Egal, ob es sich um Gesundheit, Liebe, den beruflichen Erfolg oder entscheidende Wendepunkte im Leben handelt – viele junge Erwachsene setzen heutzutage oft auf die Macht der Sterne. Die Astrologie erlebt auf sozialen Plattformen wie Instagram, TikTok und YouTube eine neue Popularitätswelle bei der jungen Generation, die zunehmend nach alternativen Quellen der Selbstreflexion, Orientierung und Lebensführung sucht. SUMO ging deshalb im Gespräch mit dem Sozialwissenschaftler Franz Höllinger und den Astrologinnen Daniela Hruschka und Elisabeth Berauer der Frage nach, wie stark der aktuelle Astrologie-Hype die Selbstfindung im digitalen Zeitalter beeinflusst.
Von GILL SPRANGLER
Die Astrologie übt seit Jahrtausenden eine starke Anziehungskraft auf die Menschheit aus, indem sie die nächtlichen Sterne als eine Art Sprache interpretiert, die unsere Neugier und unser Interesse weckt. Ihre Wurzeln reichen bis in die vorchristliche Zeit Mesopotamiens zurück, etwa um das Jahr 1250 v. Chr. Von dort aus hat sie sich über die Jahrhunderte hinweg in verschiedenen Kulturen und Gesellschaften weltweit weiterentwickelt und verbreitet. Inzwischen hat die Sterndeutung den Sprung in die große weite digitale Welt geschafft, wo sie auf den Onlineplattformen eine breite Anhängerschaft gefunden hat.
Der Aufschwung des Astrologie-Contents
„Die Astrologie kommt wieder mehr in das Bewusstsein der Menschen. In asiatischen Ländern wie China, Indien, aber auch Südamerika wird sie seit mehreren Jahrhunderten kontinuierlich mehr genutzt als im europäischen Raum. Vielleicht wurde sie einfach von gewissen Themen verdrängt“, erklärt Astrologin Daniela Hruschka aus Salzburg. Damit stellt sich die Frage nach dem Grund des aktuellen Hypes. In einer Zeit, in der Veränderung und Unsicherheit allgegenwärtig sind, rücke die Astrologie stärker in den Fokus – so die Vermutung Hruschkas. Ergänzend dazu sieht sie auch in den Sternen die Begründung: „Wir befinden uns seit Anfang des Jahres in einem großen Zeitenwandel, wo Pluto im Zeichen des Wassermann steht. Dies deutet auf einen astrologischen Zeitabschnitt hin, der durch die Position bestimmter Planeten im Tierkreiszeichen definiert wird und die Charakteristika und Einflüsse des Wassermann-Zeichens hervorhebt wie etwa technologische Fortschritte oder kollektive Anstrengungen für die Gesellschaft.“ Analog dazu die wissenschaftliche Einschätzung von Sozialwissenschaftler Franz Höllinger von der Karl-Franzens-Universität Graz: „Angesichts von Krisen, Kriegen, globalen Herausforderungen wie Pandemien und Umweltkatastrophen suchen viele Menschen verstärkt nach Sinnhaftigkeit und Orientierung für ihr Leben sowie für die Zukunft. Viele Menschen wenden sich daher spirituellen, philosophischen oder anderen Sinn stiftenden Quellen wie der Astrologie zu, um Antworten zu finden, Trost zu suchen sowie Orientierung und Halt zu gewinnen.“ Sekundierend dazu auch eine Marktforschung „zur Einstellung zu Astrologie, Sternzeichen und Horoskop“, welche im Jänner 2017 vom Online Marktforschungsinstitut meinungsraum.at veröffentlicht wurde. Demnach sind 38% der Meinung, dass die Beschreibung des eigenen Sternzeichens zumindest eher auf den eigenen Charakter passt. Franz Höllinger sieht die Astrologie deshalb in einem Trend in Richtung einer Selbstverwirklichungs- und Therapiegesellschaft, wo Menschen danach streben, sich selbst besser kennenzulernen und zu verstehen.
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Zu einer ähnlichen Diagnose gelangte auch der Psychologe Andreas Hergovich in einem ORF-Gespräch vom 5. Januar 2020. Ihm zufolge verstärken der Niedergang organisierter Religionen und die wirtschaftliche Unsicherheit das Bedürfnis nach einem kohärenten Weltbild und Kontrolle über das eigene Leben. Besonders in Zeiten des Wandels, der Digitalisierung und der gesellschaftlichen Beschleunigung suchen junge Menschen nach Orientierung und Halt. Astrologie bietet scheinbar Antworten auf Fragen, die die Wissenschaft nicht beantworten kann, wie den Sinn des Lebens und sie dient als Anker in unsicheren Zeiten. Viele wenden sich in solchen Momenten alternativen Glaubenssystemen zu, die als Gegengift zu modernen Ängsten und Unsicherheiten wirken. Astrologische Vorhersagen sind für ein digital vernetztes Publikum besonders ansprechend und bieten Erklärungen für die aktuellen „ungewöhnlichen“ Zeiten.
Mediale Berichtserstattung von Astrologie
Die mediale Berichterstattung über astrologische Inhalte im digitalen Zeitalter hat die Art und Weise, wie Menschen Astrologie wahrnehmen und nutzen, stark verändert. Durch die Integration in verschiedene digitale Plattformen und Medienformate erreicht Astrologie ein breiteres Publikum und wird zunehmend in den Alltag der Menschen eingebunden. Podcasts auf Spotify mit klingenden Titeln wie Reise zu dir selbst, Astrologie To Go – Sterndeutung für unterwegs oder Cosmic Mirror und Videos auf YouTube bieten tiefe Einblicke und ausführliche Diskussionen zu astrologischen Themen. Plattformen wie Instagram und TikTok ermöglichen hingegen eine schnelle Verbreitung und Rezeption von Astrologie durch ihre visuell ansprechenden und leicht konsumierbaren Inhalte, wie Beiträge, kurze Videos und „Astro-Memes“, die oft von Astro-fluencer*innen übernommen werden. Diese Inhalte beleuchten die typischen Charakteristiken der Sternzeichen und decken eine Vielzahl von Themen, darunter Lebensweisheiten, Ratschläge, Work-Life-Balance, Beziehungen etc., ab. Zudem zeigen kommerzielle Angebote, wie personalisierte Horoskop-Apps und exklusive Mitgliedschaften, die wirtschaftliche Dimension des Astrologie-Hypes.
Diese breite Verfügbarkeit und die vielfältigen Ausdrucksformen der Astrologie fördern nicht nur die Selbstreflexion und das Verständnis der eigenen Person, sondern auch die Gemeinschaftsbildung. Junge Erwachsene finden Gleichgesinnte, mit denen sie ihre Erfahrungen und Erkenntnisse teilen können, was zu einem Gefühl der Zugehörigkeit und Unterstützung beiträgt. Astrologin Hruschka erklärt, was vielen Menschen nicht bewusst ist: Traditionelle und digitale Medien vermitteln häufig den Eindruck, dass Horoskope präzise Vorhersagen zu den zwölf Stern- bzw. Sonnenzeichen machen können. Jedoch werden die Aussagen bzw. Impulse auf die Allgemeinheit getroffen und beziehen sich nicht spezifisch auf den einzelnen Menschen. Diese Verallgemeinerung vernachlässigt die individuelle Einzigartigkeit und Komplexität jedes Menschen sowie deren persönliche Verantwortung für ihr Leben.
Verloren? Ratlos? Verzweifelt?
Menschen suchen also Rat, um nicht nur Klarheit über ihre aktuellen Lebensumstände zu erlangen, sondern auch Wege zur Bewältigung ihrer Herausforderungen zu finden. Während einige darauf hoffen, konkrete Vorhersagen für die Zukunft zu erhalten, setzen andere eher auf ihre eigenen Fähigkeiten und Ressourcen, um ihren Weg zu gehen. „Jeder Mensch ist für sich selbst Expert*in ihres/seines Lebens“, erläutert Astrologin Elisabeth Berauer aus Wien. Darüber hinaus war der Wunsch, Magisches ins Leben zu bringen, schon immer eine Antriebsfeder der Menschen. Vielleicht auch weil wir in einer zunehmend rationalen und von Funktionalität getriebenen Gesellschaft leben. Sie erklärt weiter, dass die Astrologie sich aus jahrtausendealter Beobachtung der Zusammenhänge von Planetenbewegungen in Korrelation zu Erscheinungen auf der Erde entwickelt hat, was bedeute, dass es keine rationale Erklärung oder wissenschaftlichen Beweise für ihre Annahmen gibt. Wissenschaftliche Messmethoden können die Astrologie niemals erfassen, denn sie ist ein Symbolsystem. Tierkreiszeichen und Planeten sind Symbole für die vielfältigen Erscheinungen des Lebens, seien sie materiell, geistig, seelisch oder spirituell. Symbole verkörpern die innere Essenz einer Erscheinung. Mit methodischen Standards und den empirischen Anforderungen der Naturwissenschaft lässt sich diese nicht ergründen.
Eine Umfrage von meinungsraum.at zeigt, dass 28% der Befragten denken, dass es Dinge gibt, die sich wissenschaftlich nicht nachweisen lassen und begründen damit ihren Glauben an die Astrologie. Soziologe Höllinger verweist auf eine österreichweite Repräsentativbefragung des ISSP (International Social Survey Programme) unter Erwachsenen ab 18 Jahren, die bereits seit 1986 im Gange ist. Demnach glaubt in etwa ein Drittel der Österreicher*innen an Astrologie, wobei der Anteil bei jüngeren Menschen höher ist. Es lässt sich beobachten, dass Frauen im Vergleich zu Männern ein stärkeres Interesse an Astrologie zeigen und diese Praxis innerhalb ihrer jeweiligen spirituellen Kontexte, zu denen verschiedene Formen von Spiritualität wie Alternativmedizin, Meditation, Yoga usw. gehören, häufiger ausüben. Diese Tendenz besteht unabhängig vom Bildungsgrad.
Die Inhalte einer astrologischen Beratung
Für Berauer und Hruschka ist eine astrologische Beratung eine Möglichkeit, ein tieferes Verständnis für die eigene Persönlichkeit, für vergangene und gegenwärtige Ereignisse, sowie Wege zur Bewältigung von Problemen zu erlangen. Hierbei dient das Horoskop als zentrales Werkzeug, um Aussagen zur Person zu treffen. „Jedes Horoskop ist einzigartig und individuell wie der Mensch selbst“, betont Daniela Hruschka. Dabei fungieren die Astrolog*innen als Übersetzer*innen von Planetensymbolen, die Energien und Zeitqualitäten repräsentieren, welche in einer klaren Sprache und Ausdruckweise verständlich übersetzt und kommuniziert werden. Sie lesen den Menschen bis ins Detail und decken innere Blockaden sowie verborgene Fähigkeiten, Potenziale und Charakterzüge auf, die einen entscheidenden Einfluss auf die Persönlichkeitsentwicklung haben können. Diese Prinzipien lassen sich auch auf Kinderhoroskope anwenden, um grundlegende Eigenschaften zu erfassen und wichtige Entscheidungen im Bildungs- und Berufsbereich zu treffen. Astrologin Hruschka berichtet darüber hinaus, dass nicht nur Privatpersonen astrologische Beratungen in Anspruch nehmen, sondern auch viele Unternehmen und Start-Ups. Gründe dafür sind das Finden und Auswählen optimaler Zeitpunkte für Unternehmensentscheidungen wie Gründungen, Expansionen, Vertragsabschlüsse und Personalauswahl.
Astrologie entschuldigt keine Verhaltensweisen
Die beiden Astrologinnen erwähnen auch, dass Klient*innen aus unterschiedlichen Motiven eine Beratung in Anspruch nehmen. Einige Menschen kommen aus reinem Interesse und Neugier, während andere sie zur Persönlichkeitsentwicklung nutzen und wiederum andere die Astrologie, insbesondere die Vorhersagen in den Zeitungen, als Zeitvertreib betrachten. Wenn eine Person jedoch ihre Lebensführung und -entscheidungen den Sternen überlässt, kann das zu einer ungesunden Abhängigkeit führen. Menschen übergeben die Verantwortung für ihr Handeln eher dann den Sternen, wenn „ihnen nicht bewusst ist, dass die Sterne das Leben nicht bestimmen, sondern nur abbilden. Der große Nutzen der astrologischen Betrachtungsweise liegt im Erkennen von generellen und aktuellen Herausforderungen und deren möglichen Lösungsansätzen. Die Verantwortung für das eigene Leben liegt bei einem selbst“, begründet Elisabeth Berauer. Wenn jemand das eigene Verhalten mit Horoskopen und Sternzeichen entschuldigt, stellt Elisabeth Berauer fest, hat diese Person die Astrologie missverstanden. „Dies führt vielleicht zu Befriedigung und Erleichterung, aber dennoch hat man für das eigene Leben nichts gewonnen. Letztendlich liegt es in unserer eigenen Verantwortung, wie wir mit den Informationen und Einblicken umgehen“, so Elisabeth Berauer.
Blick in Richtung Zukunft
Die Zukunft ist nie garantiert. „Die Astrologie ist nicht mit Wahrsagerei oder Zukunftsdeutung gleichzustellen“, verdeutlicht Daniela Hruschka. Franz Höllinger ist der Meinung, dass die Zukunft der Astrologie in absehbarer Zeit weitgehend unverändert bleibt und keine signifikante Hochphase erleben wird. Im Gegensatz dazu erhofft sich Astrologin Elisabeth Berauer, dass die Qualität und das Potential der Astrologie, nämlich das größere Bewusstheit über sich selbst zu fördern, sowie Sinn und Bedeutung von Lebensereignissen zu begreifen, zukünftig besser erkannt werden und als wertvolle Lebensunterstützung dienen können.
Bleibt abschließend die Frage, was die Astrologie also kann? Dazu drei Antworten der Interviewpartner*innen von SUMO:
Franz Höllinger: „Das alles zu ernst nehmen, würde ich nicht. Man kann Astrologie durchaus als Anregung verstehen, sich kritisch mit seiner Persönlichkeit auseinanderzusetzen, so ähnlich wie mit einer Psychotherapie oder anderen Möglichkeiten der Persönlichkeitsintrospektion.“
Daniela Hruschka: „Die Astrologie ist eine große Bereicherung, sie ist schön im Leben einzubauen. Sie ist wie mein Best Buddy, der mich versteht, der mir gute Wege zeigt, viel über mich offenbart und mir großes Vertrauen in mich selbst gibt. Dadurch komme ich meiner Person näher und lebe durch ein gut gelebtes Horoskop sehr authentisch.“
Elisabeth Berauer: „Mit der Astrologie sollte man sich möglichst mit Leichtigkeit beschäftigen. Je mehr man sich der eigenen Fähigkeiten und Schwächen bewusst ist, desto einfacher kann die Entwicklung verlaufen und umso eher können Blockaden und Stolpersteine vermieden werden.“
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