Zeitungsleser*innen im analogen Format.
Individualismus vs. Mitläuferdasein
Der mittlerweile große Auftritt vieler Medienunternehmen in Österreich auf Sozialen Medien bringt auch Druck mit sich. Druck, der selbstverständlich im Marketing bereits davor existierte und auch weiterhin existieren wird, doch mit Sozialen Medien als Werbetreiber eine neue Perspektive geschaffen hat. Um seine Marke an die Öffentlichkeit zu bringen, sei gegenwärtig viel Arbeit und Denkvermögen erforderlich, erzählt Kupka. Auch die Ausbreitung der Sozialen Medien scheine dazu beizutragen und Kupka verdeutlicht: „Wenn man nur klassisch denkt, dann wird man irgendwann untergehen“. Auch eine gewisse Beständigkeit im Marketing und in der Kommunikation fördere die Bekanntheit, führt Judith Zingerle aus. Jedoch verneint sie die Annahme, dass sich das Marketing und die Art der Kampagnen in den letzten Jahren – auch auf Grund von Sozialen Medien – geändert habe. Im Kern bestehe die Herausforderung immer noch darin, individuell zu agieren. Das Bewusstsein über die Kernwerte und das Selbstverständnis des Mediums müsse vorhanden sein und diese Botschaft nach außen an die Leserschaft auf den diversen Kanälen transportiert werden. Wenn der Transfer dieses Bewusstseins gelinge, dann ergebe sich die Individualität der Marke wie von allein, erklärt Zingerle SUMO.
Die Zukunft wird…
Der permanente Wandel in dieser Branche macht es nicht einfacher, haltbare Zukunftsaussagen zu tätigen. Es stehen einige Spekulationen im Raum, etwa über die Neustrukturierung oder Auslagerung der Marketingabteilung im Allgemeinen bzw. ein Umdenken bezüglich des Marketings. Zingerle verneint diese Aussagen rasch und ist der Ansicht, dass in der Marketingabteilung das Fachwissen konzentriert vertreten ist. Die Kommunikation – sowohl unternehmensintern als auch nach Außen – findet im Marketing statt und auch die Nähe des Produkts sei wichtig: „Marketing kann nicht abgekapselt und weit weg vom Kernprodukt stattfinden“, betont sie. Auch das rasante Wachstum der Unternehmensabteilung und der Boom der Marketingbranche wirft die Frage auf, ob dieses Business noch weiterwachsen kann, oder ob die Sättigungsgrenze bereits überschritten ist. Diese Thematik löst auch für Insider Unwohlsein aus und wirft Fragen auf, die schwierig zu beantworten sind. Kupka unterstreicht diesbezüglich die Tatsache, dass es schwierig sei, Annahmen zu treffen, wenn man selbst in diesem „Marketing-Boot sitzt“ und kaum Möglichkeit hat, andere beziehungsweise fremde „Boote“ diverser Unternehmen zu beobachten. Jedoch kann festgehalten werden, dass rapide Veränderungen rasche Entscheidungen erfordern. Zögerliches Agieren ist hierbei nicht erwünscht und die Anpassung an neue Werte und Phänomene – etwa der noch nicht prognostizierbare Erfolg von „TikTok“ – sollte an oberster Stelle stehen. Denn: So rasch die Veränderung kommt, so rasch kann diese auch wieder vom Markt verschwinden und die Adaption ist hierbei das A & O. Jedoch kann eines gesagt sein: Offen für neue Ideen sein, vieles ausprobieren, neugierig bleiben und nicht zu weit in die Zukunft blicken sind die Ratschläge von Judith Zingerle. Sich an neuen Plattformen und Strategien versuchen und am Zahn der Zeit zu bleiben ist hierbei mitunter die wichtigste Empfehlung.
von Theresa Zahradnik
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