Die Kehrseite der Kinoleinwand: Überleben mit halben Ticketeinnahmen

Viele Kinobesucher*innen zeigen zunehmend wenig Verständnis für die steigenden Ticketpreise und fragen sich, warum ein einzelner Kinobesuch mehr kostet als ein monatliches Abonnement für einen Streaming-Dienst. Doch dabei bleibt oft die Kehrseite der Leinwand unberücksichtigt. SUMO sprach dazu mit Andreas Leitner, Geschäftsführer der Filmbühne in Waidhofen an der Ybbs und Mario Hueber, Geschäftsführer von Hollywood Megaplex.

von DANIEL EICHINGER

Wenn Andreas Leitner die nüchternen Zahlen seines regionalen Provinzkinos auf den Tisch legt, wird die Herausforderung deutlich: „Ein erheblicher Teil der Ticketeinnahmen – im Schnitt etwa 43 Prozent, in manchen Fällen sogar bis zu 49 Prozent – müssen an Verleihfirmen abgeführt werden.“ Damit wird klar, dass Kinos mit geringen Besucher*innenzahlen von den Ticketverkäufen allein kaum überleben können. Zusätzliche Einnahmen abseits von Tickets und dem Buffet sind daher unverzichtbar. Für die Filmbühne beschränken sich diese jedoch auf die Programmförderung von „Europa Cinemas“, da auf Werbung bewusst verzichtet wird.

Auch Multiplex-Kinos sind mit diesen finanziellen Herausforderungen konfrontiert, wie Mario Hueber von „Hollywood Megaplex“ erklärt: „Vom Ticketpreis bleiben uns, nach Abzug des Verleiheranteils, der Mehrwertsteuer und der Vergnügungssteuer, etwa 30 bis 40 Prozent. Ohne die Einnahmen aus dem Buffet und der Werbung wäre ein moderner Kinobetrieb nicht mehr wirtschaftlich tragfähig.“ Besonders die Umsätze aus dem Verkauf von Popcorn und Snacks seien heute oft lukrativer als die Tickets selbst. Neben den direkten Einnahmen betont Mario Hueber, dass Kino-Werbung eine zentrale Rolle spiele, da diese Einnahmen eine direkte Entlastung der Ticketpreise ermöglichen: „Ohne Werbung müssten wir die Ticketpreise deutlich erhöhen, um den gleichen Umsatz zu erzielen.“

Große Vorgaben für kleine und große Kinos

Auf Nachfrage erklärte Hueber die herausfordernden Vorgaben der Verleihfirmen, die Kinos dazu verpflichten, Filme in einer bestimmten Häufigkeit und für einen festgelegten Zeitraum zu zeigen: „Die erste Woche ist immer unstrittig, aber wenn ein Film nicht funktioniert und dennoch die Vorgaben erfüllt werden müssen, wird es schwieriger. Oft können Lösungen gefunden werden, die beide Seiten zufrieden stellen. Aber die Verleihfirmen haben auch ihre Vorgaben aus London oder Amerika.“ Diese Abhängigkeit erschwere die Programmgestaltung, insbesondere für Filme, die nicht den erwarteten Erfolg bringen. Die Erfahrung zeige, dass Filme, die in der ersten Spielwoche nicht funktionieren, auch in den kommenden Wochen nicht funktionieren.

Bei kleineren Kinos, wie bei der Filmbühne in Waidhofen, komme eine weitere Herausforderung hinzu: Mit nur zwei Sälen kann nicht jeder Film gezeigt werden, weshalb eine sorgfältige Vorselektion des Filmprogramms zwingend notwendig sei. Dabei spielen nicht nur die Interessen des Publikums, sondern auch diese strikten Bedingungen eine entscheidende Rolle. Große Blockbuster können aufgrund solcher Regelungen sogar einen ganzen Saal über mehrere Wochen hinweg belegen. „Diese Vorgaben sind erfüllbar, aber sie gefährden definitiv die Programmvielfalt“, erklärt Leitner.

Besonders kleinere Kinos stehen hierbei unter Druck. Für Titel mit eingeschränkter Zielgruppe – wie Horror-, Anime- oder Musicalfilmen – bleibe oft kein Platz im Programm. Stattdessen liege der Fokus, neben Familien-Unterhaltung, auf Arthouse-Produktionen, die eine treue Zielgruppe anspräche und kulturelle Vielfalt fördere. Doch auch Arthouse-Filme unterlägen teilweise den Vorgaben der Verleihfirmen, was die Programmgestaltung zusätzlich erschwere. Die Möglichkeit, solche Filme zeitversetzt nach dem Hauptstart ins Programm zu nehmen, biete jedoch eine gewisse Flexibilität, berichtet Leitner: „Das spätere Einsetzen von Filmen erleichtert die Programmierung enorm – auch wenn wir dadurch an Aktualität verlieren.“

Der Wettbewerb zwischen Nostalgie und Hightech

Nur 20 Kilometer entfernt liegt in Amstetten ein Cineplexx-Kino, das als direkte Konkurrenz gilt. Ein modernes Multiplexkino, mit zahlreichen Sälen und hochmoderner Technik wie Dolby Atmos und Laserprojektion. Doch die Filmbühne hat einen klaren Vorteil: Ihr persönliches und historisches Ambiente, das besonders bei Stammkund*innen beliebt ist.

„Wir verstehen uns als Filmnahversorger und bieten eine andere Atmosphäre“, erklärt Leitner. Die zentrale Lage in der Innenstadt von Waidhofen und regelmäßige Investitionen in Technik – zuletzt in Laserprojektion – helfen dabei, konkurrenzfähig zu bleiben. Dennoch bleibt der Kampf um das Interesse der Besucher*innen herausfordernd, denn moderne Kinoketten, wie Hollywood Megaplex, locken mit zusätzlichen Angeboten wie IMAX oder 4D-Vorführungen.

Mario Hueber von Hollywood Megaplex unterstreicht, dass Investitionen in modernste Technik und alternative Angebote entscheidend seien, um die steigenden Ansprüche der Kinobesucher*innen erfüllen und ihnen ein Erlebnis bieten zu können. „Formate wie IMAX oder 4DX sind ein wichtiger Bestandteil unserer Strategie, die sich klar von Heimkino- oder Streaming-Angeboten abhebt. Besucher*innen kommen nicht nur, um einen Film zu sehen, sondern um eine besondere Erfahrung zu machen.“ Besonders die Altersgruppe zwischen 14 und 29 Jahren zeige sich als äußerst technikaffin und sei zugleich die Bevölkerungsschicht, die am meisten ins Kino geht.

Streaming-Abonnements und Kinoabos: Die neue Realität?

Streaming-Dienste stellen für die gesamte Kinobranche eine immer größere Konkurrenz dar. Während ein Monatsabo für Netflix oder Disney+ oft günstiger ist als ein Kinobesuch (Film: Mufasa – Der König der Löwen- 20 Uhr – 3D – 10. Reihe – Hollywood Megaplex in Wien Gasometer € 15,50; Filmbühne in Waidhofen/Ybbs € 12,-), versuchen Kinobetreiber*innen, mit eigenen Abo-Modellen gegenzusteuern. Seit März 2023 gibt es etwa das „Nonstop-Kinoabonnement“, das Kinofans die Möglichkeit bietet, für eine monatliche Gebühr ab 20 Euro unbegrenzt Filme im Kino zu erleben. Dadurch sollen regelmäßige Besuche wieder attraktiver und die Zuschauer*innen langfristig gebunden werden. Die Filmbühne hat dieses Modell bisher nicht übernommen. Die Gründe: Vorgaben der Verleihfirmen, die eingeschränkte Verfügbarkeit bestimmter Filme und die begrenzte Nachfrage in einer regionalen Umgebung wie Waidhofen an der Ybbs. Dennoch schließt Leitner eine Einführung in Zukunft nicht aus: „Wir beobachten die Entwicklungen genau.“

Auch Mario Hueber äußerte sich skeptisch gegenüber Abo-Modellen. Er befürchtet, dass diese das Kino langfristig entwerten könnten, da sie die Kosten für Premiumformate wie IMAX oder 4DX nicht abbilden. Ihm zufolge kommen die Kund*innen ins Kino, weil sie ein besonderes Erlebnis suchen, und das habe seinen Preis. Stattdessen setzt man auf Ermäßigungen speziell für jüngere Menschen, Schüler*innen und Studierende, um so auch den Zugang für preisbewusste Besucher*innen zu erleichtern. Dadurch seien auch die technischen Innovationen gedeckt.

Zukunftsaussichten der Kinobranche

Mario Hueber blickt optimistisch auf die Zukunft der Kinobranche und ist überzeugt, dass das Kino auch in den nächsten zehn Jahren eine bedeutende Rolle spielen wird. Dennoch hofft er persönlich, dass die technologische Entwicklung vorerst etwas eingebremst wird, da die regelmäßigen Erneuerungen mit intensiven Kosten verbunden sind. Trotz alledem wird man auch zukünftig mutig auf sinnvolle Innovationen setzen und das Kinoerlebnis stetig verbessern.

Die Filmbühne Waidhofen/Ybbs zeigt, dass Kino mehr ist als nur Filmvorführungen. Es ist ein Ort der Begegnung, der Kultur und des Erlebens – und bleibt trotz aller Herausforderungen ein wichtiger Bestandteil des kulturellen Lebens in der Region. Während große Ketten und Streaming-Dienste den Markt dominieren, beweist die Filmbühne, dass es gerade im ländlichen Raum Platz für Individualität, kulturellen Anspruch und Charakter gibt – traditionell, aber doch am Puls der Zeit.

Andreas Leitner | Copyright: Filmbühne Waidhofen/Ybbs
Mario Hueber | Copyright: Hollywood Megaplex