Immer mehr Influencer*innen sind in den sozialen Medien präsent, insbesondere auf Plattformen wie Instagram und TikTok. Unter ihnen sind nicht nur Fashion- und Reise-Influencer*innen, sondern auch zunehmend Fitness-Influencer*innen vertreten. Doch wie beeinflussen sie ihre Rezipient*innen? Welche Vor- und Nachteile bringt diese Entwicklung für die Zuseher*innen mit sich? Die Antworten auf diese Fragen geben im SUMO einerseits Philipp Greimel, Sportphysiotherapeut und Dozent an der Fachhochschule St. Pölten und andererseits Ben Mareich, Fitnesscoach und Influencer.
von MIRJAM SCHWARZ
„Der Einfluss von Fitness-Influencer*innen in den sozialen Medien hat sicherlich positive und negative Auswirkungen auf die Rezipient*innen“, sagt Philipp Greimel. Er betont, dass dieser Einfluss motivierend sein kann und den Zugang zu neuen Sportarten und Trainingsmethoden ermöglicht. Zudem werden durch Fitness-Influencer*innen oft Trainingsmythen entlarvt. Auf der anderen Seite warnt Greimel vor dem Verkauf unrealistischer Sportideale, die für die Einzelperson schwer zu erreichen sind und demotivierend wirken können. Er hebt hervor, dass die Wahrnehmung dieser Inhalte stark von der individuellen Person abhängt. Einige fühlen sich motiviert und inspiriert, die gezeigten Übungen nachzuahmen, während andere sich durch die vermeintlich unerreichbaren Standards eher eingeschüchtert und verunsichert fühlen.
Positive Aspekte des Influencings
„Über Social Media wird eine breitere Personengruppe mit dem Thema Krafttraining konfrontiert“, erklärt Greimel. Früher wurde Krafttraining von vielen, insbesondere Frauen, als abschreckend angesehen und es bestand eine große Hemmschwelle. Durch Social Media wurde das definitiv reduziert und somit ist durchaus ein positiver Aspekt des Influencings feststellbar. Krafttraining ermöglicht es, das gewünschte Körperbild und Schönheits- oder Fitnessideale zu erreichen. Es ist sowohl gesund für den menschlichen Körper als auch gut für das allgemeine Wohlbefinden.
Fitness-Influencer*innen animieren und motivieren Menschen dazu, Sport zu treiben und einen gesünderen Lebensstil zu führen, wie Greimel ebenfalls positiv am Influencing feststellt. Das kann einerseits durch Krafttraining oder allgemeine sportliche Betätigung geschehen, aber auch durch eine mögliche Ernährungsumstellung. Zudem können ungesunde Lebensstile, Ernährungsgewohnheiten oder Bewegungsmuster durch die Tipps und Anleitungen von Fitness-Influencer*innen auf Instagram oder TikTok überwunden werden. Ben Mareich, Fitnesscoach und Influencer, spezialisierte sich hauptberuflich auf Personaltraining, Performance Training, Corporate Fitness sowie Screenings und Testings. Nebenbei ist er auf Instagram aktiv und erreicht dort 95.000 Follower. Er hebt hervor, dass hochwertiger Content einen positiven Effekt auf Trainingsneulinge haben kann und als Inspirationsquelle dienen sollte. Er rät dazu, sich von verschiedenen Quellen inspirieren zu lassen, insbesondere wenn man unsicher ist, welche Übungen für welche Ziele geeignet sind. Kurzum: Vielfalt ist entscheidend. Im Interview betont Mareich auch die Bedeutung der Kombination aus Kraft- und Cardiotraining für einen ganzheitlichen gesunden Lifestyle.
Greimel und Mareich sind sich beim Thema „hochwertiger Content“ einig: Bei der Arbeit mit Fakten müssen die Quellen angegeben werden. Es sollte klar vermittelt werden, dass es keine universelle Lösung für alle gibt und dass ein gesunder Alltag sowohl Sport als auch eine ausgewogene Ernährung umfasst. Übungen sollten nicht als falsch oder schädlich dargestellt werden, da jede Übung ihren spezifischen Zweck hat. Einige Übungen eignen sich besser für den Muskelaufbau, andere für die Linderung von Gelenkschmerzen oder zur Rehabilitation nach Verletzungen. Es ist wichtig, diese Unterschiede deutlich zu kennzeichnen und zu erläutern.
Potenzielle Gefahren für Rezipient*innen
Hochwertiger Content okay, aber wie erkennt man diesen? „Aus meiner eigenen Erfahrung als Trainer von Jugendlichen kann ich sagen, dass viele von ihnen Bodybuilder auf Social Media verfolgen, die sich ausschließlich auf die Wettkampfseite des Bodybuildings konzentrieren. Das kann dazu führen, dass junge Menschen ein ungesundes Bild von Fitness und Körperbildern entwickeln“, sagt Mareich.
Er betrachtet das als ein ernsthaftes Problem, weil insbesondere Jugendliche in einem jungen Alter sehr beeinflussbar sind. Besonders bei männlichen Jugendlichen beobachtet er den Trend, immer breiter und stärker werden zu wollen. Oft greifen sie dabei zu ungesunden Mitteln wie Substanzen, die auf der Dopingliste stehen. Dieses Verhalten wird von einigen Rezipient*innen als „cool“ angesehen, wodurch der Drang entsteht, ähnliche Wege einzuschlagen und Fitness-Influencer*innen nachzueifern. Auch die Deutsche Sporthochschule Köln, speziell das Institut für Biochemie, warnt vor den Gefahren von Anabolika, dem beliebtesten Dopingmittel in der Fitnessszene. Hohe Dosen über lange Zeiträume können schwerwiegende und lebensgefährliche Nebenwirkungen verursachen, wie Herz-Kreislauf-Schäden, die zu Herzinfarkten und im schlimmsten Fall zum Tod führen können. Weitere Risiken sind Leberschäden, Vermännlichung bei Frauen (z. B. tiefere Stimme und Menstruationsstörungen) sowie bei Jugendlichen ein vorzeitiger Verschluss der Epiphysenfugen, der das Längenwachstum beeinträchtigt.Mareich unterstreicht außerdem, dass Fitness-Influencer*innen oft irgendwann mehr Wert auf Quantität als auf Qualität legen, da ihr eigener Erfolg und ihre Popularität für sie von großer Bedeutung sind – oft sogar der Hauptanreiz für ihr Engagement. Dabei ist es für Jugendliche wichtig, das Training so individuell wie möglich zu gestalten. Er bemüht sich deshalb, aktiv auf individuelle Fragen einzugehen und bietet maßgeschneiderte Trainingspläne gegen eine Gebühr an. Auch Greimel teilt diese Ansicht: „Man kann keine Person einfach mit einer anderen vergleichen. Nur weil eine bestimmte Trainingsübung für eine Person gut funktioniert, bedeutet das nicht automatisch, dass sie für eine andere Person genauso geeignet ist. Trainingspläne sind nicht universell übertragbar.“
Herausforderungen für Fitness-Influencer*innen
Als Influencer*in ist es wichtig zu betonen, dass für den Traumbody nicht nur die Trainingsübungen und Intensitäten entscheidend sind, sondern auch die Ernährung, wie Greimel betont: „Manche Menschen können mit einem Kaloriendefizit von 100 Kalorien gut arbeiten, andere überhaupt nicht. Manche müssen vor dem Training nicht frühstücken, während andere unbedingt eine Mahlzeit vor dem Training benötigen.“ Es ist von großer Bedeutung, dass individuelle Unterschiede bestehen und keine „one-size-fits-all“ Lösung für alle funktioniert. Hierin liegt die Herausforderung für Fitness-Influencer*innen, diese Botschaft effektiv an ihre Zuseher*innen zu vermitteln. Mareich betont, dass Influencer*innen eine Verantwortung tragen, hochwertigen Content zu produzieren und diesen den Rezipient*innen so zu vermitteln, dass er auch gesund umgesetzt werden kann. Besonders herausfordernd ist es laut Mareich, Jugendlichen zu erklären und zu präsentieren, was tatsächlich gesund ist und dennoch attraktiv wirkt. Er beschreibt, dass vielen Jugendlichen nur das äußere Erscheinungsbild wichtig ist, während gesundheitliche Aspekte wie beispielsweise die Bandscheiben oft ignoriert werden. Das gilt es zu vermeiden.
Sportliche Falschinformation: Gründe und Auswirkungen
Leider sind sich nicht alle Influencer*innen ihrer Verantwortung bewusst. Falsche Informationen über zu vermeidende Übungen, extreme Empfehlungen, die Ängste auslösen können, sind laut Greimel zu beobachten. Die Logik dahinter: Viele Accounts wollen in erster Linie ihre eigene Reichweite steigern, anstatt den Nutzer*innen tatsächlich qualitativ hochwertige Trainingsinformationen zu vermitteln. Just Videos, die vor bestimmten Übungen warnen und diese kritisieren, erzielen oft hohe Klickzahlen. Eine größere Reichweite bedeutet höhere Einnahmen durch Kooperationen. Für die einzelunternehmerisch tätigen Content Creator stellt das Abwägen der Vor- und Nachteile folglich eine bedeutende Herausforderung dar. Das trägt jedoch dazu bei, falsche Informationen zu verbreiten.
Mareich ergänzt, dass Influencer*innen Fotos oder Videos zu ihrem Vorteil bearbeiten, um Selbstzweifel zu kompensieren. Trotz des Bewusstseins über die verzerrte Wahrnehmung durch Bildbearbeitungen sind auch sie vor dem Vergleich mit anderen nicht gefeit. Bildbearbeitung erfolgt dann oft dem eigenen Wohlbefinden zuliebe. Zum Beispiel wird Cellulite, eine natürliche Erscheinung bei Frauen, in der digitalen Welt oft gar nicht gezeigt. Das entspricht nicht der Realität, denn selbst junge Frauen können Cellulite haben. Bei Frauen gibt es keine Cellulite und bei Männern wird vorgegeben, dass alles natürlich antrainiert ist. Wie Mareich feststellt, werden tatsächlich oft Doping-Substanzen verwendet: „Ohne diese Zusätze können sie nicht so aussehen. Das ist auf natürliche Weise unmöglich.“ Das Resultat ist eine Verzerrung der Wahrnehmung der Zuseher*innen, insbesondere jener, die neu in diese Welt eintauchen und nicht unterscheiden können, ob das scheinbar perfekte Körperbild durch Nahrungsmittelergänzungen oder auf natürliche Weise entstanden ist.Es gibt leider kein objektives und wissenschaftlich fundiertes Ranking der besten Fitness-Influencer*innen, da Fitness eine sehr komplexe und subjektive Angelegenheit ist.
Regulierungen
Wie kann man also Qualität sicherstellen? Auf dem Papier müssen Sport-Influencer*innen einigen Regulierungen folgen. Es gibt ein Gesetz zur Kennzeichnungspflicht, das von der RTR überprüft wird. Die Empfehlung, Quellen zu belegen, kommt vom Österreichischen Werberat. Dieser ist jedoch eine Selbstregulierungsorganisation, die lediglich Empfehlungen ausspricht und keine rechtliche Befugnis besitzt. Fitness-Influencer*innen müssen die Jugendschutzbestimmungen laut dem Jugendschutzgesetz und dem Rundfunkgesetz einhalten, indem sie keine Inhalte veröffentlichen, die für Minderjährige schädlich oder unangemessen sind. Außerdem fallen Sport-Influencer*innen in Österreich unter das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG), das unlautere Geschäftspraktiken wie irreführende Werbung oder den Missbrauch von Verbrauchervertrauen verbietet.
Das Problem besteht darin, dass es eine große Anzahl an Influencer*innen gibt. Diese Gesetze gelten jedoch nur für österreichische Anbieter*innen, während Kinder und Jugendliche auch Influencer*innen aus anderen Ländern folgen. Mit dem „Digital Services Act“ existiert eine EU-weite Gesetzgebung, die die Verantwortung für den Jugendschutz bei den Anbieter*innen und Plattformen sieht. Inwiefern das effektiv ist, muss noch beobachtet werden. Daher ist es dringend notwendig, das Bewusstsein bei Content Creator zu schärfen und internationale Bestimmungen für sie zu formulieren.