Im Februar 2024 haben mehr als 30 europäische Medienhäuser eine Sammelklage gegen Google eingereicht, darunter auch elf Medienunternehmen aus Österreich. Der Vorwurf: Googles dominante Position auf dem digitalen Werbemarkt dränge Medien in eine Abhängigkeit und schmälere ihre Einnahmen, was die Finanzierung von unabhängigem Journalismus bedrohe. Die Klage steht stellvertretend für den anhaltenden Kampf europäischer Medien gegen die übermächtige Stellung globaler Tech-Konzerne. Alexander Fanta, ein Experte für Tech-Politik, beleuchtet die Hintergründe dieses wegweisenden Rechtsstreits.
von REBECCA GEPPL, 31.04.2025
Der Hintergrund der Klage
Die Klage europäischer Medienhäuser aus 17 Ländern – darunter Österreich, Deutschland und Co. – gegen Google ist eine der bedeutendsten juristischen Maßnahmen gegen den Konzern in Europa. Dieser Schritt ist eine Konsequenz aus den seit Jahren schwelenden Spannungen zwischen der europäischen Medienbranche und US-Tech-Giganten. Die insgesamt 32 verschiedenen Medienhäuser werfen Google vor, durch seine dominierende Stellung im digitalen Werbemarkt Einnahmen der Verlage zu untergraben und sie wirtschaftlich in eine Abhängigkeit zu treiben. Berechnungen von Harald Fidler (diemedien.at) zum Werbevolumen in Österreich spiegeln diese Problematik wider, da internationale Digitalkonzerne mit einem jährlichen Wachstum (2023/2024) von 16,9% deutlich vor den klassischen Medien mit nur 4,5% stehen.
Auch Alexander Fanta, österreichischer Journalist, ehemaliger Brüssel-Korrespondent der deutschen Plattform netzpolitik.org mit dem Fokus auf digitale Bürgerrechte und Technologiethemen und Ko-Autor der Studie Medienmäzen Google – Wie der Datenkonzern den Journalismus umgarnt aus dem Jahr 2020, unterstreicht, dass Google durch seine Struktur als Anbieter und Betreiber zentraler Werbeplattformen zu einer Monopolstellung gelangt sei, die die Medienbranche stark belastet. „Die Sammelklage zeigt, dass die Medienhäuser an einem Punkt angekommen sind, an dem sie ohne klare rechtliche Schritte ihre wirtschaftliche Grundlage bedroht sehen“, erklärt Fanta.
Die Klage wurde am 28.02.2024 in den Niederlanden eingereicht, um ein rechtliches Umfeld zu nutzen, das für Sammelklagen geeignet ist.
Die Auswirkungen auf die Medienfinanzierung
Googles Marktmacht erschwert es insbesondere unabhängigen Medien, stabile Einnahmequellen aufzubauen. „Wir beobachten eine Abhängigkeit von Google in der gesamten Branche. Kleinere und unabhängige Verlage können den technologischen und finanziellen Aufwand nicht leisten, um Alternativen zu Googles Systemen aufzubauen“, erklärt Fanta.
Fanta betont, dass Google auch durch andere Projekte, wie den Digital News Initiative-Fonds, welcher Medienunternehmen mit Fördergeldern, Trainingsprogrammen und Konferenzen unterstützen soll, Einfluss auf Medienhäuser nehme. Über den Fonds in Höhe von mehr als 140 Millionen Euro unterstütze Google von 2016 bis 2019 gezielt größere, kommerzielle Verlage und marginalisiere kleinere und unabhängige Anbieter, die oftmals nicht von den Fördergeldern profitierten. „Der Großteil der Fördermittel fließt an kommerzielle Medien und nicht an Non-Profit-Medien. Das zeigt, dass Google strategisch vorgeht und versucht, ein Umfeld zu schaffen, in dem die großen Verlage abhängig bleiben“, so Fanta.
Marktbeherrschung und Monopolstellung – Was steht auf dem Spiel?
Fanta verweist darauf, dass es bereits in mehreren Ländern Versuche gab, Google durch gesetzliche Vorgaben zu zwingen, Lizenzgebühren für journalistische Inhalte zu zahlen – wie etwa durch das europäische Leistungsschutzrecht. Doch Google habe es stets verstanden, solche Gesetze durch Rechtsstreitigkeiten oder Verzögerungstaktiken zu umgehen. „Googles Vorgehen in den letzten Jahren zeigt, dass der Konzern bereit ist, mit allen Mitteln seine Position zu verteidigen und gesetzlichen Auflagen aus dem Weg zu gehen“, betont Fanta. Er sieht es daher als dringend notwendig an, dass die Regierungen in Europa gemeinsam gegen den Konzern vorgehen, um eine kohärente und nachhaltige Lösung für die Medienbranche zu erreichen.
„Frenemy“ oder Gegner
Das Verhältnis zwischen Medienhäusern und Google war schon immer ambivalent. Einerseits stellt Google durch seinen Traffic und seine Technologie unverzichtbare Dienstleistungen für die Medienbranche bereit, andererseits wird der Konzern zunehmend als Bedrohung für die wirtschaftliche Unabhängigkeit der Verlage wahrgenommen. Diese „Frenemy“-Beziehung, die in Fantas Studie beschrieben wird, scheint durch die jüngste Sammelklage endgültig an einem Wendepunkt angekommen zu sein. „Google wird inzwischen nicht mehr als Partner, sondern als Gegner gesehen, der die ökonomische Basis der Medien angreift“, fasst Fanta zusammen.
Wie geht es weiter nach der Klage? Die Optionen europäischer Medienhäuser
Fanta zeigt auf, dass sich die Medienhäuser stärker vernetzen und nach neuen Wegen suchen müssten, um ihre Inhalte zu vertreiben. „Es sollte eine intensivere Zusammenarbeit zwischen den Verlagen geben, um gemeinsame Vertriebskanäle und alternative Technologien zu entwickeln, die sie unabhängiger von den großen Tech-Konzernen machen könnten“, erklärt er.
Die Sammelklage gegen Google ist ein bedeutender Schritt in diesem Kampf und verdeutlicht die Notwendigkeit, Tech-Konzerne wie Google stärker zu regulieren, um die Pressefreiheit und die wirtschaftliche Grundlage des Journalismus zu schützen. Ob die Medienhäuser mit der Klage Erfolg haben, bleibt abzuwarten, doch der Schritt hat in der Branche bereits eine wichtige Debatte ausgelöst – eine Debatte über die Rolle und Macht von Google und Co. und die Zukunft des unabhängigen Journalismus in einer zunehmend digitalisierten Welt.
